Zurück zu News
 
× Startseite

Einstellungen | Mein Account
IKZ select Logo
Suchen          Support & Kontakt       Mein Account
IKZ select Logo

Lieber Gast, um alle Inhalte sehen zu können, müssen Sie angemeldet sein! Jetzt registrieren oder einloggen.

StartseiteWissenNews„Ich vermisse den Positiv-Nachweis“

„Ich vermisse den Positiv-Nachweis“



„Ich vermisse den Positiv-Nachweis“
 
 
 

19. Juli 2021

Für Dr. Christian Schauer sind zentrale Trinkwassererwärmungssysteme aus energetischer wie hygienischer Sicht ebenso geeignet wie dezentrale Systeme

In einer aktuellen Mitteilung hat sich das Umweltbundesamt zu Mindesttemperaturen von erwärmtem Trinkwasser in Großanlagen geäußert. Danach muss die Haltetemperatur im Speicher mindestens 60 °C betragen, die Warmwassertemperatur im Zirkulationssystem darf 55 °C nicht unterschreiten. 1) Welchen Stellenwert hat diese Mitteilung, wie sind in diesem Kontext dezentrale Systeme zu bewerten und mit welchen Konzepten lassen sich die Temperaturen ohne Abstriche bei der hygienischen Sicherheit absenken? Darüber sprach IKZ-Chefredakteur Markus Sironi mit Dr. Christian Schauer, Direktor Kompetenzzentrum Trinkwasser bei Viega.

IKZ-FACHPLANER: Herr Dr. Schauer, das UBA bezieht sich auf das DVGW-Arbeits-blatt W 551, dessen Inhalt als allgemein anerkannte Regel der Technik gilt. Eine Abweichung von den Vorgaben – so heißt es – wäre nur dann zulässig, wenn die hygienische Gleichwertigkeit der Maßnahmen durch mikrobiologische Untersuchungen nachgewiesen würde. Warum brauchte es diese Mitteilung, die Forderung dürfte bei TGA-Planern wie Fachhandwerkern gleichermaßen seit vielen Jahren bekannt sein?

Dr. Christian Schauer: Hintergrund dürfte das im vergangenen Jahr in Kraft getretene Gebäudeenergiegesetz – kurz GEG – sein, welches zur Berechnung des Jahres-Primärenergiebedarfs auf die DIN V 18599 verweist. In der Norm werden keine Mindest-Temperaturen in Trinkwassernetzen mit Zirkulation gefordert. Und das ist offenbar eine Hintertüre, die viele Planer für eine zu niedrige Auslegung der Systemtemperaturen in Großanlagen genutzt haben oder nutzen könnten. Offenbar kam es in einigen Gebäuden zu Beschwerden, vielleicht sogar zu hygienischen Beeinträchtigungen.

IKZ-FACHPLANER: Wie ist denn der Stellenwert einer solchen Mitteilung zu bewerten?

Dr. Christian Schauer: Das Wort Mitteilung ist nicht wörtlich zu nehmen und wird der Bedeutung des Umweltbundesamtes nicht gerecht. Der Stellenwert des UBA ist im Infektionsschutzgesetz § 40 klar formuliert. Eine Stellungnahme dieser Behörde steht über den einschlägigen Normen und Regelwerken – das gilt im Übrigen auch für Schriften aus dem RKI.

IKZ-FACHPLANER: Dezentrale Wohnungsstationen gelten in hygienischer Hinsicht als sicher. In großen Wohngebäuden werden deshalb immer häufiger dezentrale Wohnungsstationen für die Bereitstellung von Warmwasser als Alternative zur zentralen Warmwasserbereitung eingesetzt. Im Keller sitzt ein Heizungspuffer, der die Energie speichert und über Rohrleitungen zu den Wohnungsstationen führt. Wäre das nicht ein alternativer Lösungsansatz?

Dr. Christian Schauer: Das kann ein durchaus vernünftiger Ansatz sein, muss es aber nicht. Für die Temperaturhaltung ist ein zentrales System aus energetischer Sicht ebenso geeignet. Und was die Hygiene angeht, so vermisse ich den Positivnachweis bei dezentraler Trinkwassererwärmung.

