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StartseiteWissenNewsProblembereich Kaltwasser
23. Mai 2019
Innere und äußere Wärmelasten führen zu unzulässiger Erwärmung in Trinkwasser-Installationen. Kaltwasserzirkulation als aktive Maßnahme zur Temperaturhaltung
Das Risiko des Wachstums und der Vermehrung von Legionellen in Trinkwasserinstallationen von Gebäuden wurde in der Vergangenheit in erster Linie im Trinkwasser Warm – besonders Trinkwassererwärmer und zugehörige Warmwasser- bzw. Zirkulationsleitungen – gesehen. Die Trinkwasserverordnung regelte daher im § 14 die gesetzliche Untersuchungspflicht auf Legionellen nur für Großanlagen zur Trinkwassererwärmung. Publikationen spätestens ab Mitte 2010 machen aber deutlich, dass erhebliche Kontaminationen mit Legionellen nicht nur im Trinkwasser Warm (PWH), sondern auch im kalten Trinkwasser (PWC) erwartet werden müssen. Der Beitrag beschreibt die Ursachen und zeigt Lösungsmöglichkeiten auf.
Grundlagen der Trinkwasserhygiene
Stagnation ist
der wohl kritischste Faktor für die Vermehrung fakultativ-pathogener
Krankheitserreger. Neuere Untersuchungen aus der Mikrobiomforschung
zeigen, dass schon 12 Stunden Stagnation ausreichend sind, um eine
signifikante Erhöhung der Bakterienzahlen zu verursachen. Darüber hinaus
kann ein länger andauernder Kontakt von Trinkwasser mit Rohrleitungs-
und Armaturenwerkstoffen zu einer Aufkonzentration von Nährstoffen durch
Migration von Werkstoffbestandteilen in das Trinkwasser führen. Die
Kombination aus Werkstoffqualität (z. B. nicht DIN EN 16421 geprüfte
Materialien), Stagnation und Wasserbeschaffenheit ist ursächlich für
eine starke Biofilm-Entwicklung, in dessen Schutz sich auch
Krankheitserreger vermehren können. Nicht zuletzt unterbleibt in
Stagnationsphasen der Abtransport der in den Wasserkörper gelangten
Nährstoffe und Mikroorganismen. Stagnation hat darüber hinaus auch
(negativen) Einfluss auf das Temperaturniveau im Rohrnetz. Und das hat
gleich mehrere Gründe.
Einfluss innerer Wärmelasten
In
Installationsbereichen beispielsweise sorgen neben warmgehenden
Leitungen der Sanitär- und Heizungstechnik weitere Wärmequellen – etwa
aus der Elektro- und Klimatechnik – für Lufttemperaturen, die
erfahrungsgemäß deutlich höher liegen als 25 °C. Der Wasserinhalt einer
hier installierten kalten Trinkwasserleitung würde selbst bei
hochwertiger Dämmung gemäß DIN 1988-200 in einer kurzen Stagnationsphase
bis auf Umgebungstemperatur erwärmt werden. Die Folge: Bei
Wasserentnahme tritt kurzzeitig übererwärmtes Kaltwasser mit
Temperaturen > 25 °C aus der Entnahmearmatur aus (Bild 1).
Um dem
Verbraucher auch nach einer Stagnationsphase kaltes Trinkwasser mit
Temperaturen < 25 °C zur Verfügung zu stellen, müssen in einem ersten
Schritt zunächst die bisher üblichen Installationsgewohnheiten unter
der Zielsetzung einer konsequenten thermischen Entkopplung der kalten
Trinkwasserleitungen von Wärmequellen grundlegend verändert werden. Mit
planerischen Maßnahmen muss dabei die Wärmeübertragung von Wärmequellen
auf Kaltwasserleitungen reduziert bzw. unterbrochen werden.
