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StartseiteWissenReportagen„Benötigen noch schnelleres Internet“
Digitale Prozesse sind bei Gebro Herwig in Arnsberg längst im Arbeitsalltag integriert
Über mangelnde Beschäftigung kann sich das Handwerk aktuell nicht beklagen. Aber täuschen volle Auftragsbücher und eine brummende Konjunktur über so manche Probleme hinweg? Was läuft gut und wo drückt der Schuh? Die IKZ-Redaktion hat Handwerksbetriebe besucht und sie befragt. Im ersten Teil der Serie gibt die Gebro Herwig Haustechnik GmbH in Arnsberg (Sauerland) einen Einblick in ihr aktuelles Tagesgeschäft.
Hier beginnt die Digitalisierung an der Eingangstür. Schlüssel sind beim SHK-Anbieter in der Regierungsstadt ein Relikt der Vergangenheit, denn ein Magnetchip gewährt Einlass.
Andreas Cloer gibt im Gespräch mit der IKZ einen Einblick in die Geschichte des Unternehmens (siehe Informationskasten) mit aktuell 115 eigenen Mitarbeitern, dann redet der Geschäftsführende Gesellschafter Klartext – was im Unternehmen gut funktioniert und was noch besser werden kann.
Das Potenzial, das die Digitalisierung auch Handwerksbetrieben bietet, wurde bei Gebro Herwig früh erkannt. Seit 2015 wird die Umstellung von analogen auf digitale Verfahren forciert. Die hausinterne Software ist umgestellt worden, sie ist nun prozess- und nicht mehr menüorientiert und verfügt über alle relevanten Schnittstellen für optimierte Kommunikation und Datenübernahme von Herstellern, Lieferanten und Kunden. Alle Kundendienstmonteure erhalten ihre Aufträge bereits digital – sie besitzen laut Cloer Notebooks, Tablets oder Smartphones und regeln u. a. ihre Arbeitszeiterfassung über mobile Endgeräte. Auch der Endkunde profitiert von den neuen Technologien. So könnten beispielsweise Störungsmeldungen von Heizungsanlagen digital ausgelesen und direkt inklusive benötigter Ersatzteile in einen Serviceauftrag gewandelt werden. Dies verkürze die Bearbeitungszeit und schaffe Transparenz. Zudem können sich die Techniker im Innendienst auf Anlagen aufschalten und werden automatisch über Systemfehler beim Endkunden, z. B. schlechte Abgaswerte, informiert. So kann eingegriffen werden, sobald Handlungsbedarf besteht, und zwar bevor eine Störung am Gerät auftritt. „Vorbeugende Wartung und digitale Fernwartung werden in Zukunft einen immer höheren Stellenwert einnehmen“, sagt Cloer.
Medienbruch in der Kritik
Die digitalen Helfer beschleunigen Prozesse, aber noch nicht in dem Umfang, wie ihn sich das Unternehmen mit Sitz in Arnsberg wünscht. Es gebe immer noch einen Medienbruch – also Informationen, die binnen eines Verarbeitungsprozesses manuell erfasst werden müssen. „Ein spannendes Feld“, findet Cloer. Die meisten Heizkessel, die Gebro Herwig verkauft, seien onlinefähig und über Apps zugänglich. „Aber wir können die Daten nicht in unserer Software verarbeiten, weil die Hersteller das nicht zulassen“, sagt Cloer. Und das, obwohl das Programm bereits seit 2017 am Markt sei und obwohl die App-basierten Daten längst in die kaufmännische und technische Struktur übernommen und transportiert werden müssten. Daher ist der Wunsch nach Datendurchgängigkeit groß. Die Umsetzung aber sei ohne Unterstützung der Industrie nicht möglich.
Wann der offene Datenpool kommt, mag Cloer nicht vorhersagen. Aus seiner Sicht muss er aber kommen und er könnte durchaus an Partnerschaftsmodelle mit der Industrie geknüpft sein. Vereinbar mit der am 25. Mai dieses Jahres in Kraft getretenen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) sei die Datendurchlässigkeit allemal, so der Geschäftsführer. Auch mit Blick auf Plattformen, „die das SHK-Handwerk überholen könnten“, wünscht sich Cloer mehr Flexibilität seitens der Industrie. Sonst bestehe die Gefahr, dass Branchenfremde, die nicht über das benötigte handwerkliche Fachwissen verfügen, Prozesse allein über die Informationstechnik aufrollen und steuern. Was Digitalisierung angeht, sieht sich Gebro Herwig bereits sehr gut aufgestellt. Kundendienstaufträge werden am PC verarbeitet, geplant und den Monteuren mobil zugestellt. Diese können ihre aufgewendete Arbeitszeit direkt digital erfassen, vom Kunden bestätigen lassen und zur Abrechnung ins Büro übertragen. Auch die Stecktafel mit Organisations- und Urlaubsplanung gehört seit kurzem der Vergangenheit an. Die Einteilung wird digital erstellt und den Mitarbeitern zur Verfügung gestellt.