IKZ-FACHPLANER: Wie meinen Sie das?

Dr. Christian Schauer: In rund 60 % der Wohngebäude erfolgt die Warmwasserbereitung zentral. In Gebäuden mit einer Öl-Zentralheizung sind es sogar über 70%. Aus Sicht der Trinkwasserhygiene ist die zentrale Trinkwassererwärmung mit Zirkulationssystem zu bevorzugen. Und als Experte für Trinkwasserhygiene verlasse ich mich auch auf belastbare Zahlen, nicht alleine auf Festlegungen. Anders als zentrale Trinwassererwärmer werden dezentrale Systeme nicht regelmäßig beprobt. Sie unterliegen also keiner systematischen Kontrolle. Damit fehlt nach meinem Verständnis eine wesentliche Grundlage für die Behauptung, dass Wohnungsstationen hygienisch sicherer sein sollen als zentrale Anlagen. Im Übrigen hat das Umweltbundesamt auch zu diesem Sachverhalt eine Empfehlung herausgegeben. Darin heißt es wörtlich: „Bislang werden dezentrale Trinkwassererwärmer als sicher im Hinblick auf eine Legionellenkontamination angesehen. Neuere Erkenntnisse zeigen jedoch, dass es auch in dezentralen Trinkwassererwärmern und in den dahinterliegenden Leitungen zu einer Legionellenvermehrung kommen kann.“ (UBA-Mitteilung, Dezember 2018).

IKZ-FACHPLANER: Warum ist eine zentrale Warmwasserbereitung effizienter?

Dr. Christian Schauer: Ökologisch sinnvoller ist eine energetisch optimierte Trinkwarmwasser-Zirkulation mit einem Durchfluss-Trinkwassererwärmer. Dabei konzentriert sich die Energiespeicherung auf das Heizwasser, statt zudem die Temperatur im Trinkwasserspeicher halten zu müssen. Darüber hinaus lassen sich verschiedene Energieerzeuger wie eine Wärmepumpe und Solarthermieanlage einbinden, ohne dass es zu hygienekritischen Mischtemperaturen im Warmwasserspeicher kommt. Wird eine PV-Anlage installiert, kann der Eigenstrom dann zur Deckung der Hilfsenergie für die Heizungsanlage und Trinkwasserverteilung genutzt werden.

IKZ-FACHPLANER: Als Abgrenzungsmerkmal einer Kleinanlage von einer Großanlage gilt in der Fachwelt die sogenannte 3-Liter-Regel?

Dr. Christian Schauer: Das ist richtig. Die 3-Liter-Regel wurde ursprünglich als Unterscheidungshilfe für die Abgrenzung Klein- oder Großanlage ins Regelwerk aufgenommen. Den Legionellen dürfte es aber egal sein, wie groß das Anlagenvolumen in einem Rohrabschnitt ist. Passen die Betriebsbedingungen oder Temperaturen nicht, kann ein hygienischer Betrieb nicht gewährleistet werden. Das gilt für zentrale wie eben auch dezentrale Systeme.

IKZ-FACHPLANER: Da geht es auch um das Thema Wasseraustausch, der ja in den Kleinanlagen meist höher ist als in Großanlagen.

Dr. Christian Schauer: In der Praxis verändert der Nutzer nicht sein Verhalten, nur weil die Trinkwasser-Installation anders ausgeführt wurde. Aber auch hier bietet das aktuelle Regelwerk nur bedingt eine Hilfestellung. Wenn beispielsweise in der DIN 1988-200 und in der VDI/DVGW 6023 die Forderung nach einem Austausch nach spätestens 72 Stunden formuliert ist, dann frage ich mich, was mit hohem Wasseraustausch gemeint ist?

IKZ-FACHPLANER: Ich frage mal bewusst provokant: Müsste es Ihrer Meinung nach für dezentrale Warmwasserbereiter nicht auch eine generelle Beprobungspflicht geben?

