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Risiken bei brennbaren Abflussrohrsystemen



Risiken bei brennbaren Abflussrohrsystemen
 
 
 
 
 
 

18. Oktober 2021

Die aktuelle Prüfnorm erlaubt es nicht, Brandabschottung nach unten zu beurteilen. Das Informationszentrum Entwässerungstechnik Guss hält das für gefährlich

Eine wichtige Maßgabe von Bauvorschriften ist die Verhinderung von Feuer- und Rauchausbreitung auf anliegende Stockwerke. Hierfür müssen Wände und Decken von Brandabschnitten raumabschließend ausgeführt werden. Abschottungen von Leitungen müssen einem Brand mindestens 90 Minuten standhalten – in alle Richtungen. Die aktuell gültige Prüfnorm fordert den Nachweis lediglich für die seitliche und nach oben gerichtete Rauchentwicklung. Das ist unzureichend, kritisiert das Informationszentrum Entwässerungstechnik Guss (IZEG). Ein Brandversuch sollte die Risiken aufzeigen.

Schützen brandschutztechnische Normen ausreichend?, fragte das IZEG und ließ Anfang 2021 von der akkreditierten Materialprüfanstalt (MPA) einen Brandversuch durchführen. Untersucht wurden verschiedene Abflussrohr- und Abschottungssysteme. Ziel war es, im Brandfall den Raumabschluss in untere Stockwerke zu prüfen. Ein Video auf YouTube, auch auf der Webseite von IZEG zu sehen (Kurzlink bit.ly/IZEGversuch), fasst die wichtigsten Punkte des Brandversuches zusammen.

Im vorliegenden Beitrag werden die Vorgehensweise und die Ergebnisse des Brandversuchs dargestellt. Grundsätzlich bemängelt das IZEG eine Uneinheitlichkeit bei den aktuell geltenden Brandschutzvorgaben.

Hintergründe des Brandversuchs

In Deutschland werden Gebäude nach Klassen eingeteilt. Vor allem höhere Gebäude (Gebäudeklassen 4 und 5, d. h. Gebäude ab 7 m bzw. 13 m Höhe gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 4 und 5 Musterbauordnung – MBO) werden in Brandabschnitte unterteilt. Haustechnische Installationen, wie z. B. Abflussrohrleitungen, durchqueren häufig Wände und Decken von Brandabschnitten.

Deshalb regeln Vorschriften wie MBO, MLAR (Muster-Leitungsanlagen-Richtlinie) und MVV TB 2019/1 (Musterverwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen), wie lange in einem Brandfall der Raumabschluss zu angrenzenden Räumen halten muss (siehe Textkasten).

Unvollständige Prüfnorm

Ob ein sicherer Brandschutz gegeben ist, muss durch Versuche nachgewiesen werden. Die maßgebliche Prüfnorm DIN EN 1366-3 verlangt für Deckenabschottungen für Abflussrohrleitungen nur eine Prüfung nach oben, jedoch nicht nach unten. Die Prüfnorm stellt ausdrücklich fest, dass das Risiko einer Brandausbreitung nach unten mit dem Testverfahren nicht beurteilt werden kann. Die Vorgaben von Musterbauordnung und Prüfnorm sind somit uneinheitlich (Bild 1), so die Feststellung des IZEG.

Die Fragestellung lautete vor diesem Hintergrund: Bleibt der Raumabschluss im Brandfall erhalten? Verschiedene Abflussrohrsysteme mit Rohrabschottungen wurden auf Verhalten und Eignung im Brandfall geprüft. Im Fokus stand die Wirkung auf den in der Musterbauordnung geforderten Raumabschluss von Decken, insbesondere der Kategorien „feuerbeständig“ und „hochfeuerhemmend“. Abschottungen von Leitungen, die durch Zwischendecken in Gebäudeklasse 5 durchgeführt werden, müssen einem Brand mindestens 90 Minuten standhalten.

