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Unternehmensnachfolge – wie viel ist mein Betrieb wert?



Unternehmensnachfolge – wie viel ist mein Betrieb wert?Bild: AdobeStock – cirquedesprit
Bild: AdobeStock – cirquedesprit 

19. April 2023

Bewertung von Handwerksbetrieben mittels AWH-Verfahren
Jedes Jahr werden in Deutschland zahlreiche Handwerksbetriebe an Nachfolger übergeben. Damit die Betriebsnachfolge erfolgreich verläuft, sollte sie umfassend geplant und vorbereitet werden. Zu den Voraussetzungen gehört auch eine realistische Unternehmensbewertung.


Die Betriebsübergabe ist ein strategisches Thema, das einen Vorlauf von mehreren Jahren haben sollte, Leistungsspektrum, Personalmanagement, Investitionstätigkeit und Standortsicherheit sind nur Beispiele aus einer Vielzahl von Aspekten, die rechtzeitig berücksichtigt werden müssen, um die Weichen für die Bestandssicherung zu stellen. Sowohl bei einer familieninternen Nachfolge im Wege der Schenkung oder Erbfolge als auch bei einer Übergabe an Dritte, einem Verkauf, stellt sich die Frage des Unternehmenswerts. Dieser spielt zudem auch bei der Aufnahme neuer oder dem Ausscheiden bestehender Gesellschafter eine Rolle.
Bei einer Übergabe kommt es häufig vor, dass Erwerber und Veräußerer von völlig unterschiedlichen Wert- und Preisvorstellungen ausgehen. Viele Betriebsinhaber haben eine falsche Vorstellung davon, wie viel ihr Unternehmen wert sein könnte. Ein überhöhter Kaufpreis, eine zu hohe Pacht oder übertriebene Ausgleichszahlungen des Nachfolgers an andere Erben, können erhebliche Probleme mit sich bringen:

  • Sie machen es für den Übergeber schwierig oder sogar unmöglich, einen Nachfolger zu finden, der bereit und in der Lage ist, diese Beträge zu bezahlen.
  • Der Nachfolger läuft Gefahr, dass die finanziellen Belastungen aus der Übernahme zu hoch sind und er seinen Betrieb nicht mehr wirtschaftlich führen kann. Der Bestand des Unternehmens wird gefährdet.

Aus diesen Gründen ist es wichtig, den Unternehmenswert objektiv und nach anerkannten Regeln zu ermitteln. Dies schafft eine faire Verhandlungsbasis für Käufer und Verkäufer.

Bewertungsverfahren für das Handwerk
Die „Arbeitsgemeinschaft der Wert ermittelnden Betriebsberater im Handwerk“ (AWH) hat ein Verfahren1) entwickelt, das die Besonderheiten von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) und hier insbesondere von Handwerksbetrieben, bei der Unternehmensbewertung berücksichtigt.
Das seit vielen Jahren eingesetzte und steuerlich anerkannte AWH-Verfahren ermittelt finanzmathematisch einen Ertragswert als Basis einer ewigen Rente. Dabei werden ein neutralisierter (also von einmaligen oder außerordentlichen Einflüssen bereinigter) Ertrag des Betriebes sowie zum Zwecke der Abzinsung (Ermittlung des Wertverfalls über einen Zeitraum) ein Kapitalisierungszinssatz ermittelt. Das AWH-Verfahren arbeitet dafür mit zwei Komponenten, nämlich dem Substanzwert des Anlagevermögens und dem Ertragswert des Betriebs.
Substanzwert und Ertragswert sind eng miteinander verwoben. Der Substanzwert bildet die Wertuntergrenze ab und ist zusammen mit der Restnutzungsdauer unter anderem die Berechnungsgrundlage für die kalkulatorische Abschreibung. Der Ertragswert errechnet sich durch Kapitalisierung der zukünftig zu erzielenden Überschüsse.