Breitbandversorgung
Verbindungsgeschwindigkeit lautet das Stichwort an den 27 PC-Arbeitsplätzen mit jeweils doppelten Bildschirmen. Werden die Prozesse immer webbasierter, muss auch die Infrastruktur mithalten können. Breitbandversorgung ist daher ein wichtiges Thema. Mit 50 Mbit/s sei es nicht getan. Cloer: „Wir benötigen noch schnelleres Internet, um die wachsenden Datenmengen zu bewältigen. Denn haben wir ein Problem, hängt es meistens mit dem Internet zusammen.“ Dann streike der Server oder Daten würden nicht übermittelt.
Digitalisierung spielt bei Gebro Herwig also eine entscheidende Rolle. Wie aber sieht es mit der Akzeptanz der neuen Medien im Betrieb aus? „Der Umstieg war nicht einfach zu bewältigen“, gibt Cloer zu, sei aber trotzdem auf „viel Zustimmung“ seitens der Mitarbeiter gestoßen. Das Unternehmen hat reichlich Geld und Zeit investiert und ist dabei von einer Consultingfirma unterstützt worden. Mitarbeiter seien interviewt und geschult, Abläufe visualisiert, die erwähnte neue Software installiert worden. Cloer: „Digital gut aufgestellt zu sein ist mit Kosten verbunden. Investitionen sind unheimlich teuer und für das Handwerk schwer zu bezahlen, weil die Kapitaldecke fehlt.“ Seine Befürchtung: Auf Dauer
werde sich in diesem Bereich die Spreu vom Weizen trennen.
Nicht zuletzt dadurch, dass die Produkte digitaler werden, wird von den Monteuren immer mehr Know-how erwartet. „Flaschenhals“ der digitalen Medien bleibt für den Geschäftsführer der Monteur auf der Baustelle. Er müsse Projektmanagement betreiben, Daten und Informationen verarbeiten, die Digitalisierung beherrschen und sie akzeptieren – und das, obwohl ohnehin schon ein schwerer Job – physisch und psychisch – zu leisten sei. Daher sei es besonders wichtig, alle Mitarbeiter in den Umstellungsprozess einzubeziehen und mitzunehmen. Regelmäßige Fortbildungen (intern wie extern) sind bei Gebro Herwig Standard. Dazu kommen Vorteile zur Absicherung und Gesundheitsfürsorge. Außerhalb der Büroräume gibt es ein Areal zum Durchschnaufen sowie eine Grillhütte. Die Mitarbeiter sollen sich wohl fühlen.
Fachkräftemangel bereitet Sorge
Das hat seinen Grund: Der Fachkräftemangel ist laut Cloer ein Riesenthema: „Uns fehlen die schraubenden Hände.“ Folge: Gebro Herwig ist im Umsatz begrenzt. „Wir könnten mit weiteren Fachkräften und den vorhandenen Innendienst gut und gerne 10 % mehr Umsatz machen“, berichtet der Geschäftsführer. Wie reagiert das Unternehmen auf den Mangel an Monteuren, z. T. auch an Auszubildenden? „Wir überlegen gerade, ob wir nicht – nach dem Schulnotensystem – Viererkandidaten einstellen sollen“, erzählt Cloer. Ihnen müsse man größtmögliche Unterstützung und Weiterbildungsmöglichkeiten geben, weil die schulischen Anforderungen im SHK-Handwerk recht hoch seien. Cloer: „Wir brauchen nicht nur Kammer- oder Landessieger, sondern Mitarbeiter, die sich dem Unternehmen und der Region verbunden fühlen.“ Der Geschäftsführer von Gebro Herwig hofft generell auf eine bessere Außendarstellung des Handwerksberufs. Auch die Unternehmen selbst seien gefordert: „Wir werden neue Wege zur Mitarbeiterbindung finden müssen – vielleicht den Lohn auf Dauer anpassen.“ Mehr Geld im Portemonnaie des Monteurs als ein Ansatz, um Mitarbeiter auf Dauer zu halten. Sicherlich nicht der einzige.
Bilder: IKZ
www.gebro-herwig.de
IKZ vor Ort – die neue exklusive Serie
Wie organisieren sich große und wie kleinere Betriebe? Welche Ansprüche haben die Kunden heute und wie gut sind sie informiert? Welche Unterstützung wünschen sich Handwerksmeister von Seiten der Hersteller und des Großhandels? Und mit welchen Instrumenten können wir als Fachverlag unterstützen, den Arbeitsalltag zu meistern?
Diese und weitere Fragen haben wir uns in den vergangenen Monaten regelmäßig gestellt und als Antwort die neue Serie „IKZ vor Ort“ ins Leben gerufen. Wir besuchen SHK-Betriebe und sprechen mit den Inhabern darüber, wie Handwerk heute funktioniert. Ein informativer Austausch mit beiderseitigem Nutzen und hohem Erfahrungswert, meint
Markus Sironi
Chefredakteur und
Handwerksmeister
m.sironi@strobel-verlag.de
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