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StartseiteWissenNewsFeldstudie zu Legionellen
6. Mai 2024
Ergebnisse der LeTriWa-Studie belegen: Gesundheitliche Risiken sind auch bei dezentraler Trinkwassererwärmung nicht auszuschließen
Im Zeitraum von 2016 bis 2020 fand eine großangelegte Feldstudie zu den Ursachen von Legionellenerkrankungen statt. Projektpartner waren das Umweltbundesamt (UBA), das Robert Koch-Institut (RKI) und das Konsiliarlabor für Legionellen (KL). Gemeinsam ging man der Frage nach, auf welche Ursachen 111 dokumentierte Legionelleninfektionen zurückgeführt werden können. Mit teils überraschenden Ergebnissen.
Damit Fachleute, Betreiber und Sachverständige im Bereich der Trinkwasserinstallation handlungsfähig sind, gibt es das technische Regelwerk. Dieses enthält Vorgaben und Empfehlungen für eine wirksame Legionellenprophylaxe in Bezug auf die Warm- und Kaltwassertemperaturen, den bestimmungsgemäßen Betrieb oder die Wartung der Anlagen. Dabei ist jedem Fachmann klar, dass sich die reale Legionellenwelt nicht so einfach darstellt, wie im Regelwerk festgelegt. Beispielsweise kann eine grenzwertige Temperatur durch einen erhöhten Wasserwechsel kompensiert werden, wie das DVGW-Projekt „Legionellen im Kaltwasser“ deutlich gezeigt hat.
Temperatur-Legionellengrafiken spiegeln oftmals nicht die Praxis wider
Die üblicherweise zitierten Grafiken mit Praxiswerten, bei denen die Temperaturen gegen die Legionellenanzahlen aufgetragen werden, ergeben allenfalls eine grobe Vorstellung davon, bei welchen Temperaturen sich Legionellen übermäßig vermehren oder auch nicht. Allerdings weist jede dieser Grafiken einen nicht zu vernachlässigenden Fehler auf: In ihnen werden fälschlicherweise die Systemtemperaturen auf Basis der „Temperaturkonstanz“ gegen die Legionellenanzahl aufgetragen. Während diese Temperaturen eindeutig dem System zugeordnet werden können, ist dies bei den Legionellenzahlen nicht möglich. Sie können aufgrund der Probennahmevorschriften aus dem System, aus Stichleitungen oder sogar nur aus Armaturen stammen, also lediglich repräsentativ für die dort herrschenden Temperaturen sein – was jedoch bei all diesen Diskussionen unberücksichtigt bleibt. Oder anders ausgedrückt: Die Legionellen könnten sich bei den ermittelten Systemtemperaturen vermehrt haben, müssen es jedoch nicht! Dennoch werden damit manchmal „Angstdebatten“ geführt, um technische Lösungen für Temperaturen unter 25 °C für Kaltwasser oder über 55 °C für Warmwasser an jeder Entnahmestelle bei einer Austrittstemperatur am Warmwasserbereiter von mindestens 60 °C zu argumentieren. Dabei zeigen wissenschaftliche Untersuchungsergebnisse, dass diese Temperaturen bereits ausreichend sicher sind.
Die Unschuldsvermutung der TrinkwV
Die benannten technisch-physikalischen Parameter sind also notwendig, um Trinkwasserinstallationen mit einer hinreichenden Sicherheit planen, errichten und betreiben zu können. Sie werden indirekt über den § 13 (1) TrinkwV als „mindestens allgemein anerkannten Regeln der Technik (a. a. R. d. T.)“ für jede „Gebäudewasserversorgungsanlage“ eingefordert. Wird dies in die Praxis umgesetzt, darf ein Betreiber davon ausgehen, dass das Trinkwasser an jeder Entnahmestelle den Anforderungen der TrinkwV entspricht.
Die Stelle der Einhaltung der TrinkwV ist die Stelle des Wasserwechsels
Im § 10 ist die Stelle der Einhaltung der Anforderungen gemäß TrinkwV definiert, nämlich am „Austritt aus den Entnahmestellen“ bzw. an einer normativ notwendigen Sicherungseinrichtung. Dies erklärt, warum die VDI 6023 seit bereits 11 Jahren bzw. nun auch das neue DVGW W 551-4 (A) den Wasserwechsel über jede Entnahmestelle als a. a. R. d. T. definiert. Denn nur so kann eine „Totleitung“ von der Wandscheibe bis zur Auslassstelle der Armaturen vermieden werden.
