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StartseiteWissenNewsPlanung und Bau kollaborativ erstellen
6. Februar 2020
Projekte erfolgreicher umsetzen durch gewerke- und bauintegrierte Arbeitsabläufe
Termingerechte Fertigstellung, Kosteneinhaltung und hohe Ausführungsqualität – die Abläufe auf dem Bau lassen sich durch eine bestimmte Form der Zusammenarbeit optimieren: „Kollaborative Planung“ lautet hier der Ansatz. Der Wandel von der segmentierten zur integrierten Arbeitsweise kann die Produktivität in der Branche entscheidend erhöhen. Neben Building Information Modeling (BIM) ist dafür ein entsprechendes Projektmanagement erforderlich, das z. B. durch einen BIM-Koordinator/-Manager gesteuert wird.
Weltweit liegen fast 100 % aller Milliarden-Dollar-Bauprojekte mindestens 30 % hinter dem Zeitplan zurück und weichen deutlich von den ursprünglich kalkulierten Kosten ab1). Eine Studie2) von über 100 deutschen Großbauprojekten ergab, dass die untersuchten Objekte die ursprünglich veranschlagten Kosten im Schnitt um rund 70 % überschreiten. Die Negativbeispiele sind ebenso vielfältig wie die Ursachen der Probleme. So z. B. bei der Elbphilharmonie in Hamburg: Hier fehlte zum Baubeginn ein exakter Terminplan mit klar definierten Bausolls. Verzögerte Baugenehmigungen und eine neue Tunnelbauweise treiben die Kosten von Stuttgart 21 in die Höhe und der Flughafen „BER“ in Berlin stand lange wegen Bau- und Sicherheitsmängeln still3).
Mangelhafte Kooperationen und Planungen
Zahlreiche
Projektbeteiligte, unterschiedliche Interessenlagen, hohe fachliche
Diversifizierung und Spezifizierung, sowie steigende Anforderungen
erhöhen die Komplexitäten bei Bauvorhaben immer weiter. Eine mangelhafte
Kooperation der Beteiligten und Schnittstellenprobleme wirken sich
sofort negativ auf den Gesamtprozess aus. Häufig kommt es dadurch zu
Bauverzögerungen, Qualitätsproblemen und Kostensteigerungen.
Für die
überwiegende Mehrzahl dieser Probleme ist aber vor allem eine Ursache
verantwortlich: Mangelhafte Planung. Die Verantwortlichen verzichten aus
Zeit- und Kostengründen zu häufig auf Detailplanungen und umfangreiche
Risikoanalysen vor der definitiven Beschlussfassung. Bei größeren
Bauwerken spielen dabei auch taktische Erwägungen eine wichtige Rolle,
denn realistische Kostenschätzungen können Projektbewilligungen
potenziell gefährden. Mangelhafte Planung zeigt sich auch bei dem immer
noch weitverbreiteten Top-Down-Prozess, der nicht alle
Projektbeteiligten ausreichend berücksichtigt. Das vielfältige Wissen,
Know-how und die Ideen der Mitarbeiter lassen sich auf diese Weise nicht
ausreichend integrieren.
Kollaborative Zusammenarbeit
Kollaborative
Planung kann dazu beitragen, Baumängel deutlich zu reduzieren und ihnen
frühzeitig entgegenzuwirken, indem alle Beteiligten intensiver
eingebunden werden. Dieser moderne Ansatz sorgt für eine optimale
Abstimmung, sodass alle Planenden wissen, welche Person warum welche
Entscheidungen trifft und woran die einzelnen Mitglieder des Teams
gerade arbeiten. Diese enge Zusammenarbeit fördert unmittelbares
Feedback und den schnellen Austausch von Ideen. Eine Analyse von
Forrester Research4) zur kollaborativen Planung zeigte, dass
diese Methode die Lücke zwischen der formalen Planung der Projektmanager
und den Aktivitäten der Projektmitarbeiter schließen kann.
Mitarbeiter
die kollaborativ arbeiten, übernehmen mehr Verantwortung, arbeiten
engagierter und erzielen deutlich bessere Ergebnisse. Beschäftigte
bevorzugen effiziente und einfach anwendbare Methoden, mit denen sie den
Überblick über ihre Tätigkeiten behalten und produktiv mit anderen
Teammitgliedern zusammenarbeiten können. Vor allem die junge Generation Y
wünscht sich eine zunehmend kollaborative Zusammenarbeit und immer mehr
Unternehmen führen entsprechende Arbeitsinstrumente ein5).
Die
Leitplanken der kollaborativen Planung sind konkrete und messbare
Projektziele. Diese Ziele sollten während der gesamten Projektlaufzeit
konsequent verfolgt und regelmäßig neu bewertet werden. Meilensteine,
Deadlines, voraussichtliche Fertigstellungstermine und erwartbare Kosten
erhöhen nicht nur die Planungssicherheit, sondern geben dem Projektteam
eine eindeutige Richtung vor. Da die Baubranche voller Variablen und
Unwägbarkeiten ist, sollten von Anfang an ausreichend Pufferzeiten
kalkuliert und Notfallpläne für mögliche Krisenszenarien entwickelt
werden. Etwa wenn Zulieferer ausfallen oder schwerwiegende
Konstruktionsprobleme auftreten. In diesen Fällen sollten
Problemlösungen parat stehen, mit denen sich die Projektziele trotzdem
erreichen lassen.