Versuchsaufbau

Die Installation eines gusseisernen SML-Abflussrohrsystems und verschiedener Abflussrohrsysteme aus Kunststoff erfolgte in einem Versuchsaufbau mit drei Geschossen (Bild 2). Die Fallleitungen der Rohrsysteme (auf allen Bildern gekennzeichnet durch D1 bis D6) durchliefen einen Raum, in dem ein Brand gemäß Einheitstemperaturkurve erzeugt wurde. Die Leitungen durchdrangen eine Decke nach oben und einen Fußboden nach unten, wo sie in einem waagerecht verlaufenden Verzug endeten. Die Versuchsdauer betrug 90 Minuten.

Ergebnisse

Die Bilder 3 bis 5 stammen aus dem 90-minütigen Brandversuch. Sie zeigen jeweils den Moment, an dem die jeweiligen Installationssysteme mit Rauchentwicklung oder Brandweiterleitung reagierten. Oberhalb des Brandraumes konnten alle geprüften Rohrsysteme über die gesamte Dauer die Abschottungsrichtlinien einhalten. Die Abschottung der ersten Kunststoffrohrsysteme nach unten versagte nach 15 Min. (D1 u. D2). Nach 31 Minuten verlor das letzte der Kunststoffrohrsysteme den Raumabschluss nach unten (D5). Lediglich das gusseiserne Abflussrohrsystem konnte den Raumabschluss über den Prüfzeitraum von 90 Minuten aufrechterhalten. Damit böten diese Systeme, stellt das IZEG abschließend fest, über den Prüfzeitraum hinweg einen sicheren Raumabschluss in alle Richtungen. Es komme weder zu Rauchentwicklung in anliegenden Räumen noch zu Flammenbildung im unteren Raum. Die Temperaturen aus dem Brandraum würden nicht weitergeleitet, auch öffne sich die Leitung nicht oder reiße ab.

Die Ergebnisse des Brandversuchs zeigen nach Einschätzung des IZEG, dass im Brandfall in Gebäuden mit brennbaren Abflussrohrsystemen bedeutende Gefahren bestehen. Diese reichen von Rauchentwicklung über Flammenbildung, überhöhte Temperaturen bis zum Herabfallen brennender Teile. Weitere Informationen zu den brandschutztechnischen Anforderungen als Versuchsgrundlage, zu Fragestellungen, Versuchsaufbau, Durchführung des Versuchs sowie den Ergebnissen finden sich auf der Homepage des Verbandes.

Bilder: IZEG

izeg.de/brandversuch-2021

Nachgefragt

IKZ-HAUSTECHNIK: Die Norm sieht eine Prüfung des Raumabschlusses nach unten explizit nicht vor – warum eigentlich nicht?

Jessica Henning: Die Bauordnungen der Länder und darauf aufbauende Verwaltungsvorschriften, wie MVV TB und MLAR, verlangen explizit Brandschutz in alle Richtungen. Also nach oben, rechts, links und selbstverständlich auch nach unten. Unser Brandversuch hat gezeigt, dass keines der brennbaren Systeme den Raumabschluss nach unten länger als 31 Minuten gewährleisten konnte, teilweise sogar nur 15 Minuten. Im unteren Beobachtungsraum gab es offenes Feuer aus den Rohrdurchführungen und gefährliche Rauchentwicklung. Geschmolzene Kunststoffteile brannten auf dem Boden weiter.

Deswegen ist es nicht nachvollziehbar, dass die Prüfnorm eine Richtung, nämlich die nach unten, ausspart. Vermutlich liegt es an dem physikalischen Problem, dass Rohrmanschetten, wie sie beispielsweise bei Kunststoff-Rohrsystemen eingesetzt werden, aufgrund der nach unten geringeren Temperatureinwirkung nicht oder nicht rechtzeitig schließen können. Aber es geht hier um die Sicherheit von Menschen. Deshalb kann das nicht der Maßstab für den vorbeugenden Brandschutz sein, wenn es sichere Systeme gibt.

