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StartseiteWissenNewsTrinkwasserverteilungssysteme auf dem Prüfstand
6. November 2019
Die Rohrleitungsführung als zentrale Stellschraube zum Erhalt der Trinkwassergüte. Teil 1: Temperaturverteilung innerhalb vertikaler Verteil-Systeme
Bis in die 1980er-Jahre hinein wurden Trinkwasserleitungen in Schlitzen massiver Wände verlegt und eingemauert. Heizungsleitungen wurden von kalten Trinkwasserleitungen entfernt installiert. Stockwerks- oder Einzelzuleitungen wurden so nur unwesentlich mit Wärmelasten beaufschlagt. Diese Installationstechnik hatte zwar viele Nachteile, ergab aber selbst nach Stagnationsphasen relativ geringe Temperaturen des kalten Trinkwassers.
Heute werden Kalt- und Warmwasserleitungen fast ausschließlich gemeinsam in den Hohlräumen von Installationsvorwänden frei verlegt. In den Installationsschächten kommen noch die warmgehenden Leitungen der Heizungstechnik hinzu. Fatal für die Trinkwasserhygiene, denn die Umgebungstemperaturen, die auf die Kaltwasserleitungen einwirken, steigen immens an. Die Fachhochschule Münster hat im Rahmen eines Forschungsvorhabens konventionelle Verteilungssysteme mit dem Ziel untersucht, Schwachstellen zu identifizieren und alternative Lösungskonzepte zu entwickeln. Dafür wurde ein modular aufgebauter Prüfstand errichtet, mit dem unterschiedliche Installationsvarianten untersucht werden können.
Grundlagen
Die Trinkwasserhygiene innerhalb einer
Trinkwasser-Installation ist maßgeblich von den Faktoren
Wasseraustausch, Durchströmung, Nährstoffangebot und besonders der
Temperatur abhängig. Diese Parameter finden daher umfänglich in den
allgemein anerkannten Regeln der Technik Berücksichtigung. So fordert
z. B. das DVGW-Arbeitsblatt W 551 für Kleinanlagen mit
Rohrleitungsinhalten > 3 l (3-Liter-Regel) zwischen Abgang
Trinkwassererwärmer und Entnahmestelle sowie generell für Großanlagen
den Einbau von Zirkulationssystemen, die für eine Temperaturhaltung und
ausreichende Durchströmung sorgen sollen. Die Einhaltung der
30-Sekunden-Regel nach DIN 1988-200 kann im Vergleich zur 3-Liter-Regel
sogar kürzere Zirkulationsanbindungen und somit ein geringeres
Stagnationsvolumen mit sich führen. Die RKI-Richtlinie fordert
„Zirkulationsleitungen mit möglichst kurzen Verbindungen zur
Entnahmestelle“. Kommen neben den hygienischen Aspekten auch
Komfortaspekte zum Tragen, so sorgt die Vereinbarung geringerer
Ausstoßzeiten an den Entnahmestellen (z. B. nach VDI 6003) für eine
weitere Reduzierung der nicht-zirkulierenden Leitungsabschnitte.
Die
Einhaltung dieser Anforderungen führt zu einer Installation mit
Zirkulationsleitungen, die optimaler Weise bis unmittelbar an die
Entnahmestellen geführt werden. Dadurch wird zwar für ausreichend
Durchströmung und Temperaturhaltung im Warmwassersystem gesorgt, jedoch
häufig die Kaltwasserinstallation negativ beeinflusst. Denn die
Wärmeenergie zur Temperaturhaltung des zirkulierenden Warmwassersystems
wird an den Installationsraum abgegeben, in dem sich ebenfalls die
Kaltwasserleitungen befinden und sorgt dort für erhöhte
Umgebungslufttemperaturen. Einen weiteren Einfluss auf die
Umgebungslufttemperaturen haben warmgehende Leitungen (z. B. Warmwasser,
Heizung) und andere wärmeabgebende Gewerke (z. B. Elektroinstallation),
die ebenfalls in Schächten und Zwischendecken verlegt werden. Zudem
wird oft vernachlässigt, dass neben den zuvor genannten Wärmelasten auch
die Raumtemperatur der angrenzenden Räume einen erheblichen Einfluss
hat.
Kaltwassertemperaturen im Stagnationsfall
Denn
die minimal zu erreichende Kaltwassertemperatur im Stagnationsfall ist
die Raumtemperatur, unabhängig von der Ausführung der
Trinkwasser-Installation. Für ein Badezimmer beträgt die Raumtemperatur
24 °C entsprechend Heizlastnorm (DIN EN 12831-1). Die Kühllastberechnung
umfasst, je nach Sommerklimaregion, Raumtemperaturen zwischen 25 und
27 °C (DIN 4108-2). Hierbei handelt es sich nicht um maximale
Temperaturen, da es auch zu nutzerabhängigen Überschreitungen der
Temperaturen kommen darf (z. B. keine Klimatisierung am Wochenende beim
Gewerbebetrieb).
