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Es fehlt eine anerkannte Regel der Technik



Es fehlt eine anerkannte Regel der Technik
 
 

22. Juni 2021

Trinkwasser-Installationen: Wann schwankt die Temperatur zu sehr?

Schwankt die Trinkwassertemperatur in einem Gebäude zu sehr – etwa unter der Dusche während anderweitiger Wasserentnahme – stellt das mitunter einen Baumangel dar, birgt Verbrühungsrisiken und mindert den Nutzungskomfort. Allgemeingültige normative Vorgaben für Bauherren, Fachplaner und Installateure fehlen bisher. TÜV SÜD sieht Schwankungen von ± 2 K als umsetzbar und hält mehr als ± 21 K für unzulässig.

Strengere Hygieneauflagen
Das Thema hat in den vergangenen Jahren an Relevanz gewonnen, denn einerseits erwarten Nutzer mehr Komfort und andererseits gelten strengere hygienische Anforderungen. Im Herbst 2011 wurde die Trinkwasserverordnung (TrinkwV) novelliert und das Minimierungsgebot aus § 6 präzisiert. In Zuge der Novellierung wurde auch die DIN 1988 für Trinkwasserinstallationen überarbeitet. Teil 300 dieser Norm definiert technische Regeln, um die maximalen Rohrdurchmesser zu ermitteln. Zuvor wurden die Rohre tendenziell etwas größer dimensioniert. Daraus folgen jedoch auch stärkere Temperaturschwankungen. Denn je kleiner der Rohrdurchmesser, desto größer die Fließgeschwindigkeit und entsprechend stärker variiert diese auch bei Druckänderungen.

Was ist umsetzbar?
Die DIN 1988 dürfte unbestritten eine anerkannte Regel der Technik sein und sie enthält allgemeine technische Regeln für die Trinkwasserinstallation in Gebäuden. Aus ihr gehen aber keine Grenzwerte hinsichtlich Temperaturschwankungen hervor; weder aus Teil 300 (Ermittlung der Rohrdurchmesser), noch aus Teil 200 (Installation geschlossener Systeme). Auch fehlen konkrete Temperaturangaben zum Verbrühungsschutz. Gemäß 1988-200 müssen Sanitärarmaturen bzw. thermostatische Mischbatterien (Thermostatmischer) aber der DIN EN 1111 entsprechen. Diese Norm legt Prüfanforderungen an die Temperaturbeständigkeit fest. Je nach Prüfszenario sind im Sekundenbereich Toleranzen zwischen ± 1 K und ± 3 K normenkonform.

Einzig in der VDI-Richtlinie 6003 sind Komfortkriterien und Anforderungsstufen festgelegt. Sie geben Auskunft darüber, wie sehr die Temperatur während der Nutzung maximal schwanken darf. Von der niedrigsten bis zur höchsten Komfortstufe sind Abweichungen von ± 5 K bis ± 2 K angeführt. Gemäß VDI 6003 sind die Zahlenwerte als Richtgröße anzusehen. Die VDI-Richtline 6003 ist aber im juristischen Sinne keine anerkannte Regel der Technik und muss zwischen den Parteien vereinbart werden. Erfahrungsgemäß erfolgt das aber nur äußerst selten.

Unter Berücksichtigung der Toleranzen für Thermostatmischer aus der DIN EN 1111 und der strengsten Anforderungsstufe der VDI-Richtlinie 6003 liegt die niedrigste mögliche praktische Temperaturschwankung bei ca. ± 2 bis 3 K (6 K in Summe). In der Praxis bedeutet das fürs Duschen bei 38 °C, dass die Temperatur innerhalb von Sekunden von 35 bis 41 °C schwanken kann, was einer überdurchschnittlichen Anlagentechnik entspricht.

Daher ist nach Auffassung von TÜV SÜD ein aktuelles Gerichtsurteil des Oberlandesgerichts Hamburg1) kritisch zu hinterfragen. Demzufolge wäre nur eine Temperaturschwankung von maximal 1 K hinnehmbar. Das ist nicht üblich und praxisfern, folglich auch nicht geschuldet – sofern nicht vertraglich separat vereinbart. Das begründet sich zum einen auf die maximal erlaubten Toleranzen bei Thermostatmischern mit entsprechender Normung (DIN 1988-200, DIN EN 1111) und auf Basis der VDI 6003. Thermostatmischer haben eine kurzzeitige Toleranz von › 1 K und die „schärfste“ Stufe die gemäß VDI 6003 zu vereinbaren ist beträgt ± 2 K. Weitere Gerichtsurteile zu Temperaturschwankungen existieren nach Kenntnis von TÜV SÜD derzeit nicht.

Was ist vertretbar?
Aus medizinischen Gründen sollte beim Duschen oder Baden die Körpertemperatur nicht überschritten werden. Thermostatische Mischer verfügen daher über eine Begrenzung bei 38 °C, um vor zu heißen Temperaturen zu schützen. Die Tiefe und der Grad einer Verbrühung hängen davon ab, wie lange das heiße Wasser einwirkt. Gemäß der DIN EN 806-2 (Planung von Trinkwasserinstallationen) sollte die Wassertemperatur 43 °C nicht überschreiten, um Verbrühungen zu vermeiden.