IKZ-HAUSTECHNIK: Kritiker erachten den Brandversuch als nicht relevant, weil er mit den normativen Anforderungen nicht in Einklang stehe, man wolle vielmehr den Werkstoff Guss ins rechte Licht rücken.

Jessica Henning: Das ist so nicht richtig. Hohe Güter, wie Leben und körperliche Unversehrtheit, genießen selbstverständlich den gleichen Schutz, unabhängig davon, ob sich Personen oberhalb oder unterhalb des Brandraums aufhalten. So sehen es auch Bauordnungen der Länder und Verwaltungsvorschriften vor. Deshalb ist der Brandversuch sehr wohl im Einklang mit den normativen Anforderungen. Der Anlass war ja, die aus Sicht der IZEG bestehende Diskrepanz zwischen den materiellen Brandverhütungsvorschriften und Prüfnormen zu verdeutlichen. Guss kann im Gegensatz zu Kunststoffrohrsystemen diesen Schutz in alle Richtungen sicherstellen. Das ist eine durch mehrere Brandversuche bewiesene Tatsache.

IKZ-HAUSTECHNIK: Die Ergebnisse des Brandversuches transportieren Sie derzeit in die Fachwelt. Ändern wird sich dadurch wohl nichts. War’s das nun?

Jessica Henning: Wir hoffen nicht, dass es das war. Das Deutsche Institut für Bautechnik ist nun am Zug. Da Gefahren aus Bränden nach unten bewiesenermaßen erheblich sind, ist es an der Zeit, Prüfnormen zu entwickeln und zu beschließen, die auch eine Testung der Brand- und Rauchweiterleitung nach unten vorsehen. Soweit Systeme, unabhängig aus welchem Werkstoff, diese Tests nicht bestehen, kann die Konsequenz nur sein, dass sie nicht in Gebäuden der Gebäudeklassen 4 und 5 eingebaut werden dürfen. Derzeit noch vorhandene abZ und abG für solche unsicheren Systeme sind aus unserer Sicht zu widerrufen.

Genauso wichtig finden wir aber, dass die Gefahren bekannt sind, und jeder für sich auf Basis objektiver Daten entscheiden kann, welche Materialien verbaut werden sollen, und welche Risiken in Kauf genommen werden können.

Wir haben dazu eine klare Meinung.

Brandschutztechnische Anforderungen an Abwasserleitungen im Detail

§ 40 Abs. 1 MBO: Derartige Leitungen dürfen durch raumabschließende Bauteile (Wände und Decken), für die eine Feuerwiderstandsfähigkeit vorgeschrieben ist, nur hindurchgeführt werden, wenn nicht zu befürchten ist, dass sich der Brand in nächster Zeit ausbreiten wird.

§ 31 MBO: Zwischendecken müssen als raumabschließende Bauteile in Gebäudeklasse 5 feuerbeständig, und in Gebäudeklasse 4 hochfeuerhemmend ausgebildet sein. Dies bedeutet, dass feuerbeständige Bauteile einem Brand 90 Minuten, und hochfeuerhemmende Bauteile einem Brand 60 Minuten standhalten müssen (DIN 4102-2:1977-09).

MLAR 2015, Ziffer 4.1: Folglich müssen auch bestimmte Leitungen bzw. ihre Abschottungen die gleiche Feuerwiderstandsfähigkeit aufweisen. Nur mit der gleichen Feuerwiderstandsfähigkeit ist die notwendige Sicherheit des Brandabschlusses erreichbar.

MVV TB, Ziffer A.2.1.3.3.1: Soweit nichts anders bestimmt ist, bezieht sich die Feuerwiderstandsfähigkeit auf jede der möglichen Brandwirkungsrichtungen (z. B. sowohl von innen nach außen, als auch von außen nach innen; sowohl von oben nach unten, als auch von unten nach oben).


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