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StartseiteThemenBetriebsführungVerärgerung über Bürokratielast und nicht marktreife Produkte
28. Dezember 2018
Zwischenbilanz bei „IKZ vor Ort“: Handwerksbetriebe lassen sich einiges einfallen, um Auszubildende zu finden und Fachhandwerker zu binden
Wie tickt das Handwerk heute? Was läuft gut und wo drückt der Schuh? Welche Rolle nimmt die Digitalisierung ein? Um Antworten zu sammeln, ist die IKZ-Redaktion bundesweit unterwegs. In der Serie „IKZ vor Ort“ sprechen die Geschäftsführer unterschiedlich großer Handwerksbetriebe Klartext. Eine Zwischenbilanz:
Digitalisierung
Wer glaubt, die Digitalisierung
habe das Handwerk noch nicht erreicht, der täuscht sich. Natürlich hat
nicht jeder Betrieb digitale Prozesse so in den Arbeitsalltag
integriert, wie das bei Gebro Herwig Haustechnik in Arnsberg (NRW) der
Fall ist – jenem Unternehmen, das wir vor einem halben Jahr besucht
haben und das den Auftakt unserer Serie bildete. Hier wird die
Umstellung von analogen auf digitale Verfahren bereits seit 2015
forciert, wogegen sie andernorts noch in den Kinderschuhen steckt. Das
Thema ist allgegenwärtig – egal, ob der Wandel gerade erst angestoßen
wird oder schon im Gange ist.
Generell scheinen Unsicherheit und
Respekt vor dem mächtigen Wort „Digitalisierung“ groß zu sein. Wie
anders ist es zu erklären, dass uns Firmenchefs zumeist erzählen, sie
hinken digital hinterher? Dann aber stellt sich im Gespräch heraus, dass
die hausinterne Software umgestellt worden ist, dass die
Kundendienstmonteure Notebooks, Tablets oder Smartphones besitzen, ihre
Aufträge digital erhalten oder ihre Arbeitszeiterfassung über mobile
Endgeräte regeln. Uns wird erzählt, dass der Endkunde von den neuen
Technologien profitiere, weil Störungsmeldungen von Heizungsanlagen
digital ausgelesen werden. Techniker im Innendienst könnten sich auf
Anlagen aufschalten und würden so automatisch über Systemfehler
benachrichtigt. Die Palette an Beispielen lässt sich beliebig erweitern –
auch im Badbereich, wo die dreidimensionale Planung eher Regel- als
Einzelfall ist.
Fazit: Weil die Möglichkeiten
der Digitalisierung unbegrenzt zu sein scheinen, verkauft sich manch ein
Unternehmen bei diesem Thema unter Wert. „Digitalisierung ja, wo sie
bei uns Sinn macht“, ist ein oft gehörter Satz in der SHK-Branche. Aus
gutem Grund:
Mitarbeiterbindung
Denn werden Produkte immer
digitaler, wird von den Fachhandwerkern immer mehr Know-how erwartet.
„Flaschenhals der digitalen Medien bleibt aber der Monteur auf der
Baustelle“, hat uns Geschäftsführer Andreas Cloer (Gebro Herwig) gesagt.
Der Monteur muss Projektmanagement betreiben, Daten und Informationen
verarbeiten, die Digitalisierung beherrschen und sie akzeptieren. Und
das, obwohl ohnehin schon ein schwerer Job – physisch wie psychisch – zu
leisten ist. Die Monteure nicht zu überfordern, dafür spricht sich auch
Inken Zimmermann aus, Geschäftsführerin eines SHK-Betriebs in
Unna-Königsborn (NRW): „Auf der einen Seite haben wir einen
Fachkräftemangel, auf der anderen Seite sollen Techniker auch immer mehr
kaufmännische Arbeit erledigen? Das passt nicht zusammen.“ Was also
tun?