Funktionierende Projektteams
Die Grundlage für
erfolgreiche kollaborative Planung liegt in den Fähigkeiten und
Fertigkeiten der Projektteams. Dazu spielen BIM-fähige Technologien eine
wichtige Rolle. Kollaborationssoftwares wie „Autodesk Revit“ und
„Revizto“ unterstützen die Teammitglieder dabei, durch den Einsatz von
3D-Modellen möglichst produktiv zusammenzuarbeiten. Cloud-basiert ist
dieses Modell jederzeit und überall verfügbar, schützt vor
Wissensverlust und optimiert die Bauplanung und -ausführung. Zur
erfolgreichen Gesamtsteuerung ist zudem immer mehr Management- und
Expertenwissen aus verschiedenen Bereichen erforderlich. Für diese
Aufgaben werden in der Regel BIM-Koordinatoren in den jeweiligen
Gewerken und BIM-Manager zur Steuerung und Überwachung des
Gesamtprozesses (gewerkeübergreifend) eingesetzt. Die Planungs- und
Baubeteiligten sollten deshalb regelmäßig an Fortbildungen teilnehmen,
um die neuesten Methoden und Technologien in der Branche nutzen zu
können.
Beispiel: Kollaborative Kollisionskontrolle
Bei
der arbeitsteiligen Projektplanung zwischen den verschiedenen Gewerken
sind Kollisionspunkte im 3D-Modell kaum vermeidbar. Die kollaborative
Planung durch die BIM-Methode ermöglicht jedoch ein frühzeitiges
Erkennen der Kollisionen. Potenzielle Planungsfehler können somit weit
vor Baubeginn bereinigt werden, das Risiko nachträglicher Korrekturen
und damit einhergehenden Budget-
überschreitungen sinkt erheblich.
Veranschaulichen lässt sich der Ablauf einer solchen Kollisionsprüfung
im Sinne einer kollaborativen Zusammenarbeit anhand der Vorgehensweise
von Virtual Design and Construction (VDC), der Abteilung für digitale
Konstruktionen von Victaulic. Die Mitglieder entwickeln gemeinsam mit
dem Auftraggeber ein einfaches Referenzmodell des Projekts, etwa eines
Pumpenraums, in „Autodesk Revit“. Die Datengrundlage liefert u. a. der
Scan des Raumes durch einen BIM-konformen 3D-Laser. Innerhalb dieses
Modells arbeiten alle Fachplanungsdisziplinen, wie der Rohrbau,
Trockenbau und die Elektroinstallation, die jeweiligen Modelle ihrer
Bereiche ein. Nach Fertigstellung der Teilmodelle verknüpft der
BIM-Koordinator/-Manager diese zu einem Gesamtmodell, sodass
anschließend die Kollisionsprüfungen durchgeführt werden können.
BIM-Softwarelösungen
bieten dazu Anwendungen zur Kollisionsanalyse, die Schnittpunkte in
einem Satz ausgewählter Elemente oder in allen Elementen des 3D-Modells
suchen. Hierbei können „Hard Clashes“ vermieden werden, etwa die
Kollision einer Rohrleitung mit einem Lüftungskanal. Bei ausreichender
Datenqualität erkennt die Anwendung auch „Soft Clashes“, wie
Mindestabstände aus Brandschutzgründen. Die Software zeigt diese
unerwünschten Überschneidungen in einem Bericht an, worauf die jeweils
zuständigen Personen der Fachbereiche im kollaborativen Team eine
Benachrichtigung erhalten. Massen-E-Mails an alle Beteiligten gibt es
dabei nicht mehr. An den Kollisionen arbeiten dann nur noch
„maßgeschneiderte“ Teams gleichzeitig am virtuellen Modell.
Fazit
Für Stuttgart 21, den BER und die
Elbphilharmonie kommen diese Anregungen zu spät. Im Hinblick auf
zukünftige Bauprojekte bieten kollaborative Planung und BIM-Software
allerdings große Chancen. Architekten, Fachplaner, Ingenieure und
Bauunternehmer, die sich auf die neuen Arbeitsweisen einstellen, werden
in Zukunft effizienter und produktiver arbeiten können.
Autorin: Amanda Comunale, Director of Virtual Design and Construction bei Victaulic
Nachgefragt: Ausbildung zum BIM-Koordinator und BIM-Manager
In
Deutschland bieten einige Institutionen und Einrichtungen Aus- bzw.
Weiterbildungsmöglichkeiten zum BIM-Koordinator und/oder BIM-Manager an.