Vorgehensweise bei der LeTriWa-Studie
In dieser Studie [2] wurden ausschließlich bestätigte Fälle einer Legionellose mit Bezug zur häuslichen Trinkwasserinstallation berücksichtigt (Bild 1). Ausgeschlossen wurden alle ambulant erworbenen Fälle, dass heißt Erkrankungen mit Bezug zu Krankenhaus-, Pflegeheim-oder Reiseexposition. Weiterhin ausgeschlossen waren Fälle mit wahrscheinlicher Infektionsquelle außerhalb des eigenen Haushalts wie beispielsweise Sportstätten.
Untersuchung des Trinkwassers in Wohnungen
Im Badezimmer der betroffenen Wohnung wurden jeweils drei Wasserproben an Waschtischen und Duschen entnommen. Die Wasserproben wurden entweder nach Zweck b oder Zweck c der DIN EN ISO 19458 entnommen: Bei Zweck b wurden alle Bauteile wie Strahlregler oder Duschschläuche entfernt und bei der Probennahme der erste Liter verworfen. Dies entspricht der vorgeschriebenen systemischen Untersuchung auf Legionella spec gemäß TrinkwV. Bei Untersuchungen nach Zweck c wurde das Wasser so entnommen, wie es aus der jeweiligen Entnahmestelle austrat, also ohne Ablauf von einem Liter Trinkwasser und ohne Entfernung von Strahlreglern bzw. Duschschläuchen.
In einem Labor in Dresden wurde das Erbgut von Legionellen aus dem Trinkwasser dann mit dem Erbgut von Legionellen der Erkrankten/Verstorbenen verglichen. War das Erbgut identisch, wurde dies als Nachweis für den Erkrankungsort „häusliches Umfeld“ gewertet. Weitere Informationen zum Gebäude steuerte das zuständige Gesundheitsamt bei. Die Fragen lauteten u. a.: Gab es bereits vor der Erkrankung Legionellenbefunde, die über dem technischen Maßnahmenwert lagen? War die Trinkwasserinstallation untersuchungspflichtig? Wurde dieser Pflicht nachgekommen?
Erkenntnissen zu den erkrankten Personen
In der Studie wurden insgesamt 111 Erkrankungen berücksichtigt. Der Altersdurchschnitt der Betroffenen lag bei 67 Jahren (Spannweite 25 bis 93 Jahre). Davon waren 74 männlich (67 %) und rund 50 % rauchten. Damit bestätigten sich die bisherigen Erkenntnisse zu den bekannten Risikofaktoren: „männlich“, „über 60 Jahre alt“ und „Raucher“ (Bild 2). Auf Basis dieser Daten resümierte das RKI, dass es allein durch einen Nikotinverzicht rund 30 % weniger Legionellosen geben könnte.
Überraschend? Auch Personen mit dezentraler Trinkwasserwärmung betroffen
43 % der erkrankten Personen hatten sich über Trinkwasser infiziert, dass aus nicht untersuchungspflichtigen Trinkwasserinstallationen stammte. Bei diesen handelte es sich um Kleinanlagen oder um Anlagen mit einer Wohnungsstation, also einer dezentralen Trinkwassererwärmung. Die anderen 57 % der Personen lebten in Gebäuden mit untersuchungspflichtigen Großanlagen, von denen lediglich 3 % noch nie beprobt wurden. Dieses 3 % legen nahe, dass es einen hohen Umsetzungsgrad der Untersuchungspflicht gemäß § 31 TrinkwV gibt.
Ist der technische Maßnahmenwert sicher?
Bekanntermaßen müssen gemäß DVGW W 551 erst bei 10 000 KBE/100 ml besondere Maßnahmen zum Personenschutz ergriffen werden. Ausnahmen gelten für Personen mit Vorerkrankungen wie Mukoviszidose. Für diesen Personenkreis gelten geringere Werte.
