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StartseiteWissenNews„Weiterdenken ist angesagt“
9. November 2021
Der Photovoltaik-Markt wird sich weiter in Richtung Sektorkopplung entwickeln, sagt Solarwatt-CEO Detlef Neuhaus. Das fordert auch von SHK-Betrieben neue Geschäftsmodelle, neues Denken und neue Kooperationen. Die Dresdener arbeiten diesbezüglich an einem neuen Partnerprogramm – und haben einen neuen Speicher entwickelt.
Detlef Neuhaus: Die Ausgangslage für unsere Überlegungen war und ist der derzeit bereits stattfindende Transformationsprozess im SHK-Markt. Die Sektorkopplung führt dazu, dass das Handwerk lernen muss, vernetzt und technikübergreifend zu denken. Die Energiewende nimmt deutlich an Fahrt auf, so dass die Geschwindigkeit, auch als Handwerker auf diese Veränderungen zu reagieren, enorm ist. Ein Beispiel: 95 % der Heizungsinstallateure kennen sich in der Wärmepumpen-Technik aus, aber es gibt nur wenige, die gleichzeitig das auch über die Photovoltaik oder Speichertechnologie oder das wichtige Thema Energiemanagement von sich sagen können. Wir brauchen mehr Fachkräfte, die technikübergreifend agieren. Hier möchten wir unseren Premium-Partnern Unterstützung anbieten, z. B. in Form von Ausbildung. Und wir unterstützen sie beim Recruiting. Wir stellen uns außerdem vor, eigene Installateure einzustellen, die wir dann unseren Partnern zur Unterstützung senden können, wenn diese Engpässe haben. So können sie Aufträge annehmen, die sonst aufgrund von Kapazitätsengpässen abgelehnt werden müssten.
IKZ-HAUSTECHNIK: Wie wollen Sie aber dem Vorbehalt entgegentreten, dass Sie darüber den Betrieben Arbeit wegnehmen oder die Arbeitsbedingungen diktieren, am Ende gar Abhängigkeitsverhältnisse schaffen könnten?
Detlef Neuhaus: Ich kenne diesen Argwohn, der ja, wenn man den Markt betrachtet, auch zurecht besteht, z. B. der Trend, Handwerksbetriebe zu übernehmen. Ich selbst bin gelernter Installateur und Heizungsbauer. Deshalb war es mir von Anfang an wichtig, dass wir gegenüber unseren Installateuren mit offenem Visier agieren. Die Resonanz war sehr gut. Wir wollen im echten partnerschaftlichen Sinne zusammenarbeiten, uns also nicht aufdrängen und ihnen auch kein Geschäft wegnehmen. Die meisten Handwerksbetriebe sind traditionell Veränderungen gegenüber eher skeptisch. Aber das Handwerk kann sich eine abwartende Haltung nicht mehr leisten, weil die Entwicklung brutal schnell gehen wird.
IKZ-HAUSTECHNIK: Was haben Sie denn kommuniziert?
Detlef Neuhaus: Wir haben offen kommuniziert, dass unserer Meinung nach das klassische Denken der Betriebe in verschiedene Fachgebiete keine Zukunft mehr hat. Stattdessen gilt es sich zu vernetzen, Kooperation zu schließen. Ich habe ja von der Notwendigkeit gesprochen, dass technikübergreifend gehandelt werden muss. Es geht um Gesamtlösungen aus einer Hand für den Kunden und nicht darum, dass der Kunde sich die verschiedenen Gewerke beispielsweise bei einer energetischen Gebäudesanierung mühsam selbst zusammensuchen muss. Doch werden die wenigsten Handwerksbetriebe in Deutschland aufgrund ihrer Struktur und Größe in der Lage sein, ein komplettes Spektrum selbst abzudecken. Die zweite Säule unseres Konzepts ist also, aus Betrieben Kooperationspartner zu machen, die dann gemeinsam in der Lage sind, die immer komplexer werdenden Projekte aus einer Hand selbst zu stemmen.
IKZ-HAUSTECHNIK: Wie soll man sich das vorstellen?
Detlef Neuhaus: Es wird darum gehen, für einen Kunden ein energetisches Gesamtkonzept zu entwickeln. Dabei steht die Eigenstromversorgung mit einer Photovoltaik-Anlage im Mittelpunkt und wie diese maximiert werden kann, beispielsweise durch die Nutzung eines Stromspeichers und großen Verbrauchern wie einem E-Auto oder einer Wärmepumpe. Wenn man ein solches Konzept entworfen hat, müssen die entsprechenden Partnerbetriebe gefunden werden, sodass das Projekt schnell und möglichst reibungslos umgesetzt werden kann. Das beinhaltet dann auch, Kooperationen zu entwickeln, an die man bislang nie gedacht hätte, die aber aufgrund der Sektorkopplung interessant werden – sowohl in die eine als auch in die andere Richtung. So hat jüngst beispielsweise das Autohaus Kohl in Eschweiler bei Aachen ein Tochterunternehmen mit einem Handwerksbetrieb gegründet, um Käufern eines E-Autos auch das passende Photovoltaik-System anbieten zu können, um das Fahrzeug mit Sonnenstrom zu laden.
IKZ-HAUSTECHNIK: Was ist beim Solarwatt-Projekt aktuell konkret der Stand? Planen Sie über Deutschland verteilt Einsatzteams, die an jedem Ort schnell zur Unterstützung da sind?