Wir haben bei TÜV SÜD nachgefragt, wie sich die beiden Tätigkeitsbilder
unterscheiden, wie lange eine Aus- bzw. Weiterbildung dauert und welche
Vorkenntnisse i.d.R. notwendig sind. Wir sprachen dazu mit Elisabeth
Aberger, BIM Senior Consultant bei TÜV SÜD- Advimo.
IKZ-FACHPLANER:
Zur Führung einer kollaborativen Planung bedarf es in der Regel eines
BIM-Managers bzw. BIM-Koordinators. Worin unterscheiden sich die
Tätigkeiten eines BIM-Managers und eines -Koordinators?
Elisabeth Aberger:
Statt von strikten Rollenbezeichnungen spreche ich lieber von den
Aufgaben an sich, also BIM-Management und BIM-Koordination, da diese je
nach Projektgröße auch von unterschiedlichen Beteiligten erfüllt werden
können. Wichtig ist zu verstehen, worin der Unterschied zwischen diesen
Aufgaben besteht, und auch, dass diese Aufgaben im Zuge eines
BIM-Projekts erfüllt werden müssen.
Wenn wir von BIM-Koordination
sprechen, dann ist Folgendes damit gemeint: Bei Bauprojekten sehen wir
einen stetigen Anstieg der Datenmengen, und die Verarbeitung der
gesammelten Informationen wird zunehmend schwieriger. Um
Informationsverluste im Projektverlauf zu reduzieren, wird deshalb
vermehrt auf ein zentrales Datenmodell gesetzt, d.h., die
BIM-Arbeitsmethode. Aufgabe der BIM-Koordination ist es, diese mit
alphanumerischen Informationen angereicherten 3D-Modelle innerhalb des
eigenen Fachgewerks mit den anderen Planungsbeteiligten zu koordinieren.
IKZ-FACHPLANER: Und wo liegt der Unterschied zum BIM-Management?
Elisabeth Aberger:
Die Fachmodelle, wie das von der Architektur und der Haustechnik,
werden im nächsten Schritt zu einem Gesamtkoordinationsmodell
zusammengefügt und untereinander abgestimmt. Eine wichtige
Voraussetzung hierbei ist die Definition der Anforderungen auf
Bauherrenseite. Hier sprechen wir dann von BIM-Management, denn es
vertritt genau diese Interessen des Bauherrn, definiert die Prozesse und
Anforderungen und hält sie im Lastenheft, den sogenannten
Auftraggeber-Informationsanforderungen (AIA), als Ergänzung zum Vertrag
fest. Zudem wird mit der Vorlage des BIM-Abwicklungsplans (BAP) die
Grundlage für die Zusammenarbeit entwickelt und zur projektspezifischen
Befüllung den Zuständigen für BIM-Koordination zur Verfügung gestellt.
Im weiteren Projektverlauf werden Modell-Audits durchgeführt, um die
Erfüllung der, in der AIA definierten Anforderungen zu überprüfen.
IKZ-FACHPLANER: Wie lange dauert eine Aus- bzw. Weiterbildung in diesen Tätigkeitsfeldern?
Elisabeth Aberger:
In Deutschland gibt es keine festgelegten Ausbildungszeiten für die
Fortbildung im Bereich BIM-Management oder BIM-Koordination. Es gibt
jedoch die VDI/BS-MT-Richtlinie 2552 Blatt 8.1 „Building Information
Modeling – Qualifikationen – Basiskenntnisse“, welche die benötigten
Qualifikationen bzw. Basiskenntnisse beschreibt und auf die man sich
auch zertifizieren lassen kann. Weiterbildungsangebote reichen hier von
einigen Tagen bis hin zu mehreren Wochen.
IKZ-FACHPLANER: Welche Kenntnisse sind für die Weiterbildungen notwendig?
Elisabeth Aberger:
Der Besuch eines BIM-Basisseminars sowie gezielte Software-Schulungen
und die praktische Mitarbeit an zumindest einem BIM-Projekt sind
unabdingbare Voraussetzungen für weitere Fortbildungen in Richtung
BIM-Koordination und BIM-Management.
IKZ-FACHPLANER: Die TÜV SÜD-Gruppe bildet selbst in diesen Bereichen aus. An welchen Standorten wird dies in Deutschland durchgeführt?
Elisabeth Aberger:
Aktuell bietet die TÜV SÜD-Akademie eine zweitägige Schulung zum
„BIM-Basis Anwender“ in München, Köln, Hamburg, Filderstadt, Dresden,
Frankfurt und Berlin an. In Zusammenarbeit mit den BIM-Experten von TÜV
SÜD-Advimo soll das Schulungsportfolio ab 2020 deutlich ausgeweitet
werden, sodass es die Möglichkeit zu fachspezifischen Trainings in den
Aufgabenbereichen Koordinieren, Managen und Recht geben wird. Weitere
Informationen gibt es auch im Internet unter: www.tuvsud.com/akademie/bim.
1) http://bit.ly/Artikel-McKinsey
2) http://bit.ly/Studie_Hertie_School
3) http://bit.ly/Allplan
4) http://bit.ly/Analyse_Forrester
5) http://bit.ly/Arbeitsinstrumente
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