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Zählfehler zu Lasten des Nutzers



Zählfehler zu Lasten des NutzersBild: Hofmann
Bild: Hofmann 
Bild: Hofmann 
Bild: Hofmann 

15. November 2023

Über den Beweiswert der Anzeigen von Wasserzählern
Bei der Verbrauchserfassung mit geeichten Wasserzählern der Bauart Flügelradzähler-Nassläufer sind etliche Fälle bekannt geworden [1], bei denen ein Vielfaches des bekannten Durchschnittsverbrauchs angezeigt und die Messgeräte nach Befundprüfungen als einwandfrei bewertet wurden. Wasserversorgungsunternehmen (WVU) haben das zum Anlass genommen, die entsprechenden Anzeigen von Wasserzählern ihren Kunden als Verbrauch in Rechnung zu stellen. Bei Rechtsstreitigkeiten haben Gerichte die Forderungen der WVU bestätigt [2]. Im Gastbeitrag äußern zwei Gutachter ihre Zweifel.


Die Ursachen von Anzeigen sehr hoher Verbrauchswerte sind häufig irreguläre Zählwerksfortschritte (sog. Rollensprünge) von Rollenzählwerken, die bei Befundprüfungen kaum festzustellen sind. Bei konsequenter Beachtung eichrechtlicher Vorgaben (MessEV § 7, Absatz 3) stellt sich unter Hinweis auf fehlenden Verbraucherschutz die Frage, ob die Zulassung dieser Bauart von Wasserzählern überhaupt zu rechtfertigen ist. Nach einer Mitteilung aus dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) im Auftrag der damaligen Minis­terin Frau Christine Lambrecht, fühlt sich das BMJV für den Verbraucherschutz von Wasserverbrauchern nicht zuständig.

Zur Anzeige des Wasserverbrauchs
Die Bauart von Wasserzählern der Bauart Nassläufer ist bekannt [3]. Durchflüsse von Trinkwasser durch diese Wasserzähler werden als Messwerte entsprechend den Umdrehungen des Flügelrades erfasst und form- und kraftschlüssig mittels eines Untersetzungsgetriebes vom Zeigerzählwerk funktionssicher angezeigt. Die Übertragung der aufsummierten Messwerte erfolgt durch mechanisch erzeugte Zählwerte nur bedingt formschlüssig auf das mechanische Rollenzählwerk, wie Bild 1 mit einem Zählwert von 152 m³ und einem Messwert 205,3 Liter zeigt.
Beim Eichen der Wasserzähler werden in der Regel Prüfvolumina < 1000 l Wasser eingesetzt und die Durchflüsse ausschließlich am Zeigerzählwerk abgelesen. Das Rollenzählwerk wird daher in Eichmessungen nicht einbezogen. Bei der späteren bestimmungsgemäßen Verwendung werden die Verbrauchsanzeigen in ganzzahligen Kubikmetern auf dem Rollenzählwerk als Zählwerte und nicht erforderliche Nachkommastellen an den Zeigern abgelesen. Die eingangs beschriebenen Anzeigewerte von unerklärlichen Mehrverbrauchsvolumina sind demnach Zählfehler des mechanischen Rollenzählwerks und können als Verfälschung von Messwerten i. S. von § 7 (3) MessEV aufgefasst werden.
Anzeigen von unerwartet hohen Verbrauchswerten sind häufig Folgen von Funktionsstörungen in mechanischen Rollenzählwerken, deren Funktion ausführlich zu erklären ist: Bei Wasserdurchfluss durch den Wasserzähler werden die Umdrehungen des Flügelrades auf das Zeigerzählwerk übertragen. Durch einen zuverlässigen mechanischen Übersetzungs-Mechanismus wird bei Erreichen von 1000 l = 1 m³ der Anzeigefortschritt vom Zeigerzählwerk direkt auf die Anfangsrolle (1 m³-Rolle) des Rollenzählwerks übertragen, und diese um ein Inkrement weiterbewegt.
Bild 2 zeigt ein derartiges Rollenzählwerk. Die vier Schalttriebe dienen im Zusammenwirken mit den 20 Nocken je Mittelzahlenrolle zu deren Arretierung und Weiterdrehung bei einem Anzeigefortschritt um je ein Inkrement. Jede einzelne der vier rechten Zahlenrollen hat auf der linken Seite einen einzelnen sog. Mitnehmer, der im Zusammenwirken mit den Schalttrieben einen Zählwerksfortschritt um ein Inkrement und zwei Nocken bewirkt. Zur Arretierung oder Weiterbewegung der mittleren Zahlenrollen durch Schalttriebe ist ein sog. Überdeckungsgrad zwischen Schalttrieben und Nocken erforderlich, der gewöhnlich wenige Zehntelmillimeter beträgt. Die rechts angeordnete 1 m³-Rolle ist mit der Welle fest verbunden, so dass sich diese Welle immer um 36° bei jedem Zahlenfortschritt weiterdreht und somit eine Reibungskraft auf alle Mittelrollen ausübt, die auf der Welle lose angeordnet sind. Die ebenfalls lose angeordneten Schalttriebe verhindern bestimmungsgemäß ein ungewolltes Weiterdrehen der Mittelrollen. Die für die Funktionssicherheit und die erforderlichen Überdeckungsgrade bedeutsamen axialen Abstände der Zahlenrollen und der Schalttriebe untereinander sind durch das Gehäuse, den Käfig des Rollensatzes, festgelegt. Die nur bedingte Formschlüssigkeit der losen Bauteile ist beim Zusammenwirken von außergewöhnlichen Einsatzbedingungen der Grund, dass sich in seltenen Fällen Rollensprünge ereignen können. Zu beachten ist darüber hinaus, dass ein Rollensprung immer nur dann erfolgen kann, wenn gleichzeitig Wasser durch das Messwerk strömt und sich die erste Zahlenrolle gemeinsam mit der Welle dreht.