Substanzwert – Beispiel
Maschinen und Geräte: 20.000 €
Fahrzeug: 15.000 €
Betriebsnotwendiger
Materialbestand: 5000 €
Summe 40.000 €

Ertragswert – Beispiel
Das Handwerksunternehmen wird als Einzelunternehmen geführt und arbeitet in eigenen Räumen.
Der durchschnittliche und gewichtete Jahresüberschuss der letzten 4 Jahre beträgt 100.000 €.

Ermittlung des Ertragswerts für ein Einzelunternehmen
Gewichteter Jahresüberschuss der letzten Jahre (bereinigt um einmalige Effekte wie Erträge aus dem Verkauf von Anlagevermögen) 100.000 Euro
./. kalkulatorischer Unternehmerlohn -60.000 Euro
+ steuerliche AfA +10.000 Euro
./. kalkulatorische
Abschreibung -5000 Euro
./. kalkulatorische Miete -20.000 Euro
= betriebswirtschaftliches Ergebnis 25.000 Euro
./. typisierte Einkommensteuer 35% -8750 Euro

= betriebswirtschaftliches Ergebnis nach Steuern (im Sinne der eigentlichen Rendite) 16.250 Euro

Für die Berechnung des Ertragswerts muss hier noch ein Kapitalisierungszinssatz angewendet werden, der stets individuell ermittelt wird. Im Prinzip sagt dieser aus, „wie oft“ diese Rendite pro Jahr entrichtet werden soll, beziehungsweise in welchem Zeitraum dem Nachfolger die Tilgung eines zur Kaufpreisfinanzierung aufgenommenen Darlehens gelingen kann.

Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes
Im Vergleich zur Bewertung von Industriebetrieben ist der Kapitalisierungszins bei der Bewertung von Handwerksbetrieben häufig höher. Trotzdem, oder vielmehr deshalb, ist das AWH-Verfahren marktgerecht, weil die für Handwerksbetriebe typischen Faktoren in die Bewertung einfließen.
Der Unternehmenswert wird durch folgende typische Faktoren für den Kapitalisierungszins geprägt:

  • die Abhängigkeit vom Inhaber
  • die Kundenabhängigkeit
  • das Produkt- und Leistungsprogramm (Meisterzwang begrenzt eine Ausweitung der Geschäftstätigkeit)
  • die Wettbewerbssituation
  • die Betriebsausstattung
  • die Beschäftigtenstruktur

Jeder dieser Faktoren führt zu einem Aufschlag auf den Kapitalisierungszins.
Eine eingehende Analyse des Betriebs mit Blick auf die genannten Faktoren macht eine Unternehmensbewertung überhaupt erst möglich.
Ein Kapitalisierungszins von 25% (die langjährigen Mittelwerte beim AWH liegen zwischen 20% und 25%) führt beim oben genannten Beispielergebnis nach Steuern mit 16 250 Euro zu einem Ertragswert von 65.000 Euro.
Im genannten Beispiel ist der Ertragswert größer als der Substanzwert und beinhaltet die Grundlagen des Unternehmens als intakte Einkommensquelle, also das betriebsnotwendige Anlagevermögen sowie den betriebsnotwendigen Materialbestand.
Die eigentliche Attraktivität des Betriebs kommt erst im Firmenwert zum Ausdruck, der der Differenz aus Ertrags- und Substanzwert entspricht. Der Firmenwert resultiert in erster Linie aus einem guten Unternehmensruf sowie den Kunden und den Mitarbeitern. Der Wert ist eine der Grundlagen für die Preisverhandlungen, bzw. für Entscheidungen über familieninterne Ausgleichszahlungen.
Es empfiehlt sich, für die Betriebsübergabe eine Beratung in Anspruch zu nehmen, z. B. bei der Handwerkskammer. Mehrere Kammern verfügen über spezielle Nachfolgemoderatoren, die eine Übergabe aktiv begleiten. Auch einige Innungen bieten Rechts- oder Betriebsberatung zum Thema Nachfolge an.