Fachhandwerker nicht nur fordern, sondern sie fördern, z. B. mit
internen und externen Weiterbildungsmaßnahmen, schlägt Inken Zimmermann
vor. Und: Ein gutes Betriebsklima sei maßgebend, um Mitarbeiter
langfristig zu binden. Um Angestellte bei der Stange zu halten, lassen
sich SHK-Unternehmen längst mehr einfallen als Grillabende oder
Weihnachtsfeiern. Sie führen Teambildungsmaßnahmen durch, ermöglichen
Vorteile zur Absicherung der Gesundheitsfürsorge, finanzieren interne
wie externe Fortbildungen oder organisieren Werksbesichtigungen. Bei
Klein Bäder und Wärme in Hemer (NRW) sind die Mitarbeiter zum
Firmenjubiläum für ein Wochenende auf die spanische Ferieninsel Mallorca
eingeladen worden. Und der Betrieb Weishäupl in Bayern, über den wir in
einer der nächsten IKZ-Ausgaben berichten werden, organisiert eine
ganze Eventpalette für die Angestellten – darunter Paintball- und Go
Kart-Nachmittage.
Die Henrich Schröder GmbH in Isselhorst will ihre
Mitarbeiter am Gewinn beteiligen. Das Unternehmen aus Ostwestfalen hat
eine Tochterfirma gegründet, in der das Betriebskapital in Form von
Maschinen, Werkzeugen, Arbeitskleidung oder dem Fuhrpark angelegt und an
die Firma Henrich Schröder vermietet wird. Vorteil? „Je
wirtschaftlicher mit den Maschinen gearbeitet wird und umso mehr Umsatz
die Firma Schröder macht, desto höher kann der Gewinn ausfallen. Kurz
gesagt: Jeder Mitarbeiter kann den Gewinn selbst mit beeinflussen und
wird am Erfolg beteiligt“, berichtet Geschäftsführer Thorsten Schröder.
Fazit:
Damit sich die Mitarbeiter wohl fühlen, sind verlässliche Arbeitszeiten
und ein gesundes Betriebsklima gefragt. Auch mit Blick auf den:
Fachkräftemangel
Weil die schraubenden Hände
fehlen, sind SHK-Betriebe teilweise im Umsatz begrenzt. „Wir könnten mit
weiteren Fachkräften und dem vorhandenen Innendienst gut und gerne 10 %
mehr Umsatz machen“, sagt Andreas Cloer. Auf den Mangel an Monteuren,
z. T. auch an Auszubildenden, will Gebro Herwig reagieren und zukünftig
möglicherweise – nach dem Schulnotensystem – Viererkandidaten
einstellen. Cloer: „Zur Mitarbeiterbindung werden wir neue Wege finden
müssen – vielleicht den Lohn auf Dauer anpassen.“ Mehr Geld im
Portemonnaie des Monteurs, um Mitarbeiter auf Dauer zu halten – diesen
Ansatz verfolgt bereits der SHK-Betrieb Leifhelm & Pelkmann in
Beckum (NRW), der die Monteure nach eigener Aussage übertariflich
bezahlt. „Eine hohe Lohnstruktur ist wichtig, um Facharbeiter halten und
gewinnen zu können“, meinen die Geschäftsführer Tobias Leifhelm und
Veit Pelkmann. Generell müssten sich zukünftig Verrechnungssätze und
Stundenlöhne im Handwerk erhöhen, um überhaupt noch gut ausgebildete
Fachkräfte zu finden.
Nicht nur Fachkräfte sind rar, sondern auch
Auszubildende. Im Wettbewerb um kluge Köpfe lassen sich die Betriebe
einiges einfallen: angefangen von einer veränderten Marketingstrategie
mit Investitionen in die Internetseite, in soziale Medien und für Videos
auf YouTube über SHK-Azubis, die im Radio ihren Arbeitsalltag
schildern, bis hin zur Teilnahme an Nachwuchskampagnen wie „Zeit zu
starten“ unter Federführung des ZVSHK mit dem Ziel, Schüler/-innen mit
Informationsmaterialien für eine Berufswahl im Handwerk zu begeistern.