Auf den ersten Blick legen nun die Daten der LeTriWa-Studie nahe, dass dieser Wert von mehr als 10 000 KBE/100 ml nicht ausreichend sicher sein könnte. Denn im Rahmen der LeTriWa-Untersuchungen lagen bei lediglich 26 % der Erkrankungen die Legionellenzahlen über dem technischen Maßnahmenwert, bei 72 % jedoch darunter. Aus Sicht des Autors dieses Artikels sollten diese und weitere Daten der Studie mit größter Vorsicht interpretiert werden: Zum einen waren die Fallzahlen recht gering. Zum anderen konnten bei der bundesweiten Auswertung mehr als 50 % der Erkrankungen keinem Expositionsort zugeordnet werden. Hinter diesen 50 % könnte sich demnach nochmals das häusliche Umfeld als Infektionsort verbergen, denn zwischen dem Zeitpunkt der Erkrankung und der „Nachuntersuchung“ des Trinkwassers durch das UBA war grundsätzlich ein längerer Zeitraum vergangen. Daher ist es eher verwunderlich, dass zum Zeitpunkt der Beprobungen durch das UBA überhaupt noch Legionellen nachgewiesen werden konnten. Denn sicherlich änderte sich bereits kurz nach einer Erkrankung das Nutzungsverhalten (Stichwort: bestimmungsgemäßer Betrieb) und es erfolgte eine Sanierung der Trinkwasserinstallation – auch auf Basis der von RKI und UBA zumeist festgestellten Gefährdungsanalysen (jetzt: Risikoabschätzung).
Welche Infektionsquellen wurden gefunden?
Das RKI fasste die bundesweiten Daten zu den Infektionsorten folgendermaßen zusammen (Bild 3):
Wie bereits aufgeführt, könnten sich hinter diesen 51 % noch immer eine große Anzahl an häuslicn Trinkwasserinstallationen verbergen, denn die Ursache der Erkrankung konnte auch außerhalb des häuslichen Umfeldes nicht gefunden werden.
Lokale Befunde nicht repräsentativ für andere Bereiche eines Gebäudes
Wenig überraschend war die Erkenntnis, dass lokale Kontamination in einem Gebäude nicht repräsentativ für die anderen Wohnungen im selben Gebäude sein müssen. Für den Gesundheitsschutz eines jeden Bewohners wäre es also notwendig, alle Entnahmestellen in einem Gebäude zu beproben. Nur so würde man um zu einer sicheren Aussage kommen. Doch eine solche Vorgehensweise wäre sehr teuer. Daher könnte nach Ansicht vieler Sachverständiger und auf Basis der bisherigen Praxiserfahrungen weiterhin wie bisher vorgegangen werden: Wenn beispielsweise in einem Wohnhaus mit 60 Wohnungen fünf bis zehn davon repräsentativ untersucht werden, kann bereits aus einem einzigen überhöhten Befund auf ein generelles Risiko in diesem Gebäude geschlossen werden. So fordert es seit Jahrzehnten auch das Arbeitsblatt DVGW W 551 – der schlechteste Wert ist maßgeblich für alle weiteren Maßnahmen in einem Gebäude. Dies hat sich in der Praxis bewährt!
Besonders pathogene Stämme wichtiger als die Höhe der allgemeinen Legionellenzahlen
Die TrinkwV erfasst mit dem Sammelparameter „Legionella spec.“ mehr als 60 Arten mit mehr als 79 unterschiedliche Serogruppen. Nur ganz wenige davon sind pathogen, also für den Menschen gefährlich. Dazu gehört vor allem Legionella pneumophila, Serogruppe 1. Insofern sagt der Parameter „Legionella spec.“ so wenig über die Gefährlichkeit der gefundenen Legionellen aus, wie der Sammelbegriff „Hunde“. Denn auch bei „Hunden“ weiß man nicht, ob es sich um eine eher gutmütige oder eher aggressive Rasse handelt.