Detlef Neuhaus: Wir rollen das Programm jetzt nach und nach aus, um sukzessive unsere weißen Flecken zu schließen, wo wir noch nicht mit Installationsbetrieben zusammenarbeiten. Es ist ein dynamischer Prozess, den wir im gegenseitigen Austausch mit den Premium-Partnern erarbeiten und dann schrittweise vorgehen. Wir haben in einem ersten Schritt hier bei uns an unserem Firmensitz in Dresden angefangen. Wir haben von hier aus schon eine gewisse Reichweite, ein Team zu senden. Wohin sich das weiterentwickelt, werden die kommenden Jahre und auch der Dialog mit unseren Partnern zeigen.
IKZ-HAUSTECHNIK: Solarwatt hat ein neues Batteriespeichersystem entwickelt. „Battery flex“ soll in diesem Herbst auf den Markt kommen. Was ist der Unterschied zwischen dem neuen und dem bisherigen System? Oder anders gefragt: Ist „MyReserve“ jetzt ein altes Eisen?
Detlef Neuhaus: Nein, „MyReserve“ ist ganz sicher kein altes Eisen. Der Batteriespeicher ist nach wie vor ein erstklassiges Gerät mit einer einfachen Skalierbarkeit, einem schlüssigen Sicherheitskonzept und einer hohen Effizienz. Es ist aber so, dass wir mit „MyReserve“ nur auf der DC-Seite koppeln konnten und wir auch stärker auf dem stark wachsenden Markt AC-phasiger Geräte präsent sein wollen und müssen. Das kann „Battery flex“. Der zweite Punkt ist das Thema Zellmarkt bzw. die Zellindustrie. Bislang war es so, dass Stromspeicherhersteller wenig Einfluss auf die Zellentwicklung nehmen konnten und auch darauf hoffen mussten, dann zuverlässige Zellen zu bekommen. Die strategische Vorgehensweise, um aus dieser Lage herauszukommen und mehr Einfluss nehmen zu können, ist die Partizipation an den Entwicklungen in der Automobil-Industrie. Wir tun das mit BMW. Wenn dann eine solche gemeinsame Entwicklung weitergeht, führt das zwangsläufig zu einem komplett neuen Gerät, denn Batteriespeichersysteme müssen immer um die Zelle herum entwickelt werden. Es gibt nicht die Möglichkeit, die Architektur eines Speichersystems für einen Zelltyp auf einen anderen zu übertragen. Das ist ja auch das Problem, wenn es um Ersatz geht. Die Möglichkeit von Second-Source gibt es für ein System eben nicht. Auch deshalb ist es so wichtig, als Speicherhersteller Einfluss nehmen zu können. Wir entwickeln unsere Systeme in Zusammenarbeit mit BMW beispielsweise selber. „Solarwatt Battery flex“ wurde auch entwickelt, um ein System für die Sektorkopplung zu bieten, die E-Mobilität und die Wärmeversorgung mit Strom über Wärmepumpen beinhaltet. Wir sind da auch mit einem Wärmepumpen-Partner im Gespräch. Das ist zwar noch nicht spruchreif, aber in der Pipeline.
IKZ-HAUSTECHNIK: Ein nach wie vor grundsätzliches Problem am Speichermarkt ist, dass es schwierig ist, Systeme technisch zu vergleichen. Für Endverbraucher ist der Markt schwer zu durchblicken. Auf welche Kriterien sollte man besonders achten?
Detlef Neuhaus: Ja, das ist in der Tat nach wie vor schwer zu durchblicken. Denn selbst die Kriterien, die ich jetzt beispielhaft nenne, werden bei dem einen so und beim anderen so ermittelt. Dennoch. Punkte, auf die man unbedingt achten sollte sind Sicherheitskonzepte und vorliegende Zertifikate, Wirkungsgrad des Systems und Wirkungsgrad der Zelle, Reaktionsgeschwindigkeit des Systems – das ist wichtig für die Eigenstromnutzung und die mögliche Effizienz, außerdem ein Blick auf das Unternehmen selbst: Wie sieht es mit dem Service aus? Man sollte auf das gesamte Paket schauen und sich vom Konzept überzeugen lassen.
IKZ-HAUSTECHNIK: Vor fünf Jahren haben wir beide gesprochen, als die Clouds und Communities am Strommarkt in den Anfängen waren. Damals vertraten Sie die Meinung, dass die Eigenstrommaximierung das Ziel sein sollte und man sich als Verbraucher nicht mit einer Cloud oder Community von einer alten Abhängigkeit in eine neue begeben sollte. Sie standen diesen Geschäftsmodellen skeptisch gegenüber. Wie sieht das heute aus? Solarwatt bietet ja z. B. inzwischen an, noch notwendigen Reststrom über den Kooperationspartner Greenpeace Energy abzudecken.
Detlef Neuhaus: Ehrlicherweise bin ich nach wie vor nicht von diesen Geschäftsmodellen überzeugt. Wir planen von unserer Seite auch nichts, was in diese Richtung geht. Dass wir anbieten, den notwendigen Reststrom über einen Kooperationspartner abzudecken bedeutet ja nicht, dass es gemacht werden muss und wir sehen das auch nicht als Bedingung für einen, der unser System haben will. Uns geht es einfach darum, dass wir unseren Kunden ein auf den Anwendungsfall ausgerichtetes und möglichst effektives Photovoltaik-System anbieten wollen, mit dem sie sich zu einem möglichst hohen Anteil selbst versorgen können. Das bringt den Kunden unserer Meinung nach den größten Nutzen.
Das Interview führte Dittmar Koop, Journalist für Erneuerbare Energien und Energieeffizienz
Bilder: Solarwatt
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