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29. Juli 2021
Hinweise und Empfehlungen zur Beseitigung von Flutschäden an Trinkwasser- und Heizungsinstallationen
Die heftigen Regenfälle und die damit einhergegangenen Überflutungen im Juli haben zahlreiche Menschenleben gefordert sowie Gebäude und mancherorts die Infrastruktur teilweise oder ganz zerstört. Die Beseitigung der Schäden wird noch Wochen oder Monate dauern. Mitunter sind Chemikalien oder mit Abwässern belastetes Wasser in die Trinkwasser-Installation von Gebäuden gelangt. Der Trinkwasserexperte Dr. Peter Arens zeigt in diesem Gastbeitrag auf, wie mit betroffenen Installationen umzugehen ist.
Quasi als Sofortmaßnahme sollte schon bei den Aufräumarbeiten die durchfeuchteten Dämmungen aller Rohrleitungssysteme entfernt und entsorgt werden. Der Hintergrund: Heutige Dämmungen sind geschlossenporig. Sie würden auch nach Wochen nicht trocknen. Das führt bei metallenen Bauteilen wie Rohren, Verbindern oder Armaturen und vor allem bei Heizungs-Installationen aus C-Stahl sehr schnell zu Lochkorrosion und damit nachfolgend zur großflächigen Zerstörung.
Aber auch bei deutlich robusteren Materialien wie Kunststoff, Kupfer, Rotguss oder Edelstahl ist die Dämmung allein schon wegen der unbekannten Wasserzusammensetzung unbedingt zu entfernen, um Schäden vorzubeugen. Bei einigen Kunststoffrohrsystemen können äußere Verunreinigungen mit Ölen etc. das Material zerstören/schädigen oder sogar durch das Material ins Trinkwasser gelangen.
Trinkwasser-Installationen reinigen und desinfizieren
Jede beschädigte oder mit Wasser unklarer Beschaffenheit geflutete Trinkwasser-Installationen sollte nach einer fachgerechten Reparatur auf Dichtheit überprüft, gereinigt und erst anschließend desinfiziert werden. Wesentliche Hinweise zur Vorgehensweise finden sich im DVGW-Arbeitsblatt W 557 „Reinigung und Desinfektion von Trinkwasser-Installationen“ (Okt. 2012) sowie im ZVSHK-Merkblatt „Dichtheitsprüfung von Trinkwasser-Installationen …“.
Die im Regelwerk angegebenen Konzentrationen und Einwirkzeiten (siehe Tabelle 2) für die Anlagendesinfektion sind unbedingt einzuhalten, um die volle Wirkung zu erzielen und gleichzeitig Schäden an der Installation vorzubeugen.
In den meisten Fällen ist die fachgerechte Spülung bestehender Trinkwasser-Installationen, möglichst mit einem Wasser-/Luftgemisch (ZVSHK-Merkblatt), und nachfolgender Desinfektion völlig ausreichend, um die Trinkwassergüte in Gebäuden wieder abzusichern. Bestehen allerdings Restzweifel oder ein erhöhtes Schutzziel wie in Kindergärten, Altenheimen, Gebäuden mit medizinischer Nutzung und ähnlichen Einrichtungen, sollte in Abstimmung mit dem Gesundheitsamt immer eine Wasseruntersuchung durchgeführt werden. Dabei ist mindestens auf die mikrobiologischen Parameter „Allgemeine Bakterien“, „Coliforme Bakterien“ und „E. Coli“ (Tabelle 3) zu untersuchen. Letztgenanntes Bakterium ist der Anzeiger einer fäkalen Verunreinigung. Weitergehende Untersuchung auf Legionellen sind nicht notwendig, auf Pseudomonaden nur bei besonderen Fragestellungen, da diese beiden Bakteriengattungen im Hochwasser keine geeigneten Lebensbedingungen vorfinden. Das haben Untersuchungen nach den Hochwässern in den Jahren 2002 und 2013 bestätigt.
Umgang mit offenen und halbfertigen Installationen
„Halbfertige“ bzw. geborstene Trinkwasser-Installationen, die beispielsweise in einem Roh- oder Neubau geflutet wurden, sind so zu verschließen, dass sie umgehend entsprechend den Regelwerken von ZVSHK und DVGW mit einem Wasser-/Luft -Gemisch gespült und gereinigt werden können (Tabelle 1). Möglicherweise müssen komplexe Installationen dafür in kleinere Einheiten unterteilt werden.
Befindet sich die Trinkwasser-Installation in einem Objekt mit hohen hygienischen Anforderungen (z. B. Alten- und Pflegeheim, Krankenhaus), empfiehlt sich eine Desinfektion und anschließende mikrobiologische Freigabe-Untersuchung.
Müssen aus Materialmangel bei den anschließenden Installationsarbeiten Komponenten aus überfluteten Lagern weiterverwendet werden, sind diese Bauteile vorher zu reinigen/desinfizieren und zusätzlich die damit zu erstellenden Trinkwasser-Installationen vor der Nutzung sorgfältig zu spülen. Doch wo immer dies möglich ist, sollten kontaminierte Bauteile bei entsprechender Eignung vorsichtshalber nur noch für Arbeiten an der Heizungsinstallation verwendet oder entsorgt werden. Bei Heizungs-Installationen ist eine Desinfektion nicht notwendig, aber die Bauteile müssen sauber sein, da sonst Feststoffe zu Störungen führen würden.
