Zurück zu News
 
× Startseite

Einstellungen | Mein Account
IKZ select Logo
Suchen          Support & Kontakt       Mein Account
IKZ select Logo

Lieber Gast, um alle Inhalte sehen zu können, müssen Sie angemeldet sein! Jetzt registrieren oder einloggen.

StartseiteWissenNews„Notfallplan in der Tasche haben“

„Notfallplan in der Tasche haben“



„Notfallplan in der Tasche haben“
 
 

30. April 2019

Im deutschen Handwerk droht ein Unternehmermangel. Expertin Dr. Birgit Felden gibt Tipps, wie die Nachfolgesuche erfolgreich sein kann

Die Suche nach Fachkräften ist längst Alltag, da droht im deutschen Handwerk neues Ungemach: ein Unternehmermangel. Laut dem Zentralverband des deutschen Handwerks (ZDH) suchen Tausende Betriebe bis zum Jahr 2020 einen Nachfolger. Ohne geeignete Persönlichkeit an der Unternehmensspitze sind der Verlust von Know-how und nicht zuletzt von Ausbildungs- und Arbeitskräften möglich. Wann sollte die Nachfolgeplanung gestartet und was bei einer Übergabe beachtet werden? Fragen, die Dr. Birgit Felden, Expertin für Unternehmensnachfolge, im IKZ-Interview beantwortet.

IKZ-Haustechnik: Viele Handwerksbetriebe haben Schwierigkeiten, einen Nachfolger zu finden. Warum?
Dr. Birgit Felden: Dass die Unternehmensnachfolge für Handwerksbetriebe eine existenzielle Hürde darstellt, hat diverse Ursachen: Die Komplexität, der oft unterschätzte Zeitbedarf, die vielen Beteiligten und weitere Stolpersteine charakterisieren viele Nachfolgeprozesse. Also besser zu früh als zu spät anfangen. Denn neben den betriebswirtschaftlichen, rechtlichen und steuerlichen Aspekten braucht die emotionale Seite dieses Themas Zeit. Für Seniorchef oder Seniorchefin ist das Unternehmen oft Lebenswerk. Viele Verkäufe scheitern, weil Verkäufer und Käufer extrem unterschiedliche Vorstellungen über den Kaufpreis haben. Der Rückzug und die Übergabe an jemanden, der vielleicht auch andere Akzente setzt und Dinge anders angeht, sind schwer. Wenn ich mein Ebenbild nur halt 30 Jahre jünger suche, werde ich aber keinen Nachfolger finden. Und Nachfolge bedeutet auch den Verlust von Macht und Status. Der Fall in das berühmt-berüchtigte schwarze Loch droht, auch wenn das selten offen angesprochen wird.

IKZ-Haustechnik:
Welche Variante der Unternehmensnachfolge ist die beste?
Dr. Birgit Felden: Es gibt da nicht „die beste“! In meinen jetzt über 25 Berufsjahren als Beraterin habe ich sehr viele Übergabesituationen kennenlernen können und weiß, wann etwas funktioniert – und wann nicht. Im Grunde enthält mein Werkzeugkasten erprobte Lösungsstrukturen, die ich versuche, mit einer gegebenen Situation zur Deckung zu bringen. Nehmen Sie die Eigentums- und Führungsübertragung: Hier können Sie – abstrakt gesagt – Führung in der Familie übertragen, Sie können ein gemischtes Management einsetzen oder Sie können einen fremden Geschäftsführer installieren. Genauso können Sie auf der Eigentumsseite das Eigentum in der Familie halten, jemanden – z. B. Mitarbeiter – beteiligen oder auch an einen Externen verkaufen. Hieraus ergibt sich eine Handlungsmatrix. Mit einem solchen Raster gelingt es aller Erfahrung nach – auch in einer auf den ersten Blick verworrenen Situation – Komplexität zu reduzieren.

IKZ-Haustechnik: Wann sollten Inhaber mit der Nachfolgeplanung beginnen?
Dr. Birgit Felden: Ich empfehle, drei bis fünf Jahre Vorlauf einzuplanen, egal ob das Unternehmen verkauft oder eine interne Regelung gefunden werden soll. Für falsch halte ich es, die Übergabe selbst an einem konkreten Alter festzumachen. Es ist das Privileg von Unternehmern, nicht mit dem gesetzlichen Rentenalter aufhören zu müssen. Genauso ist es aber eine Verpflichtung dafür zu sorgen, dass ihre Unternehmen für die Zukunft gut aufgestellt sind. Und das dauert. Nicht nur deshalb, weil Nachfolger gefunden werden, sondern auch viele finanzielle und rechtliche Dinge geregelt werden müssen. Nach meinen Erfahrungen ist ein detaillierter Nachfolgeplan das wesentliche Erfolgsinstrument für eine problemlose Unternehmensübertragung.

