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Müssen wir im Neubau konzeptionell umdenken?



Müssen wir im Neubau konzeptionell umdenken?
 
 
 
 
 

26. Januar 2022

Reduziert und polarisiert: Die technische Gebäudeausstattung in energieautarken Häusern

Timo Leukefeld, Professor aus Freiberg, will mit seinem energieautarken Wohnungsbau nicht weniger als einen Paradigmenwechsel in der Gebäudegestaltung und ihrer Energieversorgung erreichen. Das Konzept wird nachgefragt – doch es polarisiert auch.

Timo Leukefeld weiß, dass er mit seinem Wohnungsbau-Konzept energieautarker Häuser in der Erneuerbare-Energien-Szene, in der er aus technischer Sicht beheimatet ist, nun weniger Freunde hat, vielleicht sogar Feindseligkeiten erfahren wird. Leukefeld ist Honorar-Professor für das Thema vernetzte energieautarke Gebäude an der Berufsakademie (BA) Glauchau und der TU Bergakademie Freiberg. In der Solarbranche ist er insbesondere über das Thema Solarthermie und großer, gebäudeintegrierter Pufferspeicher bekannt geworden. In seinem neuen Konzept spielt die Solarthermie aber keine Rolle mehr, stattdessen die Photovoltaik. „Das ist mir in der Tat schwergefallen“, berichtet er unumwunden. „Es ist schon schwer, wenn man erkennt, dass ein Weg nicht weitergeht und sich das dann selbst einzugestehen. Zumal auch in Deutschland, wo hier Richtungsänderungen nur schwer verziehen werden, anders als zum Beispiel in den USA.“ Doch die Solarthermie sei nicht günstiger geworden im letzten Jahrzehnt, die Photovoltaik dagegen schon. „Die PV liegt heute im Einfamilienhaus bei 9 bis 10 ct/kWh, in 10 Jahren wird sie bei 1 bis 2 ct liegen. Hinzu kommt, und das klingt zynisch, dass aufgrund des Klimawandels das Thema Heizen gegenüber dem Thema Kühlen in Zukunft an Bedeutung verliert, in Verbindung mit hochgedämmten Häusern. Wir werden uns mehr der Frage zuwenden müssen, wie wir Gebäude kühlen. Die Solarthermie wird aus meiner Sicht im Altbau weiter eine große Rolle spielen, im Neubau aber nicht“, sagt er.

Weniger ist mehr
Er setzt seine Erkenntnis inzwischen konsequent in eine neue Gebäudeplanungs-Philosophie um: Er heizt mit Strom (dazu wählt er Infrarotheizungen), Warmwasser wird mit Strom erzeugt (dezentral elektrisch) und natürlich Haushaltsstrom bereitgestellt. Er verzichtet damit grundsätzlich bspw. auf wasserbasierte Systeme zur Wärmeversorgung und schließt folglich sogar die Wärmepumpe als Heizquelle in seiner Konzeption aus.

Der Verzicht auf den Einbau wasserbasierter Systeme ist Bestandteil und auch ein Symbol des von ihm und seinem Team angestrebten Ziels: „Wir wollen nicht weniger als einen Paradigmenwechsel im Bauen erreichen. Die Entwicklung der vergangenen Jahre, vorangetrieben durch staatliche Förderungen wie die KfW-Programme, hat zu einer technisierten Bauweise geführt. Je mehr Technik verbaut wird, umso höher fällt die Förderung aus. Wenn ich zusätzlich Technik einbaue, dann wird das von staatlicher Seite belohnt. Das führt aber dazu, dass die Haustechnik für den Bauherren trotz Förderung immer teurer wird. Was bis jetzt noch übersehen wird: Damit steigen aber auch die Instandhaltungs- und Modernisierungskosten“, erläutert Leukefeld: „Wir sprechen bereits von der so genannten dritten Miete, die immer mehr an Bedeutung gewinnen wird, wenn man diesen Weg vollzieht. Wir müssen uns trauen, vielbeschworene Technik in Frage zu stellen. Weniger ist mehr.“ Ein weiterer Umstand käme noch hinzu: Der sich schon jetzt abzeichnende Handwerkermangel werde sich in Zukunft noch verschärfen – mit der Folge, dass die Handwerkerpreise weiter, möglicherweise horrend steigen, wie manche Zukunftsforscher prognostizieren.