Rollensprünge als Ursache fehlerhafter Anzeigen in Rollenzählwerken
Ursachen fehlerhafter Anzeigen sind Rollensprünge als wiederholte irreguläre Zählwerksfortschritte in mechanischen Rollenzählwerken, vorwiegend in Wasserzählern der Bauart Nassläufer. Die Zuvielanzeigen geschehen unbeobachtet schrittweise über Stunden oder Tage. Die Bezeichnung „Rollensprung“ suggeriert demgegenüber einen impulsartigen Zählfortschritt, der tatsächlich nicht auftreten kann. Der Ablauf eines Rollensprunges geht aus einer Foto-Dokumentation eines einzelnen Rollensprunges hervor [4]. Die unkontrollierte Mitnahme einer beliebigen Zahlenrolle (hierbei der 100er Rolle) erfolgt durch die sich drehende Welle, auf der die Zahlenrollen, wie beschrieben, lose angeordnet sind, wenn die Arretierung durch Schalttriebe in irgendeiner Weise unterbrochen ist.

Zu große axiale Abstände von Zahlenrollen
Rollensprünge können durch mangelnde Arretierungen von Zahlenrollen infolge kurzzeitig fehlender Überdeckung zwischen Nocken der Zahlenrollen und Schalttrieben auftreten. Ausgangspunkt sind zu große oder grenzwertige axiale Abstände von Zahlenrollen und Schalttrieben innerhalb des Gehäuses oder in seltenen Fällen beschädigte Bauteile des Rollenzählwerks. In Bild 3 ist eine derartige Störstelle bei fehlender Überdeckung dargestellt und durch einen gelben Pfeil kenntlich gemacht. Zu erkennen ist innerhalb des gelben Kreises die fehlende Überdeckung (Spalt) zwischen Schalttrieb und der gekennzeichneten linken Zahlenrolle mit der aufgedruckten Ziffer 6. Diese Zahlenrolle könnte sich bei Bewegung der 1 m³-Rolle und der damit verbundenen Welle durch Reibungskräfte unkontrolliert mitdrehen und einen Mehrverbrauch von 1000 m³ anzeigen. Demnach ist ein unkontrolliertes Mitdrehen einer Zahlenrolle möglich, ohne dass ein Nocken komplett abgebrochen ist. Innerhalb des weißen Kreises ist eine Überdeckung von wenigen Zehntel-Millimeter zu erkennen. Das Mitdrehen wird dadurch begüns­tigt, dass der Netzdruck im Trinkwasser-Versorgungsnetz von ununterbrochenen extrem kurzzeitigen Druckänderungen überlagert ist [5], und zum Vibrieren von Zahlenrollen führen kann.

Erschütterungen und Luftanteile in Zählwerken
Neben zu großen axialen Abständen der Zahlenrollen untereinander und in seltenen Fällen beschädigten Bauteilen sind insbesondere störende Umgebungszustände wie Erschütterungen und von außen nicht sichtbare Luftanteile in Zählwerken Auslöser von Rollensprüngen. Störende Umgebungsbedingungen wie in Nassläufern gibt es nicht in Trockenläufern. Daher sind in Millionen Strom-, Gas- und Ringkolben-Zählern mit baugleichen mechanischen Rollenzählwerken derartige Fehlfunktionen fast nie festgestellt worden. Ein Stromzähler (BGH-Urteil vom 07.02.2018, Az.: VIII ZR 148/17) und ein Ringkolbenzähler (Eichamt Düsseldorf vom 30.03.2022) sind Ausnahmen.
Die Zählrichtigkeit eines mechanischen Rollenzählwerks ist während der Zeitspanne von Erschütterungen wegen der lose angeordneten Zahlenrollen nicht mit Sicherheit zu gewährleisten. Zur Zählrichtigkeit werden in eichrechtlichen Bestimmungen allerdings keine Angaben gemacht. Nach MessEV, § 7 Absatz 3 gilt: Messgeräte müssen gegen Verfälschungen von Messergebnissen geschützt sein. Ein derartiger Schutz gewährleistet eine mechanische Klasse M1 bis M3. Ist diese in der Zulassung nicht explizit ausgewiesen, dann darf dieses Messgerät bei Erschütterungen nicht verwendet werden.
Wenn ein Austausch des Wasserzählers aus organisatorischen Gründen während des Auftretens von Erschütterungen nicht möglich ist, müssen Zählerstände des Rollenzählwerks in kurzen Abständen abgelesen und Zählvorgänge dokumentiert werden. Dazu besteht seitens des Versorgungsunternehmens eine Fürsorgepflicht. Bei Verletzen der Fürsorgepflicht obliegt dem Versorger trotz erfolgreicher Befundprüfung die Beweis- und Darlegungslast für die korrekte Verbrauchsanzeige. Dazu müssten nicht einmal MessEG und MessEV geändert werden. Vielmehr müssen Sachverständige und Gerichte nur über die Unzuverlässigkeit der Verbrauchserfassung während Erschütterungen informiert sein und das zu Lasten des Versorgers berücksichtigen. Denn der Versorger nutzt zur Messung des Wasserverbrauchs Wasserzähler, die laut Anlage 2 zu § 7 Absatz 1 Satz 3 MessEV bei Erschütterungen technisch ungeeignet und nicht zugelassen sind.