In Bayern hat man gute Erfahrungen mit speziell geschulten
Lehramtsanwärtern gemacht, die Mittel- und Realschulen besuchen und den
Jugendlichen der 8. Klassen detailliert den Beruf des Anlagenmechanikers
erläutern. Eine Initiative, die Früchte trägt: Mehr als 2500
Jugendliche seien so im Vorjahr erreicht worden. „Und allein in der
Innung Schwandorf konnten 30 % mehr Auszubildende gegenüber dem Vorjahr
eingestellt werden“, berichtet Arnold Pöppl, der Vorstandsmitglied im
Fachverband SHK Bayern ist.
Fazit: Darauf zu
warten, dass sich ein junger Mensch um eine Ausbildung als
Anlagenmechaniker bewirbt, ist meist vergebens. Wer die Jugend dagegen
„abholt“ und mit pfiffigen Ideen für das Handwerk interessieren kann,
findet eher gute Auszubildende.
Herausforderungen
Über mangelnde Beschäftigung
kann sich das Handwerk aktuell nicht beklagen. Um im digitalen Zeitalter
wettbewerbsfähig zu bleiben, wünschen sich Betriebe keine Datenbrüche
mehr – also Informationen, die binnen eines Verarbeitungsprozesses
manuell erfasst werden müssen. Die meisten Heizkessel sind onlinefähig
und über Apps zugänglich. Man könne die Daten aber nicht in der
betriebseigenen Software verarbeiten, weil die Hersteller das nicht
zuließen. Datendurchgängigkeit sei aber dringend nötig. Sonst bestehe
die Gefahr, dass Branchenfremde, die nicht über das benötigte
handwerkliche Fachwissen verfügen, Prozesse allein über die
Informationstechnik aufrollen und steuern.
Ein Satz fällt besonders
oft in SHK-Betrieben: Die Industrie möge nur ausgereifte Technik auf den
Markt bringen. Hersteller würden zwar in kurzen Zyklen neue Produkte
und Serien publik machen, die aber oftmals noch nicht marktreif seien.
Arnold Pöppl: „Es sollten Heizungssysteme hergestellt werden, die unsere
Monteure auch im Hinblick auf die umfassende Elektronik und die
Vielzahl der eingesetzten Komponenten noch beherrschen und reparieren
können.“
Bürokratie
Ein weiteres Ärgernis ist die
Bürokratielast. „Der Umfang an Dokumentationen von Bauprojekten hat in
den vergangenen Jahren deutlich zugenommen“, beklagen Tobias Leifhelm
und Veit Pelkmann. Die Dokumentationspflicht binde zu viele Kapazitäten
im Büro. Das bestätigt auch Alfons Grunden vom Unternehmen Bad &
Konzept in Rhede (NRW): „Wir könnten einen Mitarbeiter beschäftigen, der
sich ausschließlich um Auflagen, Vorschriften und Regelungen kümmert.“
Er schlägt Alarm: „Wir verwalten uns zu Tode.“ Beispiel: Der Betrieb
habe mit einem Flüchtling einen Lehrvertrag geschlossen, im Zuge dessen
allerdings mit drei Arbeitsämtern zu tun. Die hohe Bürokratielast
sprengt sinnvolle Grenzen, meint auch Unternehmerin Cornelia Klein aus
Hemer: „Der mit ihr einhergehende Zeitaufwand überschreitet jedes
vernünftige Maß.“ Bürokratie sei kein Job eines SHK-Betriebs. „Wir sind
da, um Kunden zufriedenzustellen, um Arbeitsplätze zu erhalten und zu
schaffen. Und natürlich, um als Unternehmen Geld zu verdienen.“
Fazit
SHK-Betriebe benötigen technisch
ausgereifte Produkte der Industrie. Bürokratische Hürden bremsen
unternehmerisches Handeln aus. Eine Entwicklung, die durchaus die
Existenz kleinerer Betriebe bedroht.
www.ikz.de
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