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StartseiteThemenHeizungstechnikZukunft der Heizungstechnik
23. November 2022
Die Aufgabe: Niedertemperaturwärme bereitstellen
Die Beheizung von Räumen in Gebäuden erscheint im Grundsatz zunächst als einfache Aufgabe. Es müssen Räume, die – von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen – vollständig von Bauteilen umschlossen sind, auf Temperaturen im Bereich von typischerweise 20°C oder einigen Grad darüber (z.B. Schwimmbäder) gehalten werden. Dazu sind die Wärmeverluste in der Heizzeit durch Wärmezufuhr zu decken. Die Gebote der Stunde sind jedoch der effziente und effiektive Einsatz von Energie, wobei diese in Zukunft möglichst ausschließlich aus erneuerbaren Energiequellen stammen soll.
Damit muss die bisherige Betrachtungsweise erweitert werden. Im Sinne der Energieeffizienz stand bislang vor allen die Quantität des Energieeinsatzes im Vordergrund: Es galt – und gilt nach wie vor – den Heizenergiebedarf zu reduzieren und mit verlustarmen Wärmeerzeugern und Heizungssystemen zu decken, also Energie nicht zu verschwenden. Der Fokus muss jedoch zusätzlich auf die Qualität der eingesetzten Energien gerichtet werden.
In einem Verbrennungskessel liegt die benötigte Wärme zunächst in der Flamme bei 800 °C oder mehr vor, um letztendlich in Wärme bei der wesentlich niedrigeren Raumtemperatur überzugehen. Auch wenn dabei aus regenerativen Quellen gewonnene bzw. erzeugte Brennstoffe eingesetzt werden und die gesamte Anlage sehr effizient arbeitet, ist dies physikalisch wenig effiektiv und eine andere Art von Verschwendung. Denn Hochtemperaturwärme kann entsprechend dem 2. Hauptsatz der Thermodynamik zu einem erheblichen Teil in mechanische oder elektrische Energie umgewandelt werden. Wenn damit z. B. eine effiziente Wärmepumpenanlage angetrieben wird, kann aus dem regenerativen Brennstoffeinsatz erheblich mehr Wärme gewonnen werden als bei Verbrennung in einem Heizkessel (Bild 1). Darüber hinaus sollten Brennstoffe zunächst vorrangig dort eingesetzt werden, wo die hohen Verbrennungstemperaturen prozessbedingt unabdingbar sind, also z. B. zur Deckung des erheblichen Bedarfs an Hochtemperaturwärme für industrielle Prozesse.
Diese Bewertung zeigt sich auch im Konzeptpapier der Bundesministerien BMWK1) und BMWSB2) zur Umsetzung von 65 % Erneuerbare Energien beim Einbau von neuen Heizungen ab 2024 [2]. Dort sind zwei Varianten von Erfüllungsoptionen zur Diskussion gestellt, von denen eine die Verbrennung fester, flüssiger oder gasförmiger Brennstoffe aus Biomasse sowie von grünem Wasserstoff usw. explizit als nur nachrangig zulässig vorsieht. Diese Zielrichtung bedeutet für die Zukunft der Raumheizung: Die benötigte Niedertemperaturwärme ist im Rahmen des technisch, wirtschaftlich und ökologisch Sinnvollen bei möglichst geringer Temperatur zu erzeugen und bereitzustellen.
Der Neubau: Niedertemperaturheizungen und Wärmepumpen
Im Neubau zeichnen sich Lösungen, die dieser Anforderung genügen, bereits seit längerem ab. Die zunehmend erhöhten
Wärmedämmstandards erlauben den Einsatz von Flächenheizungen mit sehr niedrigen Systemtemperaturen von oftmals unter 35 °C Vorlauftemperatur. Neben der klassischen Fußbodenheizung kommen in den letzten Jahrzehnten – abhängig von Gebäudetyp und Randbedingungen – abgehängte Heizdecken sowie in Wand oder Decken integrierte Warmwasserheizungen zum Einsatz. Flächenheizung und Wärmespeicherung werden gezielt bei thermoaktiven Bauteilsystemen wie der Betonkerntemperierung kombiniert (Bild 2).
Thermoaktives Bauteilsystem – Flächenheizung und Wärmespeicher in einem
Flächenheizsysteme ermöglichen den sehr effzienten Einsatz von Wärmepumpen, die sich zunehmend als effiektive Standardlösung für die dezentrale Wärmeversorgung im Neubau etablieren. Auch die Wärmeübertrager in raumluft – technischen Anlagen lassen sich auf entsprechend niedrige Systemtemperaturen dimensionieren.