IKZ-Haustechnik: Falls die klassische Form einer Nachfolge – die Abgabe in der Familie – nicht möglich sein sollte: Was sollte ein Unternehmer dann tun?
Dr. Birgit Felden: Er beginnt mit einer soliden Bestandsaufnahme und Analyse der Ausgangssituation. Ganz wichtig ist die Zielsetzung des verkaufswilligen Unternehmers. Geht es um die Sicherung der Arbeitsplätze? Dann darf das Unternehmen nicht an einen Konzern oder an den Hauptkonkurrenten gehen. Steht der gesamte Betrieb zur Disposition? Oder nur bestimmte Teile? Läuft der Betrieb nicht optimal, kann ein Teilverkauf günstig sein. Was soll mit den Immobilien passieren? Womöglich sind diese wertvoller als der operative Betrieb. Die Klärung dieser Fragen hilft, den Interessentenkreis übersichtlicher zu machen.

IKZ-Haustechnik: Was kann noch hilfreich sein?
Dr. Birgit Felden: Die Betriebsveräußerung aus der Perspektive eines möglichen Käufers zu betrachten: Wie gut ist das Unternehmen aufgestellt? Ist der Betrieb wettbewerbsfähig? Wie stabil entwickelt er sich in den nächsten Jahren? Kann das Unternehmen unabhängig von den bisherigen Inhabern geführt werden? Wie ist die Bilanz gestaltet? Werden realistische Gewinne ausgewiesen oder liegt die Priorität eher auf der Steuerminimierung? Welche finanzielle Basis gibt es? Darüber hinaus geht es um die Qualifikation: Was müssen der oder die Übernehmenden können, um die Geschäfte erfolgreich zu führen? Und wo finde ich solche Menschen? Eine gute Quelle sind die Kammern, die mit ihren Meisterkursen Zugang zu potenziellen Nachfolgern haben.

IKZ-Haustechnik: Was ist bei der Finanzierung zu beachten?
Dr. Birgit Felden: Wesentlich für die Finanzierung ist eine solide Unternehmensbewertung. Sie ist die Gesprächsgrundlage für den jetzigen und den potenziellen zukünftigen Inhaber. Sie legt offen, ob der verkaufswillige Inhaber überhaupt von kompatiblen Vorstellungen ausgeht. Grundsätzlich muss jeder Betrieb individuell bewertet werden. Dabei können unterschiedliche Bewertungsmethoden richtig sein.

IKZ-Haustechnik: Welche?
Dr. Birgit Felden: Sind bei dem einen Unternehmen die Gewinne die ausschlaggebende Bewertungsbasis, sind es bei einem anderen die Vermögenswerte, die in Maschinen oder im Warenlager gebunden sind. Die Verwendung allgemeiner Durchschnittsmultiplikatoren kann daher kaum zu einer plausiblen Wertermittlung führen. Eine transparente und plausible Wert­ermittlung setzt deshalb die detaillierte vorherige Analyse des Unternehmens voraus. Der gesamte Betrieb muss auf seine Stärken und Schwächen, Chancen und Risiken eingehend durchleuchtet werden. Dieser Vorgang umfasst sowohl die Produkte, den Markt, die Kunden- und Lieferantenstruktur, die Organisation, das Management sowie die Beurteilung bisher getroffener Notfall- und Nachfolgeregelungen und auch die Analyse der Unternehmenszahlen. Was im Zuge dessen außerdem niemals fehlen darf, ist eine Kapitaldienstfähigkeitsberechnung, die zeigt, ob der anvisierte Wert oder Kaufpreis bei einer angenommenen Finanzierungsstruktur überhaupt finanzierbar ist. Wir haben in einem Forschungsprojekt für das Bundeswirtschaftsministerium einen KMU-Rechner entwickelt, der auch für Handwerksbetriebe gut geeignet ist und unter www.kmurechner.de kostenlos zur Verfügung steht.

IKZ-Haustechnik: Auf welche Details sollte bei Verträgen geachtet werden?
Dr. Birgit Felden: U. a. auf folgende: Wurden Zahlungsalternativen vereinbart? Welche Regelungen gelten im Fall einer verzögerten Kaufpreiszahlung und beim Rücktritt vom Vertrag? Wurde der zeitliche Ablauf festgelegt? Ist die Erledigung laufender Aufträge geklärt? Welche Verpflichtungen gibt es für den Käufer hinsichtlich des Firmennamens, des Standortes und der Mitarbeiter? Ist eine Auflis­tung übergebener Unterlagen sowie die Zusicherung ihrer Ordnungsmäßigkeit erfolgt?

