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StartseiteWissenNewsVereinbarungen grundsätzlich schriftlich treffen
6. November 2019
HOAI: Rechtssichere Honorarberechnungen nach dem EuGH-Urteil
Der EuGH hat im Juli entschieden, dass die bis dahin zwingend einzuhaltende Mindest- und Höchstsatzregelung der HOAI unwirksam ist. Für Bauverantwortliche bedeutet dies eine größere Flexibilität bei der Honorarvereinbarung. Allerdings ändert das Urteil nicht die erhebliche Praxisrelevanz sämtlicher Regelungen der HOAI.
Bislang durften die Mindest- und Höchstsätze der Honorarordnung für
Architekten und Ingenieure (HOAI) grundsätzlich nicht unter- bzw.
überschritten werden, sondern mussten sich in einem bestimmten, fest
vorgegebenen Korridor bewegen. Laut EuGH-Urteil vom 4. Juli 2019 (EuGH,
Urt. v. 04.07.2019, Az, C-377/17) verstößt diese Regelung jedoch gegen
die Vorgaben der Dienstleistungsrichtlinie (RL 2006/123/EG) und ist
damit unwirksam. Was bedeutet dies für Planer und Architekten?
Zunächst:
Das Gericht hat die HOAI als Preisorientierung keineswegs grundsätzlich
kritisiert – dies wird sogar als sinnvoll erachtet. Allerdings konnte
der EuGH die bislang verbindlichen HOAI-Mindestsätze im Hinblick auf die
Erreichung des Ziels einer hohen Qualität der Planungsleistung nicht
mit dem weiteren deutschen Recht in Einklang bringen. Denn dieses sieht
vor, dass auch Personen Planungsleistungen erbringen dürfen, die keinem
reglementierten Beruf unterliegen und keine fachliche Eignung nachweisen
müssen. Hier stellt sich für den EuGH die Frage, wie das mit der
gewünschten Qualitätssicherung vereinbar ist. Denn ein Mindesthonorar
alleine kann die Qualität aus Sicht des Gerichts nicht gewährleisten.
Betroffen sind nicht nur künftige Verträge
Deutschland
steht nun in der Pflicht, das Urteil in nationales Recht umzusetzen und
das Verbot der Unter- bzw. Überschreitung der Mindest- bzw. Höchstsätze
so schnell wie möglich aufzuheben. Damit werden künftig Abweichungen
von den Mindest- und Höchstsätzen der HOAI bei nationalen und
internationalen Bauprojekten möglich. Gleichzeitig haben die
Vertragsparteien aber auch die Möglichkeit, sich weiter in den
bisherigen Korridoren zu bewegen. Nur die Pflicht, dies zu tun,
entfällt. Die Vertragsparteien können sich also abseits der HOAI
einigen.
Grundsätzlich unberührt von dem Urteil bleiben
Planerverträge, die bereits abgeschlossen wurden und die explizit ein
Honorar nach der HOAI vorsehen. Sie sind dem Grunde nach weiterhin in
der abgeschlossenen Form wirksam. Da durch die vertragliche Vereinbarung
des Honorars nach der HOAI ein Preisfindungsmechanismus gefunden wurde,
auf dessen Grundlage die erbrachten Leistungen im gegenseitigen
Einverständnis der Vertragsparteien abgerechnet werden, dürfte nach
überwiegender Auffassung bei den Planerverträgen in der Regel auch kein
Handlungsbedarf bestehen. Allerdings kann sich das Urteil auf laufende
Honorarstreitigkeiten vor Gericht auswirken – beispielsweise, wenn ein
Ingenieur oder Architekt argumentiert, dass das vereinbarte Honorar den
Mindestsatz der HOAI unterschreitet. Dieses Argument verliert mit dem
Urteil des EuGH an Gewicht und wird von Teilen der Rechtsprechung
bereits jetzt nicht mehr berücksichtigt. Die getroffene Vereinbarung,
mit der die Mindestsätze unterschritten werden, bleibt also auch für
Alt-Verträge wirksam. Hierfür bedarf es auch nicht der vorherigen
Umsetzung des EuGH-Urteils in nationales Recht.