Hochgedämmte und intensiv genutzte Gebäude weisen einen geringen Heizbedarf auf, jedoch wird die Kühlung mehr und mehr zum Thema. Auch diese lässt sich sehr gut mit den genannten Flächen(heiz)systemen bewerkstelligen, die dann zu Kühlflächen werden.
Dient der oberflächennahe Untergrund als Wärmequelle für die Wärmepumpe, dann lässt er sich meist auch als Wärmesenke für die Kühlung nutzen. Häufig muss die Wärmepumpe im Sommer dann gar nicht als Kältemaschine arbeiten, sondern die Kühlung über Grundwasserbrunnen, Erdwärmesonden, Erdwärmekollektoren, Eisspeicher usw. kann direkt erfolgen.
Es stellt sich die Frage, ob das beschriebene Niedertemperatur-Prinzip auch angewendet werden sollte, wenn ein Wärmenetz am Standort zur Verfügung steht. Die Antwort lautet: grundsätzlich ja, denn auch bei Wärmenetzen geht der Trend in Richtung niedrigerer Temperaturen, um zunehmend Wärmepumpen, Solarenergie, Geothermie sowie Abwärme aus Industrie und Gewerbe als zentrale Wärmeerzeuger nutzen zu können.
Der Altbau: Annäherung an das Ideal
Für das Ziel einer klimaschonenden und regenerativen Gebäudebeheizung ist der Gebäudebestand die eigentliche Herausforderung. Dabei ist die Reduktion des Wärmebedarfs in Gebäuden zentral [2]. Mit einer energetischen Sanierung der Gebäudehülle wird nicht nur die Menge der benötigten Heizenergie (Quantität) reduziert, sondern gleichzeitig auch notwendige Betriebstemperatur des Heizsystems. Mit anderen Worten: Die oben beschriebene Qualität der eingesetzten Energie kann geringer ausfallen. Bild 3 verdeutlicht diese Zusammenhänge qualitativ am Beispiel einer Wärmepumpenheizung mit Erdwärmesonde.
Dieses idealtypische Vorgehen ist jedoch im Altbaubereich häufig nicht oder nur eingeschränkt umsetzbar, sei es bei denkmalgeschützten Gebäuden, eingeschränkter Finanzkraft der Eigentümer oder aus anderen Gründen (z. B. plötzliche Havarie des Heizkessels). Deshalb sind bei Altbauten auf die jeweiligen individuellen Randbedingungen abgestimmte Lösungen erforderlich, wobei sich folgende Trends abzeichnen:
Direkt elektrisch: umstrittene Lösung
In den letzten Jahren wird die Stromdirektheizung wieder zunehmend als Heizsystem der Zukunft in verschiedenen Varianten (Heizstäbe/-patronen, Strahlungspaneele usw.) propagiert mit der Begründung, dass der elektrische Strom mehr und mehr aus Erneuerbaren Energiequellen stammt. Als Vorteile werden die einfache Installation und die im Verhältnis meist niedrigen Investitionskosten angeführt, ebenso der geringere Materialaufwand. Und mit einer hinreichend großen PV-Anlage lässt sich mindestens so viel Strom regenerativ selbst erzeugen, wie für die Stromdirektheizung benö tigt wird.
Diese Vorteile sind in vielen Fällen zwar gegeben, ihnen stehen aber auch Nachteile gegenüber:
Aus diesen Gründen sollte der Einsatz der Stromdirektheizung auf dafür geeignete Fälle beschränkt bleiben:
Dies ist auch im Konzeptpapier der Bundesministerien so vorgesehen [2].
Verbundlösungen: Thermische Energienetze und Sektorkopplung
Neben der dezentralen, gebäudeweisen Wärmebereitstellung kommt Wärmenetzen vor allem in dicht bebauten Gebieten eine Schlüsselrolle für eine zukunftsfähige und klimaschonende Gebäudebeheizung zu. Gerade für Gebäude im Kernbereich von Städten und Dörfern, die unter Denkmalschutz stehen oder aus sonstigen Gründen nur schwer oder unvollständig gedämmt werden können, ist der Anschluss an ein Wärmenetz häufig eine sinnvolle und auch wirtschaftliche Option. Denn die Verantwortung für Bau, Betrieb und ökologische Qualität der Wärmeerzeugung liegt dann beim Versorger und diesbezügliche Maßnahme und Inves titionen erfolgen an einer oder nur wenigen zentralen Stellen.