Verbrennungen ersten Grades entsprechen etwa einem leichten Sonnenbrand. Gemäß einschlägigen rechtsmedizinischen Lehrbüchern sind im Sekundenbereich ca. 61 °C (zwei Sekunden) bis 58 °C (vier Sekunden) schon kritisch, während die Temperaturen mit unter 51 °C im Minutenbereich bzw. unter 46 °C im Stundenbereich deutlich darunter liegen. Die Haut von Kindern ist nochmal empfindlicher, weshalb sie nicht unbeaufsichtigt duschen oder baden sollten.

Mit Blick auf die Verbrühungsschwelle von 58 °C im Sekundenbereich (unter 4 Sek.) darf die Duschtemperatur von 38 °C kurzzeitig höchstens um 20 K schwanken. Wenn diese z. B. bei nur 36 °C liegt, ergibt sich mehr Puffer nach oben. Kurzzeitig liegen dann bis zu 22 K im unkritischen Bereich. Aufgrund der Tatsache, dass beim Händewaschen schneller auf Schwankungen reagiert werden kann als beim Duschen und der nur teilweisen Benetzung sowie nicht so temperatursensiblen Haut, sind dort sogar bis zu 23 K zulässig, bevor es zu Verbrennungen ers ten Grades kommt. Hierbei könnte bereits die Grenze zur „Körperverletzung“ erreicht sein. Mit einem zusätzlichen Sicherheitspuffer von 2 K bewegt sich die maximale Schwankungsbreite zwischen +18 (Duschen) bis + 21 K (Händewaschen).

Es bleibt somit – sofern nicht eine technische Regel dies künftig allgemeingültig definiert oder ein Vertrag dies individuell eindeutig regelt – eine rein juristische Fragestellung übrig: Bestehen aus höheren Ansprüchen aus der Nutzung Anforderungen an Temperaturschwankungen? Es ist z. B. auch beim Schallschutz richterlich geklärt worden, dass die DIN 4109-1 in weiten Teilen gerade nicht den Regeln der Technik und somit den Grundanforderungen an Komfort entspricht, sondern nur den untersten Gesundheitsschutz darstellt.

Fazit
Bislang regelt keine anerkannte Regel der Technik eindeutig die Vorgaben an die Temperaturbeständigkeit. TÜV SÜD sieht ± 2 zwar als umsetzbar bzw. Schwankungen über 21 K als unzulässig, aber Temperaturschwankungen werden je nach Komfortanspruch individuell bewertet. Im Bedarfsfall empfehlen sich thermos tatisch gesteuerte Armaturen. Ein selbstregelnder Thermostateinsatz mischt das Wasser hydraulisch und gleicht Druckschwankungen aus. Dadurch lassen sich konstantere Temperaturen erzielen. Der Schwankungsbereich liegt in der Praxis meist bei ± 2 K. Sie eignen sich vor allem in der Dusche, weil dort temperaturempfindliche Hautbereiche großflächig mit fließendem Wasser in Berührung kommen.

Demnach gibt es zwei Ansätze: Zu warten, bis ein solches Thema eindeutig und unumstritten richterlich entschieden wird, oder – und dies ist nach TÜV SÜD zu bevorzugen – dass sich alle Baubeteiligten u. a. mit ihren Fachverbänden selbst unter Einbezug anderer Fachdisziplinen (z. B. Mediziner), auf Basis von wissenschaftlichen Untersuchungen, einigen. Das kann auch eine Überprüfung der aktuellen Berechnungsvorschriften bedeuten. Bis dahin sollten die Bauschaffenden mit ihren Kunden dies vor Projektbeginn vertraglich fixieren.

Autor: Dr.-Ing. Markus Weißenberger, Experte Gebäudetechnik und Gutachter Bautechnik bei TÜV SÜD Industrie Service

Bilder: TÜV SÜD

Wie lange darf es dauern, bis das Wasser warm ist?
Das definiert Teil 200 der DIN 1988: Auf 55 °C muss sich das Warm wasser nach 30 Sekunden einstellen. Das ging auch aus den Gerichtsurteilen des Landgerichts Berlin (2001)2) und des Amtsgerichts Berlin-Schöneberg (1996)3) hervor. Das Amtsgericht Berlin-Mitte4) ergänzte die normativen Werte zudem um eine weitere Angabe: Nach 15 Sekunden müssen 40 °C erreicht sein.

Ihre Meinung ist gefragt!

Welche Relevanz hat das Thema „schwankende Wassertemperaturen“ in Ihrem Kundenkreis? Gab es bereits Streitigkeiten darüber? Und falls ja, wie haben Sie das Problem gelöst?

Schreiben Sie uns unter redaktion@strobelmediagroup.de

1) Gerichtsurteil OLG Hamburg,
Urteil vom 16. 07. 2020 – 8 U 61/19

2) Gerichtsurteil LG Berlin,
Urteil vom 28.08.2001 – 64 S 108/01

3) Gerichtsurteil AG Berlin-Schöneberg,
Urteil vom 29.04.1996 – 102 C 55/94

4) Gerichtsurteil AG Berlin-Mitte,
Urteil vom 25.04.2018 – 7 C 82/17





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