Dr. Christian Schauer: Ja, aber die gibt es bereits, wenn auch weitestgehend unbekannt. Der BGH hat in einem Urteil vom 6. Mai 2015 (Anmerkung der Red.: Az: VIII ZR 161/14) festgelegt, dass für den Betreiber einer Immobilie neben den sich aus der Trinkwasserverordnung ergebenden Pflichten auch eine Verkehrssicherungspflicht besteht. Allein dadurch lassen sich notwendige betriebs- oder bautechnische Maßnahmen begründen, weil der Betreiber zur Haftungsvermeidung gezwungen ist. Eine regelmäßige Beprobung kann objektbezogen also bei allen Arten der Warmwasserbereitung erforderlich oder zumindest dringend angeraten sein. Zum Beispiel bei zu niedrigen und damit hygienisch kritischen Warmwassertemperaturen oder hohen Wohnungsleerständen in einer Immobilie usw. Beachtet werden sollten indes auch Untersuchungspflichten aus anderen Rechtsbereichen, etwa aus § 4 ArbSchG.

IKZ-FACHPLANER: Die Relevanz des Urteils erschließt sich mir nicht so ganz.

Dr. Christian Schauer: Das erläutere ich gern. Bislang war es für einen durch eine Legionellose geschädigten Bewohner einer Mietwohnung kaum möglich, den Nachweis zu führen, dass die Infektion tatsächlich aus dem Trinkwassersystem herrührt. Nun aber reicht es, wenn aussagekräftige Indizien auf eine Infektion aus dem Bereich schließen lassen, z. B. bei Unterschreitung der Mindesttemperaturen von Warmwassersystemen.

Auf den Punkt gebracht: Normen, VDI-Richtlinien und DVGW-Arbeitsblätter stellen privat-rechtliche Festlegungen mit Empfehlungscharakter dar. In Fragen des Gesundheitsschutzes bleiben sie in der Regel hinter den Empfehlungen und Mitteilungen des RKI und des UBA zurück. Und damit ist der aus der Installation von dezentralen Trinkwassererwärmern abgeleitete Schluss der 3-Liter-Regel und damit eines Umgehens der Beprobungspflicht zumindest zu hinterfragen.

IKZ-FACHPLANER: Blicken wir auf Viega. An welchen neuen, innovativen Lösungen arbeiten Sie aktuell?

Dr. Christian Schauer: Da gibt es mehrere Ansätze. Zum einen begleiten wir derzeit das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) unterstützte Forschungsprojekt „Ultrafiltration als Element der Energieeffizienz in der Trinkwasserhygiene“. Dabei wird in wissenschaftlich begleiteten Feldtests untersucht, ob ein hygienischer Betrieb bei abgesenkten Trinkwarmwasser-Temperaturen systemisch gewährleistet werden kann. Ein für uns hier relevanter Baustein ist eine Ultrafiltrationstechnologie, die im Bypass der Zirkulationsleitung installiert wird. Diese ist jedoch für uns immer nur eine Komponente eines umfassenden Trinkwasser-Management-Systems, welches nutzungsunabhängig den bestimmungsgemäßen Betrieb der Anlage sicherstellt und mit digitaler Eigen- und Fernüberwachung alle relevanten Betriebsdaten dokumentiert.

Andererseits haben wir bezüglich abgesenkter Warmwassertemperaturen natürlich das Thema Energieeffizienz und damit die Klimaziele fest im Blick. Mit innovativen Technologien sehen wir hier zukünftig die Ziele der TrinkwV im Sinne des Erhalts der Trinkwassergüte einerseits und die des European Green Deal hinsichtlich der Klimaziele nicht mehr im Widerspruch

IKZ-FACHPLANER: Ist die zuvor beschriebene UF-Technologie heute schon verfügbar?

Dr. Christian Schauer: Das Viega-Ultrafil-trationsmodul wird im Rahmen von Pilotprojekten nach definierten Regeln für Planung, Ausführung und Betrieb bereits eingesetzt.

IKZ-FACHPLANER: In welchen Größenordnungen wird das neue Konzept angeboten?

Dr. Christian Schauer: Das System ist modular aufgebaut und kann für jede beliebige Anlagengröße skaliert werden.

IKZ-FACHPLANER: Abschließende Frage: Worauf sollten Planer neben der Temperatur als wichtige Kenngröße achten, damit Trinkwasser hygienisch bleibt?

