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„Die Wärmepumpe ist die Diva unter den Heizsystemen“



„Die Wärmepumpe ist die Diva unter den Heizsystemen“Bild: IKZ
Bild: IKZ 

22. Januar 2024

Das Gebäudeenergiegesetz lässt viele Techniken in der Gebäudeheizung zu.
Ein Interview über die Seele und das Wesen des GEG sowie deren Umsetzung in die Praxis

Das Gebäudeenergiegesetz verfolgt das Ziel, die CO2-Emissionen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten drastisch zu verringern. Deshalb schreibt es vor, die Beheizung von Gebäuden inklusiv Warmwasserbereitung auf Erneuerbare Energien umzustellen. Über die Hintergründe und Auswirkungen auf lange Sicht sprach der stv. Chefredakteur der IKZ, Detlev Knecht, mit den Professoren Roland Koenigsdorff und Alexander Floß, beide von der Hochschule Biberach (Baden-Württemberg).

IKZ: Schauen wir zunächst auf das von der Bundesregierung beschlossene, aber noch nicht vom Bundestag verabschiedete, „Klimaschutzgesetz“. Es sieht vor, dass bis zum Jahr 2030 die CO2-Emissionen um 65 % gegenüber 1990 reduziert werden. Dieses Ziel bezieht sich auf die Sektoren Industrie, Energiewirtschaft, Gebäuden, Verkehr und Sonstiges. Kann man sagen, dass mit dem GEG 65 % weniger CO2 bis 2030 im Gebäudebereich erreicht wird?

Prof. Roland Koenigsdorff: Das GEG schreibt einen Anteil von 65 % an Erneuerbaren Energien vor, sowohl im Neubau- wie auch bei der Bestandssanierung. Das würde also passen. Wenn man sich aber die Sanierungsquote der Gebäude von etwa 1 % pro Jahr und die Übergangszeiten im Zusammenhang mit der Wärmeplanung anschaut – sie laufen bis 2026 bzw. 2028 –, dann habe ich Zweifel, dass es bis 2030 klappt.

Prof. Alexander Floß: Das lässt sich vielleicht mit weiteren Zahlen drastischer verdeutlichen. 65 % CO2-Einsparung bezieht sich auf 1990. Beziehen wir die einzusparende CO2-Menge auf das Jahr 2020 wären es 43 %. Aufgrund von Corona gab es zwischen 2020 und heute kaum Änderungen. Mit anderen Worten: In den nächsten sieben Jahren müssen wir 43 % einsparen. Das kann ich mir auch nicht vorstellen.

IKZ: Dann schauen wir auf das Jahr 2045, wenn die Ziele bis 2030 wohl verfehlt werden. 2045 ist das Jahr, in dem die CO2-Emissionen im Gebäudebereich auf Netto-Null liegen sollen. Ist das überhaupt noch möglich?

Prof. Roland Koenigsdorff: Das ist prinzipiell nur möglich, wenn wir Emissionsreste aus den Sektoren mit negativen Emissionen aus anderen Bereichen, z. B. aus der Forstwirtschaft, kompensieren. Denn es ist prinzipiell sehr aufwendig und teuer, die letzten Prozentpunkte, die bis 100 % fehlen, zu erreichen. 
Bis 2045 sind es noch 20 Jahre; da kann noch einiges Positives passieren. Allerdings liegt die Sanierungsquote bei nur einem Prozent pro Jahr – sprich gut 20 % bis 2045. Selbst eine Verdoppelung erreicht nur vielleicht 50 %. Dennoch dürfte das 2045er Ziel eher zu schaffen sein als das 2030er. 
Wir müssen auch die Summe der emittierten Treibhausgase betrachten. Es reicht nicht, bis 2045 so weiterzumachen wie bisher und dann eine Vollbremsung hinzulegen. Damit würde mehr CO2 in die Atmosphäre gelangen als wenn wir kontinuierlich reduzieren. Für eine Erwärmung der Erdatmosphäre um maximal 1,5 K darf die Konzentration von CO2 nicht über 450 ppm1) ansteigen. Bei konstanten Emissionen auf dem Niveau von 2020 wäre dieser Grenzwert bereits 2030 erreicht. Durch möglichst umfangreiche und schnell eingeleitete Reduzierungen der Emissionen kann dieser Zeitpunkt weiter in die Zukunft geschoben werden.

IKZ: Mit anderen Worten: Die Sanduhr läuft…

Prof. Roland Koenigsdorff: …und das Loch wird größer!

IKZ: Schauen wir uns das Gebäudeenergiegesetz an: Von vielen Seiten ist zu hören, dass es eine Steilvorlage für Wärmepumpen sei. Sehen Sie das auch so?

Prof. Alexander Floß: Die Wärmepumpe ist in Verbindung mit grünem Strom eine sinnvolle und praktikable Lösung, die sich schnell umsetzen lässt. Das GEG hält aber auch Alternativen wie Biogas oder Holz die Türe offen. 