Bei der Verwendung von gereinigten Installationskomponenten für Trinkwasser-Installationen sind möglichst immer mikrobiologische Wasseruntersuchung durchzuführen. Diese Untersuchungen liefern die notwendigen Informationen, wie erfolgreich die Reinigung und Desinfektion aus hygienischer Sicht war, und sichern damit auch die Arbeiten des Fachhandwerkers ab.
Umgang mit unbeschädigten Installationen
Bislang noch nicht wieder genutzte und intakte Trinkwasser-Installationen sollten erst dann wieder zur Abgabe von Trinkwasser als Lebensmittel genutzt werden, wenn eine Reinigung und Spülung durchgeführt wurden. Vor der Spülung wird die Anlage im ersten Schritt nach unten komplett entleert und sofort wieder mit Trinkwasser gefüllt, um Korrosionsschäden durch eine Teilbefüllung zu verhindern.
Durch diese Entleerung nach unten werden lokale Kontaminationen aus dem Kellerbereich nicht im gesamten Gebäude verteilt, die vielleicht über Sicherungsarmaturen eingedrungen sind. Im zweiten Schritt ist eine Dichtheitsprüfung sinnvoll, wenn Beschädigungen an Rohrleitungen oder Armaturen vermutet werden, beispielsweise durch aufschwimmende Gegenstände während der Flutung. Der abschließende Spülprozess erfolgt dann gemäß DVGW-Arbeitsblatt W 557 (Tab. 1).
Entsorgung von gefluteten Bauteilen?
Im Einzelfall bleibt aber die Entsorgung des gefluteten neuen Bauteils die sinnvollste Lösung. Ähnliches gilt für komplexe Installationskomponenten, wie spezielle Sicherungsarmaturen oder elektronisch gesteuerte Armaturen und Bauteile. Sind die erkennbar nass oder sogar in Mitleidenschaft gezogen, empfiehlt sich eine Nachfrage beim Hersteller. Ist die qualifizierte Reinigung dann nicht möglich oder sinnvoll, dürfen auch diese Komponenten nicht weiterverwendet werden.
Weiternutzung gefluteter und neuer Bauteile?
Auch Gewerbebetriebe und ihre Lager wurden überflutet. SHK-Fachhandwerker sollten die Installationskomponenten aus überschwemmten Warenlagern oder Werkstattwagen keinesfalls ungeprüft weiterverwenden: kontaminiertes Schmutzwasser kann sogar in Beutelverpackungen oder abgestopfte Rohre eingedrungen sein, ohne dass dies auf den ersten Blick erkennbar ist. Bakterien sind ohne Mikroskop nicht zu sehen.
Wenn also kein Materialmangel zur Weiternutzung zwingt, sollten alle gefluteten Bauteile vorsichtshalber entsorgt werden. Dies gilt insbesondere für funktionale und elektronische Bauteile der Heizungs- und Trinkwasser-Installation.
Zwingt Materialmangel zur Weiternutzung, müssen bei Rohren, Verbindern und anderen Bauteilen die Stopfen/Verpackungen entfernt, die Produkte mit einwandfreiem Trinkwasser durchgespült und dann zügig getrocknet werden (Rohre mit Gefälle lagern). Wo immer dies notwendig und möglich (Materialverträglichkeit) ist, sollten geflutete Bauteile für die Trinkwasser-Installation wie Rohre und Verbinder ausschließlich und mit hoher Nachvollziehbarkeit nur noch für Heizungs-Installationen verwendet werden.
Grundsätzlich dürfen bei Reinigungsmaßnahmen keinerlei Ablagerungen in den Produkten verbleiben, da sie unter anderem Wasser binden und Bakterien eine gute Vermehrungsmöglichkeit bieten würden. Auch zur Desinfektion von einzelnen Bauteilen finden sich im DVGW W 557 wertvolle Hinweise – z. B. im Kapitel „7.3 Desinfektion von Apparaten und Bauteilen“.
Zwingt also Materialmangel zur Weiterverwendung gefluteter Bauteile, ist nach deren Einbau in eine Trinkwasser-Installation diese erneut gründlich zu spülen (Tabelle 1) und im Zweifelsfall gemäß Tabelle 2 zu desinfizieren. Eine mikrobiologische Kontrolluntersuchung ist sinnvoll bzw. kann vom Gesundheitsamt angeordnet werden.
Zusammenfassung
Dieser Beitrag soll eine Hilfestellung geben, wie mit Heizungs- und Trinkwasser-Installationen bei unzerstörter und wiedererrichteter Infrastruktur umzugehen ist. Denn ein Regelwerk für diese Fälle gibt es nicht. Doch insbesondere die DVGW Arbeitsblätter W 556 und W 557 geben eine gute Orientierung.
Zum Schluss ein Tipp: Verunreinigtes Trinkwasser darf selbstverständlich für die Toilettenspülung verwendet werden, damit das Gebäude bewohnbar bleibt. Aber eben nicht als Lebensmittel. Erst wenn es als Lebensmittel wieder frei gegeben ist, machen die beschriebenen Spülungen und Desinfektionsmaßnahmen in der Trinkwasser-Installation Sinn. Denn ohne diese Freigabe würde das nachströmende Wasser die Trinkwasser-Installation erneut verunreinigen.
Autor:
Dr. Peter Arens,
ö. b. u. v. Sachverständiger für Trinkwasserhygiene,
E-Mail: vertrauen-in-wasser@t-online.de
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