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StartseiteWissenNewsWärme auf niedrigem Temperaturniveau
9. April 2019
Intelligente Nahwärmenetze passen sich dem Bedarf an
„Intelligente Nahwärme“ ist ein Sammelbegriff, der die Tatsache umschreibt, dass ein Netz durch die geringeren Heizlasten von Gebäuden nicht mehr zwingend auf hohem Temperaturniveau betrieben werden muss. Der Beitrag stellt verschiedene Formen vor und er zeigt Vor- und Nachteile auf.
Während vielerorts in Deutschland nur
noch über die gescheiterte Klimawende lamentiert wird, nehmen einige
pfiffige, kreative und mutige Gemeinden ihr Schicksal selbst in die Hand
und entscheiden sich für eine neue, innovative Form der
Energieversorgung über Nahwärmenetze. Grundsätzlich sind alle
alternativen Netzformen sogenannte Anergienetze und sie werden nach den
Temperaturniveaus von Vor- und Rücklauf unterschieden. Ein Anergienetz
bezeichnet allgemein ein Leitungsnetz für den Transport von Wärme auf
niedrigem Temperaturniveau. Nachfolgend die wichtigsten Formen der
Netzwärme mit ihren Vor- und Nachteilen im Überblick.
Vor- und Nachteile von Quellnetzen
Im
Quellnetz wird zentral eine Quelle erfasst (Grundwasser, Sondenfeld,
Erdregister) und die gewonnene Energie dann „kalt“ verteilt. Die
Vorteile dieses Netztyps sind: Der einzelne Haushalt muss sich nicht
selbst um die teure Erschließung der Wärmequelle kümmern, da die
Erschließung zentral erledigt wird. Zudem kann das Netz mit Wärmepumpen
betrieben werden, die regenerativen Strom nutzen können und dann einen
positiven Beitrag zur Wärmewende leisten und grundsätzlich gibt es wenig
Wärmeverluste im Netz.
Die Nachteile sind: Für die Wärmeversorgung
werden bei diesem Netzmodell einfache Wasserrohre ohne jegliche Dämmung
verbaut. Dies hilft zwar Kosten in der Erschließung zu sparen, da die
Verlegung günstig ist. Allerdings kann ein solches Netz keine
zusätzliche Umweltwärme aufnehmen – wie beispielsweise die Solarthermie.
Ein weiterer Nachteil: Hohe Energiedichten (Mehrfamilienhäuser,
wärmeintensives Gewerbe) sind nicht abbildbar, da wenig Wärmeenergie
transportiert wird und zugleich der Volumenstrom im Netz sehr hoch sein
muss, um entsprechend viel Wärmeenergie aus dem Netz zu ziehen. Hier
sind andere Netzformen deutlich besser geeignet.
Ebenfalls negativ zu
bewerten ist der Umstand, dass keine Stromerzeugung – außer
Photovoltaik (PV) – innerhalb des Netzes möglich ist, denn
Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) macht nur Sinn, wenn die Wärme auch im Netz
genutzt werden kann. Selbst die PV ist im Grunde nur bedingt geeignet,
da die tatsächlichen Deckungszeiten von hoher Heizlast und Sonnenschein
sehr gering sind.
Vor- und Nachteile von intelligenten Nahwärmenetzen
Bei
dieser Netzvariante können verschiedene Temperaturniveaus gefahren
werden. Die Vorteile dieses Netztyps sind: Es handelt sich um ein
zukunftsoffenes System, sowohl was den Herstellungsprozess der Wärme als
auch deren Verbrauch betrifft. Beispiel: Heute ist die KWK mittels
Blockheizkraftwerk (BHKW) das Mittel der Wahl. Bei politischen
Anpassungen der Rahmenbedingungen oder technischen Neuerungen kann das
BHKW durch neue, zumeist effizientere Energiequellen ersetzt werden. Die
zentrale Sammlung von Umweltwärme, Erzeugung und Verteilung ist der
markante Leistungsindikator für ein intelligentes Nahwärmenetz.
Grundsätzlich
ist weniger Strom bzw. Erneuerbare Energie notwendig als im reinen
Quellnetz, da die Wärmepumpen weniger Hubarbeit verrichten müssen.