Prof. Roland Koenigsdorff: Wenn wir von Wärmenetzen absehen – die ebenfalls eine große Rolle spielen werden – sind Wärmepumpen in Neubaugebieten m. E. im Regelfall gesetzt. Das lässt sich auch thermodynamisch sauber begründen. Wärmepumpen sind energieeffizienter als jede Verbrennung eines Brennstoffs, und sei er noch so regenerativ. Jede Flamme erzeugt eintausend Grad Celsius. Für die Raumheizung sind aber nur vielleicht 40 Grad Celsius notwendig, um den Raum auf 22 Grad Celsius zu halten.
Ich halte es für nicht schlecht und für nicht falsch, dass regenerative Brennstoffe im Gebäudeenergiegesetz aufgenommen sind. Ich frage mich aber schon, ob man damit nicht zu viele Leute auf die falsche Fährte setzt. Ein altes unsaniertes Bauernhaus ist ein denkbarer Fall für die Beheizung mit Holz. Ganze Städte wie München, Stuttgart oder Hamburg lassen sich aber mit Holz nicht beheizen. Und Synthetische Brennstoffe werden auch in Zukunft deutlich teurer sein als Heizöl und Erdgas heute. 

Prof. Alexander Floß: Holz hat für mich zwei große Vorteile: Mit Holz lässt sich Energie über lange Zeiträume speichern und es lassen sich hohe Temperaturen erzeugen, wie sie beispielsweise in der Industrie benötigt werden. Wir sollten den knappen Energieträger Holz dort einsetzen, wo mindestens einer dieser Vorteile zum Zuge kommt. Eine Technik – Wärmepumpen – gegen eine andere Technik – Bioenergie – auszuspielen, erscheint mir wenig sinnhaft. Wir sollten eher ihre individuellen Vorteile nutzen und kombinieren. 

Prof. Roland Koenigsdorff: Auch der Wasserstoff wird im Gebäudeenergiegesetz genannt. Doch er wird lange Zeit nicht kommen und kaum für die Raumheizung relevant sein. Es gibt viele Anwendungen, die viel weiter vorne stehen: Der Flugverkehr, der Fernlastverkehr oder die Industrie sind da zu nennen.

IKZ: Ich fasse zusammen: Die Wärmepumpe ist im Neubau kaum zu schlagen und im Altbau genau genommen auch nicht schlecht. Doch wo soll der viele grüne Strom herkommen, um all die Wärmepumpen zu betreiben? Denn auch die Stromproduktion soll ja eines Tages – spätestens 2045 – auf Netto-Null in den CO2-Emissionen fallen.  

Prof. Roland Koenigsdorff: Wir werden die Erneuerbaren Energien im Strombereich ausbauen müssen. Das ist politsicher Wille und auch weitgehender Konsens. Daher werden wir an der einen oder anderen Stelle mehr Windräder sehen als einem lieb ist. Es wird kein Weg daran vorbeiführen, die Erneuerbaren Energien stark auszubauen und die Leistungslücken in sogenannten Dunkelflauten durch Strom aus Wasserstoff und Biomasse auszugleichen.

Prof. Alexander Floß: Ein großes Problem sehe ich bei der Stromversorgung von Wärmepumpensystemen mit elektrischer Zusatzheizung, sogenannten monoenergetisch bivalenten Wärmepumpensystemen, wie sie vor allem bei Luft/Wasser-Wärmepumpen zum Einsatz kommen. Luft/Wasser-Wärmpumpen haben nicht nur eine schlechtere Effizienz als Sole- oder Wasser/Wasserwärmepumpen, sie haben auch eine geringe Leistung, wenn es draußen kalt ist. Doch dann benötigt das Gebäude die größte Leistung. Kompensiert wird das mit der elektrischen Zusatzheizung. Strom wird dann aber nur 1:1 in Wärme umgewandelt. Das ist eine energetische Katastrophe, weil die vielen Wärmepumpen entsprechend viel elektrischen Strom aus dem öffentlichen Stromnetz für diese Direktheizung benötigen. Eine Versorgungslücke in der Strombereitstellung ist dann besonders problematisch, wenn es längere, über mehrere Wochen anhaltende Kälteperioden gibt.

IKZ: Wie ließe sich das Problem lösen?

Prof. Roland Koenigsdorff: Dort, wo es machbar und bezahlbar ist, sollte auf eine andere Wärmequelle gesetzt werden, also z. B. auf eine Grundwasser-, Abwasser- oder Geothermie-Wärmepumpe. Im Winter sind diese Quelltemperaturen höher. Damit verbunden ist ein nicht so hoher Leistungsabfall wie bei Luft/Wasser-Wärmepumpen. Auch der Elektroheizstab entfällt.
Aufgabe des Planers ist, die kritischen Leistungsspitzen anlagentechnisch mit einem Pufferspeicher oder mit der Speicherfähigkeit des Gebäudes oder mit anderen Maßnahmen zu dämpfen. Es ist nicht damit getan, eine Wärmepumpe einzubauen und den Regler auf Grundeinstellung zu belassen. 