Handlungsempfehlungen für Bauprojektverantwortliche
Das
EuGH-Urteil bringt für die Vertragsparteien mehr Flexibilität und mehr
Freiheiten. Dies kann zu einem neuen Preiswettbewerb führen, unter dem
dann gegebenenfalls auch die Qualität der Leistungen leidet. Sowohl
öffentliche Auftraggeber als auch private Bauherren sollten deshalb bei
der Vergabe nicht nur auf den Preis, sondern auch auf die fachliche
Eignung und die Qualität der Planer achten. Leider ist zwischen den
Gerichten und in der Literatur noch vieles streitig – und damit noch
nicht alles absolut sicher. Deshalb sollten Preisvereinbarungen
vorsorglich auch weiterhin bei Auftragserteilung schriftlich getroffen
werden.
Autor: Philipp Scharfenberg, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
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Drei Fragen an …
IKZ-FACHPLANER: Das EuGH-Urteil hat unter Bauprojekt-Verantwortlichen für Unruhe gesorgt. Wie bewerten Sie das Urteil?
Philipp Scharfenberg:
Das Urteil ist richtungsweisend sowohl für Auftraggeber als auch
Aufragnehmer. Deutschland – als EU-Mitgliedsstaat – muss nun handeln und
die vom EuGH festgestellten Rechtsverstöße beseitigen. Ich erachte es
derzeit als überwiegend wahrscheinlich, dass die HOAI nicht generell
abgeschafft wird, sondern lediglich unter Beachtung der
EuGH-Entscheidung angepasst wird – bspw. als eine neue HOAI 2020.
IKZ-FACHPLANER: Wie sollten Betroffene auf das Urteil reagieren?
Philipp Scharfenberg: Die
vertraglichen Vereinbarungen zum Honorar rücken nun noch weiter in den
Vordergrund, da die Mindest- und Höchstsätze der HOAI grundsätzlich
nicht mehr verbindlich sein sollen. Die Vertragspartner sind also gut
beraten, das Honorar bzw. dessen Berechnung im Vertrag bei
Auftragserteilung ausdrücklich zu regeln. Öffentliche Auftraggeber
müssen zudem beachten, dass sie im Rahmen des Vergabeverfahrens keine
Angebote allein wegen Unterschreitung der Mindestsätze ausschließen und
nicht den Vergütungsrahmen der HOAI vorgeben.
Wer im Übrigen
weiterhin auf Basis der HOAI eine Vergütung wünscht, sollte dies
ebenfalls vertraglich so festhalten. Umgekehrt sollten sich
Auftragnehmer zukünftig nicht (mehr) darauf verlassen, ein ursprünglich
niedriges Honorar nachträglich noch auf die Mindestsätze zu heben. Die
auf Basis des EuGH-Urteils ergangenen nationalen Entscheidungen von
verschiedenen Oberlandesgerichten1) zeigen jedoch, dass
bislang die Folgen der EuGH-Entscheidungen von den Gerichten
unterschiedlich, zum Teil gegensätzlich, beurteilt werden. Hier hoffe
ich, dass der Bundesgerichtshof alsbald Klarheit in der Sache schafft.
IKZ-FACHPLANER: Raten Sie den Bauprojekt-Verantwortlichen weiterhin zur Umsetzung bzw. Beachtung der HOAI?
Philipp Scharfenberg: Ob
die HOAI weiter im Rahmen von Verträgen beachtet werden soll, hängt
letztlich davon ab, aus welchem Blickwinkel man dies betrachtet. Da nach
meiner Erfahrung bislang häufig Honorare unterhalb der Mindestsätze
gezahlt bzw. vereinbart wurden, wird es zumindest für Auftraggeber
sinnvoll sein, auf Regelungen im Vertrag zu verzichten, die auf die
Mindestpreisregelung der HOAI. bspw.
§ 7 Abs. 1 HOAI, verweisen. Ob
die Mindestsatzfiktion des § 7 Abs. 5 HOAI – diese regelt, dass die
Mindestsätze gelten, wenn nicht bei Auftragserteilung etwas anderes
schriftlich vereinbart worden ist – noch wirksam ist, ist derzeit noch
umstritten. Vorsorglich sollte jedenfalls derjenige, der ein von den
Mindestsätzen abweichendes Honorar wünscht, das Formerfordernis des § 7
Abs. 5 HOAI, also die Schriftform bei Auftragserteilung, beachten.
1) Bspw. OLG Celle, Urteil vom 14.08.2019 – 14 U 198/18 einerseits und KG Berlin, Beschluss vom 19.08.2019 – 21 U 20/19 andererseits
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