Dr. Christian Schauer: Mit zunehmender Anlagengröße ist ein gesicherter hydraulischer Abgleich in allen Teilstrecken, die in das Zirkulationssystem eingebunden sind, zu gewährleisten. Dafür sind bereits elektronische Zirkulationsventile im Markt verfügbar, die neben einem sicheren und nachhaltigen Anlagenbetrieb auch die entsprechende Dokumentation der Betriebsdaten bereitstellen.

Ferner sollten bei der Planung von Trassen und Schächten auf einen ausreichenden Abstand zwischen Rohrleitungen warm/kalt größten Wert gelegt werden, um so hygienisch kritische Fremderwärmungen von Trinkwasser kalt möglichst gering zu halten. In Schächten empfiehlt sich daher generell eine thermische Trennung: Rohrtrassen für Trinkwasser-Zirkulation, Heizung oder Lüftung gehören in die warm gehenden Schächte, Entwässerungs- oder Kühlleitungen in die Kalten. Wichtig ist schließlich die Sicherstellung eines regelmäßigen und vollständigen Wasserwechsels. Das kann manuell oder automatisiert durch entsprechende Sensorik und Aktorik erfolgen.

Fakten und Hintergründe
Die Trinkwasserverordnung legt in § 17 Absatz 1 fest, dass Anlagen für die Gewinnung, Aufbereitung oder Verteilung von Trinkwasser mindestens nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik zu planen, zu bauen und zu betreiben sind.

Gemäß DVGW-Arbeitsblatt W 551 gelten für Planung, Bau und Betrieb von Trinkwasser-Installationen in Großanlagen oder Anlagen mit einem Inhalt von mehr als 3 Litern in mindestens einer Rohrleitung zwischen dem Abgang des Trinkwassererwärmers und der Entnahmestelle bzw. Anlagen mit Zirkulation die Mindesttemperaturen von 60 °C am Abgang vom Trinkwassererwärmer sowie von mindestens 55 °C an jeder Stelle der Warmwasserzirkulation.

Abschnitt 6.2 des DVGW-Arbeitsblatts W 551: „Das DVGW Arbeitsblatt W 551 weist auch für Kleinanlagen mit Wasservolumina ‹ 3 Liter darauf hin, dass Warmwassertemperaturen unter 50 °C auf jeden Fall vermieden werden sollten. Empfohlen wird trotzdem die Einstellung der Reglertemperatur von 60 °C am Trinkwassererwärmer. Allerdings sollte der Auftraggeber oder Betreiber im Rahmen der Inbetriebnahme und Einweisung über das eventuelle Gesundheitsrisiko (Legionellenwachstum) informiert werden.“

Das UBA-Papier „Kollisionsregel Trinkwasserverordnung und Gebäudeenergiegesetz – Mindesttemperatur von erwärmtem Trinkwasser aus Großanlagen zur Trinkwassererwärmung“ (Stand: 11. 12. 2020) findet sich unter dem Kurzlink bit.ly/3pwiwR0 oder auf der Website des UBA im Bereich Themen/Trinkwasser. Dort finden sich auch weitere Empfehlungen und Stellungnahmen der Behörde.

1) Siehe Bericht „60° C müssen es mindestens sein“, Fachplaner April-Ausgabe oder auf www.ikz.de.

Bilder: Viega, Attendorn

www.ikz.de





Verwandte Artikel



Elektro-Durchlauferhitzer vs. zentrale Warmwasserbereitung

Elektro-Durchlauferhitzer vs. zentrale Warmwasserbereitung 9. Dezember 2021

Trinkwassererwärmung im Vergleich: Effzienz und Hygiene in Einklang – welches System bringt‘s? Damit die Energiewende gelingt, muss der Verbrauch fossiler...
Weiterlesen

Temperaturhaltung beachten, Wasseraustausch sicherstellen

Temperaturhaltung beachten, Wasseraustausch sicherstellen

Hygienerelevante Anforderungen an Trinkwasser-Installationen haben stets Priorität vor wirtschaftlichen Interessen
Weiterlesen


Diesen Artikel teilen auf:   Facebook X XING



Ausgewählte Inhalte



Leistungsgarantie



Datensicherheit

×