Eigenstrom-Erzeugung und Eigenwärme-Produktion sind problemlos möglich.
Die
Nachteile sind: Das Investment liegt höher als im reinen Quellnetz, da
alle wasserführenden Leitungen isoliert sind. Außerdem muss eine eigene
Heizzentrale errichtet werden, welche mit den entsprechenden
Wärmeerzeugern ausgestattet und betrieben werden muss.
Vor- und Nachteile von Arealnetzen
Bei
Arealnetzen handelt es sich um die Erweiterung des intelligenten
Nahwärmenetzes um die Komponente Strom. Die Vorteile dieses Netztyps
sind: Es handelt sich um die konsequente Weiterentwicklung des
dezentralen Versorgungsgedankens auf Basis Erneuerbarer Energien. So
wird die Energie bedarfsgerecht erzeugt und lokal innerhalb des
Subnetzes verbraucht. Das Arealnetz ermöglicht eine CO2-neutrale
Erzeugung von Wärme und Strom. Jeder Anschlussteilnehmer profitiert von
dieser kombinierten Erzeugung und verwendet diese Energie.
Contracting-Anbieter können diesen Strom teilweise deutlich unter
Marktpreis erzeugen und geben diese aktuellen Preisvorteile größtenteils
auch an den Endkunden weiter.
Die Nachteile: Es sind deutlich höhere
Anfangsinvestitionen in die komplette Technik notwendig. Zudem sind die
aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen in puncto Strom noch etwas
schwierig bzw. mühselig. Hier ist die Politik gefordert,
schnellstmöglich allgemeingültige Standards zu setzen, wie ein solches
Netz rechtlich zu bewerten ist. Wenn dieses Problem endlich gelöst ist,
wird die Umsetzung solcher Wärmenetze erheblich einfacher.
Vergleich „Konventionell“ und „Intelligent“
Im
konventionellen Nahwärmenetz liegt die Vorlauftemperatur ganzjährig
zwischen 60-85 °C. Im Sommer ergeben sich hohe Verlustleistungen, da
meist sehr wenig Abnahme innerhalb des Netzes stattfindet (nur
Trinkwasserbereitung). Viele Netze laufen über die Sommermonate
defizitär und müssen die Wärmepreise nach oben korrigieren. Intelligente
Wärmenetze sind da grundsätzlich anders, jedoch mit unterschiedlicher
Strategie.
Intelligente Nahwärmenetze – kalte Strategie
Intelligente
Nahwärmenetze, die mit einer Kalt-Strategie gefahren werden, liefern
ganzjährige Vorlauftemperaturen von 8-12 °C. Dadurch entstehen kaum
Wärmeverluste im Netz. Durch den Einsatz von nicht isolierten
Rohrleitungen kann auf dem Weg zum Endabnehmer zusätzlich noch Energie
aufgenommen werden, was die Erschließung der eigentlichen Quelle
(Sondenfeld, Grundwasserbrunnen, etc.) günstiger macht. Dafür ist aber
relativ viel Strom notwendig für den Betrieb der dezentralen
Wärmepumpen, was den Stromnetzausbau vor Probleme stellen kann. Diese
Netze nutzen ausschließlich Umweltwärme auf geringem Temperaturniveau
und sie können nicht durch zusätzliche Energieträger unterstützt werden.
Bestandsgebäude können in der Regel nicht mit eingebunden werden, da
die Heizlasten zu hoch sind.
Intelligente Nahwärmenetze – Kalt/Warm-Strategie
Hier
liegt die Lösung sozusagen in der Mitte, indem man das intelligente
Nahwärmenetz mit einer Kalt/Warm-Strategie betreibt. Im Winter werden
Vorlauftemperaturen zwischen 60-85 °C gefahren, wie im klassischen Netz.
Damit kann die Heizlast der Gebäude meist komplett abgedeckt werden.