Eine
thermische Entkopplung der kalten Trinkwasserleitungen von potenziellen
Wärmequellen lässt sich jedoch nicht immer ohne Weiteres realisieren,
wie z. B. bei horizontalen Verteilungskonzepten in temperaturkritischen
Zwischendecken. Bereits in diesem Fall kann bei zu geringem
Wasserverbrauch die vom kalten Trinkwasser aus der Umgebungsluft
aufgenommene Wärme nicht mehr abgeführt werden. Dies kann zu einer
Temperaturerhöhung des kalten Trinkwassers bis auf
Umgebungslufttemperatur führen.
Zur Temperaturhaltung müssen daher
zusätzlich aktive Prozesse etabliert werden, mindestens automatisierte
Wasserwechsel- und Spülmaßnahmen. Aktive Prozesse zur Temperaturhaltung
sind auch dann erforderlich, wenn Trinkwasserinstallationen nur
periodisch genutzt werden.
Einfluss äußerer Wärmelasten
Häufig wird
vernachlässigt, dass neben den zuvor aufgeführten inneren Wärmelasten
auch äußere Wärmelasten (Bild 2) einen erheblichen Einfluss auf die
Erwärmung des kalten Trinkwassers haben können. Im Winter sind die
Raumlufttemperaturen, die die Lufttemperaturen in Vorwänden, Schächten
oder abgehängten Decken beeinflussen, weitgehend konstant und liegen
zwischen 22 und 24 °C. Äußere Wärmelasten treten in den Wintermonaten
nicht auf, da die Raumlufttemperaturen in der Regel höher sind als die
Außenlufttemperaturen. In den Sommermonaten kehren sich die Verhältnisse
um. In nicht klimatisierten Gebäuden nähern sich dadurch in den
Sommermonaten auch die Lufttemperaturen in den Installationsräumen den
jeweils vorherrschenden Außenlufttemperaturen an. Daraus lässt sich
ableiten, dass die Temperatur des kalten Trinkwassers eher in den
Sommermonaten kritische Grenzen erreicht und auch überschreitet, als in
den Wintermonaten.
Alle vorbeschriebenen passiven Maßnahmen zur
thermischen Entkopplung, die im Winter wirksam sind, verlieren in den
Sommermonaten weitgehend an Bedeutung. Eine unzulässige
Temperaturerhöhung des kalten Trinkwassers im Winter und im Sommer über
eine vorgegebene Temperatur (z. B. 25 °C) kann daher nur mit einem
aktiven Prozess, z. B. durch temperaturgeführtes Spülen oder durch eine
aktive Kühlung verhindert werden. Digital aufgezeichnete Spülprotokolle
aus in Betrieb befindlichen Anlagen bestätigen diese These.
Ein Beispiel aus der Praxis
Die Auswirkung der
Außenlufttemperaturen auf die Spülvolumina eines nicht klimatisierten
Verwaltungsgebäudes in Nordrhein-Westfalen zeigt Bild 3. In diesem
Gebäude wurden die Leitungen für das kalte Trinkwasser durch planerische
Maßnahmen von den Wärmequellen konsequent thermisch entkoppelt verlegt.
Mit dem installierten Trinkwasserhygienesystem (KHS, Kemper) kann eine
Überwachung und Begrenzung der Temperatur des kalten Trinkwassers
vorgenommen werden. Im gegebenen Fall löst das System mit Überschreiten
einer Kaltwassertemperatur von 23 °C automatisch einen Spülvorgang aus,
der mit Erreichen von 20 °C beendet wird. In den Wintermonaten wird die
Auslösetemperatur nur selten erreicht, da die Umgebungslufttemperaturen
in den Installationsräumen relativ niedrig sind. Das spiegelt sich in
den geringen Spülvolumina von ca. 45 l/Tag wider. Sobald sich die
Außenlufttemperaturen in den Sommermonaten erhöhen, sorgen die äußeren
Wärmelasten für einen deutlichen Anstieg der Temperaturen im Gebäude.
Und damit zu einem massiven Anstieg der Spülvolumina auf bis zu 9000
l/Tag.