Befundprüfung
Nach einer Reform der MessEV 2019 ist gemäß § 39 (2) bei der Befundprüfung die Verwendungssituation zu berücksichtigen, die vor dem Ausbau des Wasserzählers ebenso wie die Plausibilitätskontrolle zu erfassen und dokumentieren ist. Die Befundprüfung ist nicht allein auf den Zustand des Messgeräts zu beschränken. Im Kommentar von Hollinger/Schade zur MessEV [6] heißt es dazu u. a.: „Die Berücksichtigung der Verwendungssituation bei der Befundprüfung stellt eine wesentliche Veränderung zum bisherigen Eichrecht dar und verschärft die Prüfanforderungen. § 32 EO hat hierzu keine Aussage gemacht. Die alleinige Prüfung eines Messgeräts auf Einhaltung der Verkehrsfehlergrenzen auf einem „idealen“ Prüfstand scheidet somit zukünftig aus.“ Angaben zur Verwendungssituation und Plausibilitätskontrolle sind im Prüfschein nicht vorgesehen. Das ist ein Mangel und reduziert den Beweiswert des Prüfscheins.
Besteht ein Wasserzähler bei erhöhter Verbrauchsanzeige die Befundprüfung erfolgreich, gilt das als Bestätigung für den angezeigten Trinkwasserverbrauch. Gerichte folgen der Argumentation von Vertretern der WVU und deren Anwälten, dass damit ein Anscheinsbeweis vorliegt. Die Größe des angezeigten Wasserverbrauchs und Störquellen werden nicht beachtet. Verbraucher haben das Nachsehen. So wurde im Urteil des LG Wuppertal vom 13. 12. 2021 (Az.: 3 O 401/15) und der ohne Verhandlung abgewiesenen Berufung durch das OLG Düsseldorf vom 02. 11. 2022 (Az.: I-26 U 1/22) die Anzeige des Zählwertes von 15 000 m³ für richtig gehalten, obwohl dieser Verbrauch weder praktisch noch theoretisch möglich war [2].

Zusammenfassung
Die Anzeigen ganzzahliger Kubikmeter (m³) von nicht geeichten Rollenzählwerken in Wasserzählern der Bauart Nassläufer sind mechanisch erzeugte Zählwerte und keine Messwerte im Sinne des Eichrechts. Diese Zählwerte stimmen mit der Summe der – von den Zählwerten funktional zu unterscheidenden – Messwerte der Zeigerzählwerke regelmäßig überein, jedoch nur dann, wenn kein unerklärlich hoher Mehrverbrauch im Abrechnungszeitraum festgestellt wird. Andernfalls hat das alleinige Ergebnis einer bestandenen Befundprüfung ohne Berücksichtigung der vorgeschriebenen Plausibilitätskontrolle, der Verwendungssituation und des zweifelsfreien Verbleibs des Wassers keinen überzeugenden Beweiswert der Anzeige, und die Zählrichtigkeit ist nicht zu gewährleisten.

Autoren: Dr. Lothar Gutsche, Dipl.-Ing. Georg Hofmann

Literatur:
[1] Rollensprung-Liste-98 https://magentacloud.de/s/rZL4p3f5Myo9MWf
[2] G. Hofmann: Folgenschweres Urteil, IKZ-Haustechnik, 7/2023, Strobel-Verlag Arnsberg
[3] L. Gutjahr, G. Hofmann: Rollensprünge durch defekte Messeinsätze, IKZ-Fachplaner, Mai 2015
[4] Fehlerhafte Verbrauchsanzeigen von Wasserzählern, Bericht in der IKZ-Haustechnik, 23/24/2016, S. 80
[5] K. Rudat: Druckstöße in Trinkwasser­leitungen, IKZ-Haustechnik,4/2008, Strobel-Verlag Arnsberg
[6] Hollinger, Schade: Mess- und Eichgesetz, Mess- und Eichverordnung: MessEG/MessEV, Kommentar, Verlag C.H. Beck, 20.08.2015, ISBN 978-3-406-67966-7


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