Prof. Alexander Floß: Der Einsatz von Elektroheizstäben für die Spitzenlastabdeckung mag im Einzelfall sinnvoll sein. Wenn dies aber die breite Masse so macht, gibt es eine Katastrophe für die Stabilität unserer Stromnetze. Hier sind bivalente Heizungen, die auf einen gut speicherbaren Energieträger zurückgreifen, eine Option. Also eine Wärmepumpe, kombiniert mit einem Festbrennstoffkessel, einem Kamin­ofen oder einer vorhandenen Gasheizung. Das macht Sinn. Im nächsten Schritt können wir dann synthetische Gase oder Brennstoffe, die sich besser speichern lassen als Strom, zur Spitzenlastabdeckung verwenden.
Wir haben in Deutschland Jahrzehnte nichts an der Umstellung der Wärmeversorgung unternommen. Es ist richtig, dass es jetzt ganz schnell gehen muss. Aber bei dem Versuch drei Schritte auf einmal zu nehmen müssen wir sehr aufpassen, dass wir nicht ins Stolpern geraten. Lassen Sie uns daher einen Schritt nach dem anderen rennen, nicht gehen.

IKZ: Blicken wir in die ferne Zukunft. Es dürfte damit zu rechnen sein, dass der energetische Neubaustandard weiter verschärft wird. Damit könnten wir in Bereiche vordringen, wo eine wasserbasierte Wärmepumpe aus Kostengesichtspunkten teurer ist als eine Stromdirektheizung. 

Prof. Roland Koenigsdorff: Wie der Name schon sagt, wird bei einer Stromdirektheizung die Energie 1:1 umgesetzt und ist damit ineffizient. Auch die Strom-Versorgungssicherheit ist kritisch. Wenn die Bewohner abends ihre Stromdirektheizung einschalten, verursacht das im Stromnetz beträchtliche Peaks. Ich sehe das skeptisch. Eine Wärmepumpe braucht da weniger Stromleistung aus dem Netz. Und sie arbeitet viel effizienter.

Prof. Alexander Floß: Auch aus einer anderen Perspektive macht das wenig Sinn. Wir müssten das Gebäude um den Faktor vier energieeffizienter machen, damit die Energiebilanz zu einer Wärmepumpe ausgeglichen ist. Eine Alternative zu den von Ihnen genannten relativ teuren wasserbasierten Wärmepumpensystemen sind sogenannte Luft-/Luft-Wärmepumpen. Diese Anwendung, die von den Klima-Split-Geräten abgeleitet werden kann, ist in den skandinavischen Ländern schon sehr verbreitet. Ich verweise hier gerne auf eine Veröffentlichung von mir mit dem Titel „In Deutschland muss die Wärmepumpenanwendung alternativ gedacht werden“ in der HLH 11-12/2022.

IKZ: Richten wir zuletzt einen Blick auf diejenigen, die das Gebäudeenergiegesetz und insbesondere die Anforderungen an die Anlagentechnik umzusetzen haben: den TGA-Planer und den SHK-Installateur. Vor welchen Herausforderungen stehen sie, wenn sie am 1. Januar 2024 das GEG anwenden müssen?

Prof. Roland Koenigsdorff: Gerade im klassischen Handwerksberuf wird es einen Weiterbildungsbedarf geben. Denn eine Wärmepumpe muss gut geplant, sorgfältig installiert und sauber betrieben werden. 

Prof. Alexander Floß: Ich bezeichne die Wärmepumpe gern als Diva unter den Wärmeerzeugern. Sie kann sehr effizient sein, reagiert aber auch sehr sensibel – um nicht zu sagen zickig – auf die äußeren Randbedingungen. Und dass sollte allen am Prozess Beteiligten klar sein. Doch so weit sind wir nicht. 

Prof. Roland Koenigsdorff: Und diese Lücke muss geschlossen werden.

1) Anm. d. Red.: ppm = parts per million. In diesem Fall sind es 450 Kohlendioxidmoleküle pro 1 Mio. Molekülen.

Anmerkung der Redaktion: Dies ist ein Artikel aus dem brandneuen Sonderheft „Gebäudeenergiegesetz 2024“. Die 100-seitige Publikation gibt es als Printversion für 15,00 Euro und als E-Paper auf ikz-select.de für 9,99 Euro. Premium- und Complete-Kunden haben freien Zugriff auf das E-Paper. Die gedruckte Ausgabe kann unter leserservice@strobelmediagroup.de angefordert werden.





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