Bild 4 zeigt ein weiteres Spülprotokoll eines KHS-Systems,
installiert in einem Krankenhaus in NRW. Die Starttemperatur für die
Auslösung einer Spülmaßnahme wurde vom verantwortlichen
Krankenhaushygieniker mit 25 °C und die Stopptemperatur mit 20 °C
vorgegeben. Bereits in den Wintermonaten reicht der Wasserwechsel durch
Wasserentnahme in diesem Objekt nicht aus, um die von den
Kaltwasserleitungen aus der Umgebung aufgenommene Wärme insgesamt
abzuführen. Offenbar wurde die thermische Entkopplung der
Kaltwasserleitungen im vorliegenden Fall nicht optimal umgesetzt – oder
sie reichte als alleinige Maßnahme nicht aus. Ohne Spülmaßnahmen würde
die Kaltwassertemperatur auch in den Wintermonaten regelmäßig auf über
25 °C ansteigen. Für eine Temperaturhaltung unter 25 °C müssen bereits
in den Wintermonaten und in den Übergangszeiten ca. 800 l/Tag
Spülvolumen aufgewendet werden. Bei steigenden Außenlufttemperaturen in
den Sommermonaten steigt das zur Temperaturhaltung notwendige
Spülvolumen überproportional an und erreicht mit ca. 8000 l/Tag das
Maximum.
Aktive Maßnahmen zur Temperaturhaltung im Kaltwasser
Vergleichende
Simulationsrechnungen zeigen, dass dezentral durchgeführte
Spülmaßnahmen, die dem reinen Wasseraustausch dienen, zur dauerhaften
Absenkung der Temperaturen in Stockwerks-/Ringleitungen weniger geeignet
sind, da die Wassertemperatur innerhalb von weniger als 2 Stunden
wieder auf Umgebungslufttemperatur ansteigt. Idealerweise muss der
Spülvolumenstrom bei einer vorgegebenen Sollwerttemperatur für das kalte
Trinkwasser genau die Wärmemenge abführen, die über die Oberfläche der
Rohrleitung aufgenommen wird. Studien haben gezeigt, dass die Abfuhr der
entsprechenden Wärme nur dann effektiv erreicht werden kann, wenn mit
geringen Volumenströmen über einen längeren Zeitraum gespült wird.
Spülmaßnahmen zur Temperaturhaltung des kalten Trinkwassers sind jedoch
nur dann ökologisch und ökonomisch sinnvoll, wenn auch in den
Sommermonaten das Trinkwasser vom WVU mit niedrigen Temperaturen
(< 15 °C) in das Gebäude eingespeist werden kann. Insbesondere bei
oberflächennaher Trinkwassergewinnung ist das in den Sommermonaten
allerdings häufig über einen längeren Zeitraum nicht der Fall. Bei
solchen Gegebenheiten kann nur eine aktive Kühlung des Trinkwassers im
Kreislauf die Einhaltung der geforderten Temperaturen zu jedem Zeitpunkt
und zu jeder Jahreszeit sicherstellen.
(Kein) zusätzliches Rohrleitungssystem erforderlich
Damit
in konventionellen Installationskonzepten ein Zirkulationssystem für
das kalte Trinkwasser realisiert werden kann, muss ein zusätzliches
Rohrleitungssystem aufgebaut werden. In Strömungsteiler-Installationen
ist das nicht erforderlich, da das bereits für die Bedarfsdeckung
vorhandene Rohrleitungssystem für die Kaltwasserzirkulation geeignet ist
und mitgenutzt werden kann (Bild 5). Bereits bestehende KHS-Anlagen
können daher meist mit geringem Aufwand von Spültechnik auf
Kaltwasserzirkulation umgestellt werden. Im Gegensatz zu konventionellen
Installationen ermöglichen Strömungsteiler-Installationen die
kontrollierte Temperaturhaltung in allen Leitungsteilen bis in den
Anschluss der Entnahmearmaturen hinein. Berechnungen zeigen, dass
aufgrund der geringen Temperaturdifferenzen zwischen der Umgebungsluft
und dem kalten Trinkwasser der Wärmeeintrag – und damit auch die
Leistung des erforderlichen Kälteaggregates – relativ gering ist (Bild
6).