Zentrale Begriffe
Die zentralen Begriffe in seiner Gebäudetechnik- und Betriebs-Konzeption lauten „Energieautarkie“, „Doppelte Disruption“, „Enttechnisierung“ und „Energieflat“. Der Begriff Disruption beschreibt im technischen Umfeld die Situation, dass eine bestehende Technik durch eine neue ersetzt wird. Man kann das auch verallgemeinern und grundsätzlich übertragen. Leukefeld dazu: „In unserem Fall bezieht sich der Begriff einerseits auf die Technik, indem wir strombasierte Hauskonzepte verwirklichen und auf die klassische wassergeführte Haustechnik verzichten. Andererseits bedeutet es auch einen Bruch mit der klassischen Herangehensweise, wie Immobilien als Mietobjekt kalkulatorisch und dann später auch vertragstechnisch aufgezogen werden.“

Leukefeld ist Kopf seines „Autarkie-Teams“ (www.autarkie.team). Er und seine beiden Kollegen Jürgen Kannemann (Projektsteuerung) und Klaus Hennecke (Architektur) betreiben selbst keine Bauausführung – sie erarbeiten für interessierte Kunden, wie z. B. Wohnungsbaugesellschaften, ein schlüsselfertiges Konzept und verpflichten dann aber auch die Kunden, die sich für eine solche Lösung entscheiden, diese auch genauso umzusetzen und sie nicht ggf. abzuwandeln. Die Bauausführung übernimmt als fester Partner des Autarkie-Teams die Helma Wohnungsbau GmbH, die die Konzepte schlüsselfertig und mit Festpreisgarantie bundesweit baut.

Konsequent umgesetzt
Nur so könne die dem Konzept zugrundeliegende Bau- und TGA-Philosophie gewährleistet sein, sagen die Macher. Beispielsweise ist eine 100-%-Eigenstromversorgung zwar technisch machbar, aber der Aufwand, Mengen von über 70% aus dem Gebäude herauszukitzeln, steht in keinem Kosten-/Nutzenverhältnis mehr. Folglich wird die solare Deckungslücke mit Ökostrom geschlossen, der extern bezogen wird. Der Ökostrombezug zählt zu den Vorgaben.

Auch die Energieflat ist in dem Konzept eine zentrale Säule. Vorgesehen ist, eine Pauschalmiete inklusive einer Energieflat für Wärme und Strom zu garantieren. „Wir gehen mit dem Angebot einer Miet- und Energieflatrate (Heizung, Warmwasser, Haushaltsstrom und E-Auto tanken sowie sonstiger Betriebskosten) mit 2 bis 3 Euro/m2 Aufschlag auf die Kaltmiete an den Markt. Die Energieflat wird im Vertrag dann über 5 oder 10 Jahre in dieser Höhe garantiert. Hier kann der Vermieter wählen, welches Modell er nimmt“, erklärt Leukefeld. Angst davor, dass das von Mietern ausgenutzt werden könnte, hat er nicht. „Wir sprechen in solchen Fällen von Energienomaden, die jegliche Flatrate sprengen. Das ist auch aus anderen Bereichen bekannt, zum Beispiel beim Handy, wenn jemand seine Flatrate dazu nutzt, um eine Telefonstandleitung nach China aufzubauen. Hier verfahren wir wie alle anderen auch: Wir setzen eine Verbrauchsobergrenze, die allerdings auch sehr großzügig bemessen ist, so dass im Normalfall hier niemand an die Grenze stößt. Sollte allerdings doch der unwahrscheinliche Fall eintreten, dann haben wir die Möglichkeit, die Stromflüsse über einen Elektriker aktuell zu messen. Unser Konzept basiert ja zwar auch darauf, dass bei uns keine individuellen Zähler mehr eingebaut werden und damit auch Messkosten von Messdiensten entfallen und das ganze Abrechnungswesen für Mieter und Vermieter sehr vereinfacht wird. Dennoch gibt es die Möglichkeit, im Zweifelsfall Stromflüsse zu ermitteln. Aber die Mieter, die in solche Objekte ziehen wollen, tun das auch sehr bewusst“, sagt er.