Grundsätzlich empfehlen die Autoren der LeTriWa-Studie, die Ursache einer Erkrankung zu ermitteln und dabei nicht zwischen einer untersuchungspflichtigen oder nicht untersuchungspflichtigen Trinkwasserinstallation zu unterscheiden. Weiterhin sollten dann die „Legionella spec.“ differenziert werden. Ergibt diese Differenzierung eine „Legionella pneumophila, Serogruppe 1“ aus der „Pontiac-Gruppe“ bzw. der Subtyp „Knoxville“ (MAb-Typ, MAb-Subtyp), passten im Rahmen der LeTriWa-Studie diese Befunde selbst dann gut zu einer Erkrankung, wenn zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung keine Überschreitung des technischen Maßnahmenwertes mehr festgestellt werden konnte.
Fazit
Der „…Grad der Legionellenkontamination (mit jeglichen Legionellen) oberhalb des Technischen Maßnahmenwertes…“ – so heißt es im Abschlussbericht der Studie – scheint „…zwar ein guter Indikator für den technischen Zustand der Trinkwasserinstallation zu sein, erlaubte in unserer Untersuchung aber keine gute Vorhersage für das Auftreten von Fällen von AE-LK“ (AE-LK = ambulant erworbene Legionärskrankheit). Weiterhin wird festgestellt: „Dieses Ergebnis unterstützt die… gewonnenen Erkenntnisse, dass es für das Auftreten von AE-LK weniger auf die Höhe der gemessenen Legionellenkontamination ankommt, sondern auf das Vorkommen besonders pathogener Stämme im TW der Fallperson.“
Wenig überraschend ist auch die nachfolgende Feststellung: „Wir konnten in der LeTriWa-Studie zeigen, dass auch in nichtuntersuchungspflichtigen TWI Legionellen vorkommen können und diese eine ursächliche Rolle für den Erwerb der Legionärskrankheit spielen können.“ Gemeint sind in diesem Zusammenhang Kleinanlagen und dezentrale Trinkwassererwärmer. Diese Feststellung ist im Übrigen eine generelle Bestätigung der Untersuchungen von Prof. Hippelein M. [3] und anderen. Auch sie konnten überhöhte Legionellenkonzentrationen in Anlagen mit dezentraler Trinkwassererwärmung ermitteln, in Frischwasserstationen ebenso wie in Durchlauferhitzern. Diese überhöhten Werte waren weitgehend unabhängig von den voreingestellten Warmwassertemperaturen, aber abhängig von den Nutzungsbedingungen, also dem bestimmungsgemäßen Betrieb. Diese Erkenntnis hat eine gewisse Sprengkraft für die Praxis, da sich viele Betreiber gerade bei einer dezentralen Trinkwassererwärmung auf der sicheren Seite wägen. Weiterhin wurde im Rahmen der LeTriWa-Studie festgestellt, dass nicht nur Duscharmaturen, sondern auch genauso auch Waschtischarmaturen und Zahngebisse eine Infektionsquelle sein können.
Autor: Dr. Peter Arens, ö.b.u.v. Sachverständiger für Trinkwasserhygiene
Literatur:
[1] „Legionellen in der häuslichen Trinkwasser-Installation. Einfluss der häuslichen Trinkwasser-Installation auf das Risiko, an Legionärskrankheit zu erkranken.“ Ergebnisse aus der Berliner LeTriWa-Studie und den bundesweiten Meldedaten. Dr. Udo Buchholz, Ann-Sophie Lehfeld, Dr. Bonita Brodhun, Dr. Heiko J. Jahn, Franziska Reber, Marina M. Lewandowsky, Benedikt Schaefer, Dr. Carsten Gollnisch, Prof. Dr. Walter Haas. 1 2022, Nr. 35 Epidemiologisches Bulletin
[2] „Ergebnisse aus der LeTriWa-Studie und andere Aspekte zur Epidemiologie der Legionärskrankheit“ Udo Buchholz, RKI, Berlin. Workshop „Fachdiskussion über Anforderungen der TrinkwV in Bezug auf Legionellen“ 11.01.2024, UBA, Dessau
[3] „Hygienische Bewertung dezentraler Trinkwassererwärmer großer Appartementanlagen hinsichtlich mikrobiologischer Verunreinigungen und einer Legionellenkontamination“, Hippelein M. und Christiansen B., Projektbericht, Dezember 2016
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