Das Warmwasser wird ebenfalls direkt und ausschließlich über die
Nahwärme erzeugt. Ab einer Außentemperatur von ca. 12 °C und wärmer wird
das Netz auf Sommerbetrieb umgeschaltet und läuft mit
Vorlauftemperaturen von 10-30 °C. Die Vorwärmung der Netztemperatur
passiert über eine Heizzentrale mit Solarthermie oder anderen
Energiequellen (BHKW, Hackschnitzel, etc.). Der große Vorteil: Die
solarthermische Komponente kann maximiert werden. Die
Warmwasserbereitung und eventuelle „Rest-Heizlasten“ in der
Übergangszeit übernimmt die dezentrale Wärmepumpe innerhalb jedes
einzelnen Gebäudes. In Netzen, in denen Wärmepumpen zum Einsatz kommen,
sind je nach Wärmepumpentyp Vorlauftemperaturen von 10-55 °C möglich.
Ideal dafür geeignet sind Mischbebauungen (Neubau+Bestand), da die
Heizlasten im Winter nahezu beliebig hoch sein können, denn die
Wärmeübertragung geschieht mit einer klassischen
Fernwärme-Übergabestation.
Intelligente Nahwärmenetze – gleitende Strategie
Bei
dieser Strategie wird die Vorlauftemperatur im Nahwärmenetz immer in
Abhängigkeit der Außentemperatur gehalten, fließend bzw. gleitend
zwischen 10-50 °C, vergleichbar mit der Heizkurve einer Zentralheizung.
Die Gebäude müssen so beschaffen sein, dass diese Temperatur zur
vollständigen Beheizung ausreicht. Die Übertragung geschieht mittels
Übergabestationen innerhalb der hierfür spezialisierten Wärmepumpen. Die
Warmwassererzeugung übernimmt die in jedem Gebäude dezentral platzierte
Wärmepumpe ganzjährig, wobei die Vorwärmung des Brauchwassers durch die
Nahwärme realisiert wird. Die Wärmeerzeugung des Netzes erfolgt in
einer Heizzentrale aus einem Mix aus Solarthermie, BHKW und klassischen
Feuerungen (Biomasse, Öl, Gas). Die gleitende Strategie ist primär für
den Neubau geeignet.
Ein Fazit
In der
Siedlungswirtschaft bzw. -politik stellen intelligente Nahwärmenetze
eine der zurzeit effizientesten und spannendsten Formen der
Energieversorgung von Gebäuden dar. Dabei erfüllen diese
Versorgungskonzepte je nach Netzausprägung bereits bestmöglich die
Anforderungen an die Sektorkopplung. Die Umsetzung eines solchen Areals
und der Erfolg hängen allerdings stark von den Rahmenbedingungen ab –
sei es technisch oder rechtlich. Dies sorgt bei vielen potenziellen
Betreibern für ein zögerliches Entscheidungsverhalten. Teilweise ist
auch die Unwissenheit bei vielen politischen Entscheidern zu diesem
Thema eine große Hürde. Doch in jüngster Zeit hat sich etwas getan in
puncto „positive Lobbyarbeit“ für diese Form der Nahwärmenetze. So sind
diverse attraktive staatliche Förderungsprogramme aufgelegt worden
(z. B. Bafa), die dem Thema einen positiven Schub geben. Auch zeugen
viele aktuelle Marktstudien und Meinungsumfragen vom öffentlichen
Interesse an regenerativen Versorgungsnetzen und dem steigenden
Verständnis in den Entscheiderkreisen. Zunehmend werden auch die
Versorgungsnetze als privates Investment beliebter. Viele
Energie-Genossenschaften und Bürgerinitiativen suchen in dieser
Technologie die Möglichkeit, das Geld des „kleinen Mannes“
gewinnbringend zu investieren, da viele andere Investments nicht mehr so
lukrativ erscheinen. Doch das sind alles „nur“ angenehme Nebeneffekte.
Die Kernbotschaft der Nahwärmenetze sollte lauten: Liebe
Energieversorgungsentscheider, verlasst euch nicht mehr länger auf die
Politik, sondern fangt endlich an, die Klimawende aktiv selbst zu
gestalten – es gibt nur ein Klima.
Autor: Michael Westermaier, Leiter Vertrieb und Marketing, Ratiotherm Heizung + Solartechnik GmbH & Co. KG
Bilder: Ratioplan
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