IKZ-Haustechnik: Welche Fehler werden bei Unternehmensnachfolgen begangen?
Dr. Birgit Felden: Ich möchte drei Fallstricke nennen, über die Unternehmer immer wieder stolpern:
1. Der oft sehr späte Zeitpunkt, zu dem sie sich ernsthaft mit der Frage der Nachfolge beschäftigen. Der gesamte Abwicklungsprozess dauert in der Regel drei bis fünf Jahre, manchmal auch länger. Das machen sich die wenigsten bewusst. Unternehmerinnen und Unternehmer sollten sich spätestens ab dem 50. Lebensjahr mit dem Gedanken beschäftigen, wer in ihre Fußstapfen tritt. Dann müssen sie ja noch nicht aufhören!
2. Emotionale, psychologische Stolpersteine: Mehr als die Hälfte aller Unternehmen werden innerhalb der Familie übergeben. Erwartungen, dass der Sohn oder die Tochter den Betrieb übernehmen, können z. B. dann zu Schwierigkeiten führen, wenn der Nachwuchs diesem Wunsch nur halbherzig nachkommt oder fachlich oder vom Typ her nicht zur Leitung geeignet ist. In manchen Familien vermischen sich auch persönliche und unternehmerische Felder.
3. Viele Unternehmer/innen halten sich für unsterblich. Ich kann mich nicht erst mit der Nachfolge beschäftigen, wenn ich gesundheitlich schon angeschlagen bin. Ich frage in meinen Beratungen scherzhaft gerne: „Wer von Ihnen ist schon einmal probehalber gestorben?“

IKZ-Haustechnik: Wie lassen sich Fehler vermeiden?
Dr. Birgit Felden: Im Prinzip sollte jeder Gründer einen Notfallplan in der Tasche haben. Wenn ich nicht mehr handlungsfähig oder schwer erkrankt bin, ist es zu spät, die entscheidenden Weichen zu stellen. Ein erster kluger Schritt ist die Zusammenstellung eines Notfallkoffers, in dem Vollmachten, Vertretungsplan, Informationen zu Kunden- und Lieferantenstrukturen und eine Dokumentenmappe mit Bankverbindungen, Passwörtern und einem Testament enthalten sind. Dies sollte Pflichtprogramm für jeden Unternehmer sein. Kür ist die langfristige und sorgfältig geplante Unternehmensnachfolge.

IKZ-Haustechnik: Wie kann Mitarbeitern die Sorge vor einer Firmenübernahme genommen werden?
Dr. Birgit Felden: Das ist eine Gratwanderung. Einerseits verunsichert es Mitarbeiter, wenn alle drei Wochen ein neuer Interessent durch den Betrieb läuft. Andererseits sind Mitarbeiter auch nicht blöde – sie merken, dass der Chef älter wird und machen sich natürlich Gedanken. Den richtigen Zeitpunkt zu finden, ist daher für jeden Betrieb individuell. Spätestens wenn alle Formalitäten geregelt sind, sollte gegenüber den Mitarbeitern und anderen Bezugsgruppen Kontinuität demonstriert werden. Sowohl die Belegschaft wie wichtige Kunden und Lieferanten schätzen es gar nicht, wenn sie aus der Presse vom Verkauf des Unternehmens erfahren. Und schließlich sollte der Unternehmer – genau wie bei einer Regelung innerhalb der Familie – dem neuen Inhaber den Einstieg erleichtern.

IKZ-Haustechnik: Können Förderungen mögliche Übernahmen attraktiver machen?
Dr. Birgit Felden: Selbstverständlich – aber da gibt es auch schon ausreichend, denn alle Förderungen für Existenzgründer können auch für Übernahmen genutzt werden. Hilfreich wäre vielleicht eine Förderung für Unternehmer in kleinen Betrieben vor der Übernahme – denn die haben neben dem Tagesgeschäft kaum Zeit, sich systematisch Gedanken über eine Nachfolge zu machen. Analog dem Gründercoaching könnte hier ein Übergebercoaching die Weichen für eine gelungene Nachfolge stellen.

IKZ-Haustechnik: Welche Informationsmöglichkeiten gibt es für SHK-Geschäftsführer?
Dr. Birgit Felden: Die Kammern oder langjährige Berater sind in den meisten Fällen erste Anlaufstelle. Gerade die Handwerkskammern bieten bundesweit Ansprechpartner zu diesem Thema und organisieren Veranstaltungen. Außerdem hat mein Team am EMF (Entrepreneurship, Mittelstand und Familienunternehmen)-Institut der HRW Berlin (Hochschule für Wirtschaft und Recht) die Webseite nachfolge-in-deutschland.de aufgebaut, auf der neben Informationen diverse Checklis­ten zum Download und weiterführende Links stehen. Über die Seite können auch regionale Ansprechpartner gesucht werden.

IKZ-Haustechnik: Nehmen Betriebsschließungen zu, weil Inhaber in Rente gehen und keinen Nachfolger finden können oder wollen?
Dr. Birgit Felden: Das ist schon aufgrund der demografischen Entwicklung zu erwarten. Der viel zitierte Fachkräftemangel macht auch vor Unternehmern nicht halt. Hinzu kommt, dass Unternehmerkinder heute andere Alternativen als die Übernahme des elterlichen Betriebs haben – eine automatische Übernahme schließt das aus. Und schließlich nimmt die Gründungsneigung in Deutschland seit Jahren ab – das gilt auch für die sogenannten derivativen Gründungen, also Nachfolgen.

www.birgitfelden.de
www.nachfolge-in-deutschland.de



Diesen Artikel teilen auf:   Facebook X XING



Ausgewählte Inhalte



Leistungsgarantie



Datensicherheit

×