Über den „KHS Coolflow“-Kaltwasserkühler (Bild 7) von Kemper
wird dem erwärmten Kaltwasser die Wärme entzogen und abgeführt. Die
vormontierte Kompakteinheit mit integrierter Zirkulationspumpe
beinhaltet bereits alle benötigten Komponenten der Trinkwasserseite, ist
diffusionsdicht gedämmt und vorkonfiguriert.
Im Gegensatz zur
Warmwasserzirkulation mit wesentlich höheren Temperaturdifferenzen sind
daher auch die zur Temperaturhaltung erforderlichen Volumenströme in
Kaltwasser-Zirkulationssystemen eher gering. Aus diesem Grund weisen die
für den hydraulischen Abgleich benötigten Regulierventile sehr niedrige
kV-Werte auf. Zudem muss bei länger andauerndem Zirkulationsbetrieb
ohne Wasserentnahme der Aufkonzentration der Wasserinhaltsstoffe durch
einen gezielten Wasseraustausch entgegengewirkt werden. Kemper hat für
diese Aufgabenstellungen ein spezielles Ventil (Bild 8) entwickelt, in
dem die Funktionen Spülen, Regulieren und Absperren vereint sind.
Der
rechnerische Nachweis der Temperaturhaltung kann mit der Software
„Dendrit Studio 2.0“ erfolgen. Durch die mögliche Annahme von
realistischen Umgebungslufttemperaturen in der Berechnung und der
Simulation wird die Planungssicherheit nochmals deutlich erhöht.
Sinnvolle Umgebungslufttemperaturen werden auf Basis von gemessenen
realen Temperaturen vorgeschlagen.
Fazit
Zur Reduzierung des Wärmeübergangs auf das
kalte Trinkwasser müssen zunächst alle passiven Maßnahmen zur
thermischen Entkopplung genutzt werden. Trotz Realisierung dieser
Maßnahmen muss in den Sommermonaten, bei Wassereintrittstemperaturen in
das Gebäude > 20 °C und Raumlufttemperaturen > 25 °C, damit
gerechnet werden, dass die Temperatur des kalten Trinkwassers
längerfristig über 25 °C ansteigt. Damit eine durch die Aufgabenstellung
vorgegebene Temperaturgrenze für das kalte Trinkwasser zu jedem
Zeitpunkt vom Betreiber eingehalten werden kann, bedarf es eines aktiven
Prozesses. Da auch manuell ausgelöste oder temperaturgeführte
Spülprozesse limitiert sind, empfiehlt sich als leistungsfähige und
kostengünstige Alternative zur automatischen Temperaturhaltung die
Kaltwasserkühlung des kalten Trinkwassers in
Strömungsteiler-Installationen. Mit der definierten Durchströmung aller
Leitungsteile im Kemper Hygiene System (KHS) kann zu jeder Zeit – auch
in den Sommermonaten – eine vorgegebene Temperatur des kalten
Trinkwassers (z. B. < 20 °C) vor jedem Armaturenanschluss
sichergestellt werden, ohne dass Wasserverluste durch Spülmaßnahmen zur
Temperaturhaltung entstehen. Gemeinsam mit der Zirkulation des
Warmwassers bis unmittelbar vor die Entnahmestellen kann eine durch die
Trinkwasserhygiene geforderte Temperaturhaltung sowohl im kalten als
auch im erwärmten Trinkwasser sichergestellt werden.
Autoren: Timo Kirchhoff M. Eng., Prof. Werner Mathys, Prof. Bernd Rickmann, Prof. Carsten Bäcker
Bilder: Kemper
Regelmäßige Temperaturüberschreitungen im Sommer
Im
vergangenen Jahr überschritt am Flughafen Köln-Bonn die
Außenlufttemperatur an fast 150 Tagen den Wert von 20 °C, an mehr als 90
Tagen war es mindestens 25 °C warm. Das macht deutlich, dass die
Temperaturprobleme in Trinkwasser-Installationen, verursacht durch
äußere Wärmelasten, über mehrere Monate andauern. Es ist daher nicht
zufällig, dass Infektionen mit Legionellen gehäuft in den Sommermonaten
auftreten.
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