Autor: Dipl.-Wirtschaftsingenieur Bernd Juhl, Sachverständiger für Unternehmensbewertungen (AWH)

www.berndjuhl.de

1) https://www.zdh.de/ueber-uns/fachbereich-gewerbefoerderung/betriebsnachfolge/das-awh-verfahren-zur-bewertung-von-handwerksbetrieben/


Tipps für eine erfolgreiche Betriebsübergabe
1. Planen Sie Ihre Betriebsübergabe rechtzeitig, ohne Zeitdruck und mit klar formulierten Zielen. Kalkulieren Sie dabei eine Vorlaufzeit von 3 bis 5 Jahren ein. Es könnte sein, dass Sie sich auf einen Nachfolger festgelegt haben und die Verhandlungen scheitern. Dann beginnt die Suche nach einem neuen potenziellen Übernehmer von vorne.
2. Erstellen und formulieren Sie Ihr Konzept umfassend und mit allen vorhersehbaren Konsequenzen. Legen Sie einen genauen schriftlichen Fahrplan für die Betriebsübergabe fest, und setzen Sie hierfür realistische Erledigungsfristen.
3. Zu einem vernünftigen Finanzierungskonzept sind ausreichendes Eigenkapital des Übernehmers und eine realistische Kaufpreisvorstellung des Übergebers notwendig. Die Kreditinstitute verlangen häufig, dass sich auch der Verkäufer an der Finanzierung beteiligt, beispielsweise, indem er ein Verkäuferdarlehen gewährt oder für einen Teil des Kaufpreises bürgt.
4. Suchen Sie zur Ermittlung des Kaufpreises und der Übergabeabwicklung Rat bei Dritten. Die Handwerkskammern bieten eine neutrale Ertragswertermittlung nach dem AWH- Verfahren an. Dies kann die Basis für die Kaufpreisverhandlung sein.
5. Wenn Sie den Betrieb innerhalb der Familie übergeben: Beziehen Sie alle Familienmitglieder mit ein und besprechen Sie auch die erbrechtlichen Aspekte. Ziehen Sie zu diesem Aspekt einen erfahrenen Steuerberater oder einen Fachanwalt hinzu.
6. Sichern Sie das mit Ihrem Nachfolger abzustimmende (und abgestimmte) Übergabekonzept durch schriftliche Verträge ab. Wenden Sie sich wegen der Verträge an einen Rechtsanwalt.
7.Halten Sie weiterhin, solange ein Nachfolger noch nicht feststeht, Ihren Betrieb auf dem neuesten Stand, investieren Sie in die technische Ausstattung und das Know-how Ihrer Mitarbeiter und passen Sie gegebenenfalls Ihre Produktpalette an. Je zukunftsfähiger Ihr Betrieb, desto höher stehen Ihre Chancen, ihn angemessen zu übergeben.
8. Denken sie bei der Suche nach einem Nachfolger auch an Ihre derzeitigen oder an frühere Mitarbeiter.
9. Achten Sie bei Ihrem Nachfolger darauf, dass er nicht nur fachlich qualifiziert ist, sondern auch unternehmerische Fähigkeiten besitzt. Dazu gehören Sozialkompetenz und Entscheidungskraft sowie physische und psychische Belastbarkeit. Ein wesentlicher Aspekt ist auch die Unterstützung durch den Lebenspartner bzw. die Familie.
10. Planen Sie auch für die Übergabephase ausreichend Zeit ein. Vielleicht dauert es länger als gedacht, bis Ihr möglicher Nachfolger seinen Geschäftsplan erarbeitet und die Finanzierung gesichert hat. Ist die Übergabe „in trockenen Tüchern“, muss er sich in sein Aufgabenfeld einarbeiten. Machen Sie ihn bei Kunden und Geschäftspartnern bekannt und unterstützen Sie ihn bei der Festigung der vorhandenen Geschäftsbeziehungen.





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