Die dringlichsten Aufgaben hierbei sind der zielgerichtete und sinnvolle Ausbau der Wärmenetze sowie die zukunftsfähige Transformation bestehender Wärmenetze und Wärmeerzeuger. Dies umfasst die Umstellung auf einen möglichst hohen Anteil Erneuerbarer Energien und Abwärme sowie eine möglichst weitgehende Absenkung der Netztemperaturen zur Minimierung der Wärmeverluste und vor allem zur bestmöglichen Einbindung Erneuerbarer Wärmequellen jenseits von regenerativen Brennstoffen. Die neue Richtlinie „Bundesförderung für effiziente Wärmenetze“ (BEW) unterstützt die Transformation in diese Richtung durch entsprechende Förderbedingen wie die Begrenzung der Vorlauftemperatur auf 95 °C im Regelfall sowie die Begrenzung des Anteils an Biomasse für mittelgroße und große Netze [3].
Dies macht es erforderlich, netzgebundene Wärmeversorgung im Gesamtsystem zu denken, zu planen und zu realisieren, d. h. Erzeugung, Netz und Verbraucher sind zusammen zu betrachten. Ein Anschluss an ein heutiges, konventionelles Wärmenetz wird z. B. vielfach bedeuten, dass in einem künftigen Schritt über eine Absenkung der Temperaturen auf der Verbraucherseite nachgedacht werden muss. Echte Niedertemperaturnetze sowie kalte Nahwärmenetze mit Wärmepumpen (die u. U. der kombinierten Wärme- und Kälteversorgung dienen) werden an Bedeutung gewinnen, nicht nur in Neubaugebieten.
Ebenso wird sich die Bedeutung der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) hin zu einer netz- und systemdienlichen Sektorkopplung wandeln. KWK-Anlagen werden zunehmend stromgeführt statt wärmegeführt betrieben werden [4], was wiederum die Anbindung an größere Wärmespeicher und Wärmenetze interessant macht. Stromverbraucher zur Wärmeversorgung, hier insbesondere die Wärmepumpen, werden die Sektorkopplung Wärme-Strom immer häufiger komplettieren.
Die Herausforderung: Trinkwassererwärmung
Die Herausforderung der Umstellung der Wärmeversorgung von Gebäuden auf regenerative und bevorzugt Niedertemperatursysteme zeigt sich besonders bei der Trinkwassererwärmung: Bei sinkendem Wärmebedarf steigt der relative Anteil des Wärmebedarfs für die Trinkwassererwärmung. Die vom Nutzer an der Zapfstelle benötigte Warmwassertemperatur lässt sich naturgemäß nicht absenken, und vor allem die hygienischen Anforderungen geben zumindest in sogenannten Großanlagen Temperaturen von mindestens 60 °C vor.
Dies läuft zunächst der energetischökologischen Notwendigkeit einer regenerativen Wärmeversorgung mit möglichst niedrigen Temperaturen zuwider. Deshalb müssen Systemlösungen eingesetzt werden, die den Anforderungen beider Seiten genügen. Derartige Lösungen können zum einen die dezentrale und zeitgleich zum Bedarf erfolgende Erwärmung des Trinkwassers mit Frischwasserstationen oder elektronisch geregelten Durchlauferhitzern sein. Zum anderen sind Stufenlösungen denkbar, z. B. Wärmepumpen zur Trinkwassererwärmung mit entsprechender Vorlauftemperatur, die den Heizungsrücklauf als Wärmequelle nutzen.
Für die Trinkwassererwärmung gilt genauso wie für das gesamte System der Heizungstechnik im Gebäude, dass noch Raum und Bedarf für die Weiter- und Neuentwicklung von Systemlösungen ist, die optimal an die Erfordernisse unserer zukünftigen regenerativen und effizienten Energieversorgung abgestimmt sind.
Autor: Prof. Dr.-Ing. Roland Koenigsdorff, Professor an der Hochschule Biberach, Fachgebiete Simulationstechnik, Energiekonzepte und Geothermie
Literatur:
[1] Koenigsdorff, R.: Wie bleibt die Wohnung warm und die Erde kühl? Vortrag am 25. März 2022 in der Reihe InnoSüd-Einblicke. Vortragsfolien und Video verfügbar unter: www.innosued.de/einblicke/
[2] Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) (Hrsg.): 65 Prozent erneuerbare Energien beim Einbau von neuen Heizungen ab 2024. Konzeptpapier, Stand: 14. Juli 2022. Download verfügbar unter: bit.ly/konzept65
[3] Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) (Hrsg.): Richtlinie für die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze „BEW“, 1. August 2021. Download verfügbar unter: bit.ly/richtlinie-bew-22-9-15
[4] Kienzlen, V., Bürger, V., Schossig, P., Koenigsdorff, R., Pehnt, M. et al.: Grundlegende Empfehlungen für Sanierung und Erneuerung von Heizungsanlagen. Positionspapier, Stand 01/2019. Download verfügbar unter: bit.ly/empf-sanier-heiz
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