Da die Temperatur des Kaltwassers mit maximal 20 bis
25 °C unter den Umgebungslufttemperaturen der Installationsräume liegt,
findet automatisch eine Wärmeübertragung auf das Kaltwasser statt.
Häufig überbewertet wird die Dämmung. Diese sorgt lediglich für eine
Verzögerung des Wärmeübergangs, sie kann ihn nicht vollständig
unterbinden. Äquivalent zum Warmwasser- und Zirkulationssystem muss das
Kaltwassersystem durch bautechnische Maßnahmen vor Wärmeeintrag
geschützt sowie das erwärmte Kaltwasser durch betriebstechnische
Maßnahmen abgeführt werden. In diesem Zusammenhang wird gerne der
bestimmungsgemäße Betrieb genannt, der für einen Abtransport der
aufgenommenen Wärmelasten sorgen soll. Die Einhaltung des
bestimmungsgemäßen Betriebs durch den Nutzer ist in der Regel jedoch
nicht ausreichend, um die Wärmelasten abzuführen, da eine Erwärmung
einer 100 %-gedämmten Rohrleitung in Abhängigkeit der Nennweite von 15
auf 25 °C in 1,5 bis 5,5 Stunden erfolgt.
Um in den zwangsläufig
nicht zu vermeidenden Stagnationsphasen eine übermäßige Erwärmung der
kaltwasserführenden Rohrleitungen zu vermeiden, ist der Wärmeeintrag in
das Kaltwassersystem so weit wie möglich zu reduzieren. Die vom
Fachplaner/Fachhandwerker zu beeinflussenden Faktoren für eine
Minimierung des Wärmeeintrags in das Kaltwassersystem sind konstruktiver
Art. Bei der Betrachtung der typischen Installationsarten ergeben sich
Fragestellungen hinsichtlich der Temperaturverteilung im unmittelbaren
Installationsraum von Kaltwasserleitungen (Vorwandsysteme,
Installationsschächte, Zwischendecken), des Einflusses der
Schachtanbindung auf die Vorwandinstallation sowie des Wärmeübergangs
auf die Kaltwasserseite über Rohrleitungen und Armaturen.
Temperaturverteilung innerhalb vertikaler Verteil-Systeme
Stehen
Wärmequellen im unmittelbaren Luftverbund mit der Vorwandinstallation,
stellt sich eine Temperaturschichtung in der Vorwandinstallation ein
(Bild 1). Bei einer horizontalen Rohrleitungsverlegung untereinander
müssen daher kaltgehende Rohrleitungen unterhalb der warmgehenden
Rohrleitungen angeordnet werden. Hierdurch wird eine unmittelbare
Erwärmung durch Konvektion ausgeschlossen. Die Verlegungsart stellt
keineswegs eine neue Anforderung dar, da sie bereits in der DIN EN 806-4
erwähnt wurde. Bei Berücksichtigung der Temperaturschichtung in
Vorwandsystemen sowie des Strahlungsanteils bei unmittelbarer Verlegung
zur Wärmequelle muss die generelle Anordnung der Rohrleitungen um
Höhenangaben ergänzt werden. Hieraus resultiert eine Verlegung der
warmgehenden Rohrleitungen oberhalb der Entnahmearmaturen und der
kaltgehenden Rohrleitungen so tief wie möglich in der
Vorwandinstallation. Diese Aufteilung bezieht sich ausschließlich auf
die horizontal verlegten Trinkwasserleitungen innerhalb der
Vorwandinstallation. Bei den vertikalen Kaltwasserleitungen ist eine
Verlegung in Bereiche mit geringer Umgebungslufttemperatur nicht so
eindeutig, da zwangsläufig verschiedene Höhen und somit
Temperaturschichtungen innerhalb der Vorwandinstallation durchlaufen
werden. Für eine temperaturoptimierte Verlegung ist eine ganzheitliche
Betrachtung der Temperaturverteilung innerhalb der Vorwandinstallation
notwendig. Hierfür wurden sowohl die halb- als auch die raumhohe
Installationsvorwand messtechnisch untersucht.