Pilotprojekt in Lübben
In Lübben bei Berlin baut aktuell die Lübbener Wohnungsbaugesellschaft (LWG) nach eigenen Angaben die ersten enttechnisierten und energieautarken Mehrfamilienhäuser Deutschlands nach Leukefelds Konzept. Dort entstehen sieben Wohnungen (2 x 2, 4 x 3 und 1 x 4 Zimmer) im KfW-Effizienzhaus-Standard 55. Die Gebäudenutzfläche (AN) beläuft sich auf 698 m2, die Wohnfläche beträgt 574 m2. Zur Stromversorgung werden PV-Anlagen auf dem Dach und an den Fassaden installiert, insgesamt 48,3 kW, verbunden mit 73 kWh Solarstromspeicherkapazität. Der solare Deckungsgrad am gesamten Energiebedarf (Heizung, Warmwasser und Haushaltsstrom) soll Werte von 51 bis 56% erreichen. Für die Wärmeversorgung werden Infrarotheizungen eingebaut. Das Autarkie-Konzept sieht grundsätzlich keine Fußbodenheizungen vor, obwohl es diese ja auch in der elektrischen Variante am Markt gibt. „Nur punktuell auf Wunsch als Ergänzung im Bad“, sagt Leukefeld, „denn das ist eine Konvektionsheizung, wenig effektiv und sehr träge. Wir brauchen Infrarotstrahlung mit sehr gutem Strahlungswirkungsgrad und schnell regelnd.“

Die Warmwasserbereitung erfolgt dezentral elektrisch. Dabei sind keine Durchlauferhitzer vorgesehen, sondern dezentrale Elektroboiler mit 200 l und der Möglichkeit, diese mit überschüssigem Solarstrom zu überhitzen. „Das bringt 10% mehr Autarkie“, berichtet Leukefeld. Und sie bieten auch einen Komforteffekt: „Bei Boilern ist die Spitzenzapfleistung von XXL-Duschkopf, Badewanne und Co überhaupt kein Problem.“

Furiose Nachfrage
„Wir planen, eine echte solare Deckungsrate von 50 bis 70% bei Heizung, Warmwasser und Haushaltsstrom in den von uns so konzipierten Häusern und orientieren uns bei dem Begriff an der Definition des Sonnenhaus-Instituts. Das simulieren wir im Vorfeld anhand von uns vorliegenden Daten“, sagt Timo Leukefeld.

Das Konzept kommt am Markt furios an. In Lübben waren die Wohnungen schon vor Baubeginn vergeben. Tatsächlich haben Leukefeld und sein Autarkie-Team aktuell 325 Wohneinheiten in der Planungspipeline, verteilt über ganz Deutschland, auch in Österreich und der Schweiz. „In Frankreich planen wir das Konzept im Bereich des sozialen Wohnungsbaus, was auch neu ist. Dazu ein paar Sonderbauten“, berichtet er. Man mache ja auch keine Ausführungsplanung, sondern liefere mit dem energetischen Kompass die schlüsselfertige Strategie, bis hin zum Mietvertrag. Aber genau das kommt offenbar richtig gut an.

Autor: Dittmar Koop, Journalist für Erneuerbare Energien und Energieeffizienz





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