Temperaturverteilung in der Installationsvorwand
Bei
beiden Vorwandausführungen befanden sich unmittelbar angrenzend jeweils
ein Installationsschacht für warmgehende Rohrleitungen
(Heizungs-Vorlauf, Heizungs-Rücklauf, Warmwasser, Zirkulation) und ein
separater Installationsschacht für die Kaltwasserleitung (Bild 2). Die
Entnahmestellen in der Vorwandinstallation wurden kaltwasserseitig über
eine Ringleitung angeschlossen. Die Warmwasser- und
Zirkulationsleitungen verlaufen horizontal oberhalb der Armaturen. Unter
Berücksichtigung der oben genannten Empfehlungen sind die horizontalen
Kaltwasserleitungen bodennah installiert. Zwischen den Schächten und der
Vorwand konnten Vorrichtungen zur thermischen Trennung variabel
eingesetzt werden. Hierbei handelt es sich um
Polystyrol-Hartschaum-Bauplatten mit einer Nenndicke von 12,5 mm und
einem U-Wert von
Um die Temperaturverteilung in der Installationsvorwand und -schacht darzustellen, wurden zusätzlich zur Temperaturerfassung über innen liegende Temperaturfühler noch Thermografie-Aufnahmen von der Rückwand des Versuchsstands erstellt. Der Anlagenbetrieb (Heizungs-Vorlauf, Heizungs-Rücklauf, Warmwasser, Zirkulation) erfolgte über eine Dauer von 15 Stunden. Danach wurde die rückseitige Dämmung entfernt. Hinter der Dämmung befand sich eine mattschwarze Folie, die den Versuchsstand luftdicht abschließt. Aufgrund dieser Vorgehensweise wird die entstandene Temperaturschichtung durch die Entfernung der Dämmung nicht zerstört. Die Oberfläche der mattschwarzen Folie besitzt einen Emissionsgrad von 0,97 und ermöglicht Thermografie-Aufnahmen ohne Fehlinterpretationen durch Reflexionen.
Vertikale Verteilsysteme ohne thermische Trennungen
Wie
allgemein bekannt, ist eine gemeinsame Schachtführung von kalt- und
warmgehenden Rohrleitungen auch mit maximaler Rohrleitungsdämmung nicht
zielführend. Kalt- und warmgehende Rohrleitungen müssen räumlich und
thermisch getrennt voneinander verlegt werden, um den Wärmeübergang
durch Konvektion und Strahlung zu unterbinden. Als Konsequenz hieraus
muss bei vertikalen Verteilsystemen eine getrennte Schachtführung
angestrebt werden. Es wurde festgestellt, dass die Lufttemperatur im
Kaltwasserschacht 25 °C überschreitet, wenn im Aufstellraum des
Vorwandsystems und in angrenzenden Räumen die Lufttemperatur 24 °C
beträgt. Die Kaltwasser-Rohrleitung nimmt zwangsläufig die Temperatur
der Luft im Schacht an.
Vertikale Verteilsysteme mit thermischen Trennungen
Durch
den Einsatz thermischer Trennungen wird sichergestellt, dass die
Kaltwasser-Temperatur im Kaltwasserschacht nur maximal das
Temperaturniveau der Umgebung annimmt. Bei einer Raumtemperatur von
24 °C bleibt die Kaltwassertemperatur unterhalb von 25 °C. Die internen
Wärmelasten des warmgehenden Schachts und der Vorwand haben
dementsprechend keinen oder nur einen marginalen Einfluss auf den
Kaltwasserschacht.
Der Erfolg der thermischen Trennungen ist auf den
erstellten Thermografie-Aufnahmen zu erkennen (Bilder 3 und 4).
Dargestellt sind die Temperaturverteilungen bei halbhoher und raumhoher
Vorwand samt angrenzender Schächte nach 15 Stunden Betriebszeit. Bei den
Temperaturangaben handelt es sich um Übertemperaturen (rot, grün,
weiß), bei denen der kälteste Punkt des Versuchsstandes als Referenz
dient (blau). Die Lufttemperaturen im Installationsraum (Vorwand,
Schächte, Zwischendecke) verschieben sich parallel zur Raumtemperatur.
Demensprechend kann die Übertemperatur für eine
raumtemperaturunabhängige Bewertung herangezogen werden. Diese ist
definiert als Differenz der Lufttemperatur im Installationsraum zur
Raumtemperatur am Referenzpunkt. Die farbliche Darstellung basiert auf
einer Raum- bzw. Referenztemperatur von 24 °C. Hieraus resultiert: rot
> 25 °C, grün ≤ 25 °C.
Als Fazit kann festgehalten werden, dass
eine getrennte Schachtführung von kalt- und warmgehenden Rohrleitungen
nur dann zielführend ist, wenn zwischen den Schächten und der Vorwand
der Luftverbund durch eine Vorrichtung zur thermischen Trennung
unterbrochen wird. Nur dann werden in dem Installationsschacht
Kaltwassertemperaturen erreicht, die der Raumtemperatur entsprechen.
Im
zweiten Teil des Artikels widmen sich die Autoren der
Temperaturverteilung bei horizontalen Verteil-Systemen und präsentieren
acht Regeln, deren Einhaltung für einen hygienischen Betrieb einer
Trinkwasser-Installation unabdingbar ist.
Autoren: Stefan
Brodale, Benedikt Kemler, beide Wissenschaftliche Mitarbeiter /
Projektingenieure an der FH Münster – Fachbereich Energie · Gebäude ·
Umwelt
Prof. Dr.-Ing. Carsten Bäcker, Lehr- und Forschungsgebiet:
Projektierung und Simulation gebäudetechnischer Systeme, FH Münster –
Fachbereich Energie · Gebäude · Umwelt
Bilder: FH Münster
– Fachbereich Energie · Gebäude · Umwelt
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