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Mikroplastik, nicht nur im Meer immer mehr



Mikroplastik, nicht nur im Meer immer mehr
 
 
 
 
 
 

2. Juli 2020

Straßen- und Flächenabläufe: Sedimentation, Flotation und Filtration

Aus unserer unmittelbaren Umgebung gelangen winzige Plastikpartikel ins Meer – und über die Nahrungskette zu uns zurück. Weltweit verteilt belastet Mikroplastik Luft, Boden und Wasser. Bei der Suche nach dessen Herkunft gerät auch Reifenabrieb in den Fokus. Und der Regenabfluss von Parkplätzen, Höfen und Straßen bietet die Möglichkeit, einiges davon zurückzuhalten.

Ohne es zu merken, nimmt jeder von uns pro Woche bis zu 5 g Mikroplastik mit der Nahrung zu sich. Das entspricht dem Gewicht einer Kreditkarte. Diese Aussage der weltweit tätigen Umweltstiftung World Wide Fund For Nature (WWF) schockiert, auch wenn die ermittelten Werte von Person zu Person variieren, abhängig von Regionen und konsumierten Produkten. Im Auftrag des WWF hatte die University of Newcastle (Australien) entsprechende Berechnungen durchgeführt, nach Auswertung von mehr als 50 Studien unterschiedlicher Herkunft, und im Juni 2019 veröffentlicht [1].

Die Plastikkrise ist ein globales Problem, das neben Umwelt und Natur uns Menschen direkt betrifft. Inwieweit die Aufnahme von Mikroplastik schädlich für die Gesundheit ist, ist derzeit noch nicht detailliert erforscht. Ob und welche Wirkung Kleinstpartikel aus Plastik, sogenanntes Nanoplastik, entfalten, wenn wir diese aufnehmen, ist bislang auch nicht genau bekannt. Klar ist jedoch, dass Mikroplastikpartikel Chemikalien enthalten.

Herkunft: Auch von Autoreifen
Eine Untersuchung des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik in Oberhausen (UMSICHT) vom Juni 2018 hat den Abrieb von Autoreifen als den größten Verursacher von freigesetztem primärem Mikroplastik identifiziert. Allein der Abrieb von Lkw-, Pkw-, Motorrad- und Fahrradreifen macht demnach mehr als 42 % der gesamten Mikroplastik-Emissionen in Deutschland aus [2]. Den Abrieb von Schuhsohlen, Fahrbahnmarkierungen und Asphalt hinzugerechnet, ergeben sich ca. 57 %, die überwiegend auf Verkehrsflächen entstehen.

Die Autoren der Studie gehen davon aus, dass sie mit den von ihnen ausgewerteten 51 Emissionsquellen nur drei Viertel der freigesetzten Menge erfasst haben. Hochgerechnet bedeutet das, dass bisher in Deutschland pro Einwohner jedes Jahr 4 kg (0,004 t/a) Mikroplastik dazukommen. Das entspricht insgesamt 330 000 t/a, Tendenz steigend. Diese Erkenntnis gab Anlass für das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI), das Verbundprojekt „Tyre-Wear-Mapping“ zu fördern, bei dem sogenannte „Hotspot-Karten“ als Grundlage für künftige Maßnahmen entwickelt werden. Dr.- Ing. Ilka Gehrke, Abteilungsleiterin Photonik und Umwelt bei Fraunhofer UMSICHT in Oberhausen, möchte mit ihren Forschungspartnern ein digitales Planungs- und Entscheidungsinstrument entwickeln, das Aussagen zu Verteilung, Ausbreitung und Quantifizierung von Reifenabrieb ermöglicht. Dadurch könnten auf einer sachlichen Grundlage regulatorische Maßnahmen (z. B. Filteranlagen an Straßenabläufen) gezielt ergriffen werden.

Rückhalt: Wenig durch Sedimentation?
Im Rahmen des vom Land NRW geförderten Forschungsprojekts „ReWaFil“ wurde am Institut für Infrastruktur, Wasser, Ressourcen, Umwelt (IWARU) der FH Münster die Sedimentierbarkeit von Straßenkehricht untersucht [3]. Das ist von besonderem Interesse, da das Mikroplas tik mit Regenabflüssen abgespült wird. Bei kombiniertem Reifen- und Straßenabrieb (engl.: tyre and road wear particle – kurz TRWP) gilt eine Dichte von 2 g/cm3 als wahrscheinlich. Um diese zu eliminieren, ist die Sedimentation gut geeignet. Die Verfasser der IWARU-Studie gehen in ihren weiteren Überlegungen allerdings von reinem Reifenabrieb (engl.: tyre wear particle – kurz TWP) aus. Während bei Mischkanalisation 95 % oder mehr Rückhalt der Partikel in der Kläranlage wissenschaftlich belegt sind, halten sie bei Trennkanalisation die vorgeschriebene Behandlung durch Sedimentation in Regenklärbecken für unzureichend. Das liege vor allem an der geringen Dichte, die Standardreifengummi mit 1,1 g/cm3 besitze, falls er ohne Verbindung zu mineralischen Partikeln vorkommt. Und für eine wirkungsvolle Flotation, das Aufschwimmen innerhalb der unterirdischen Becken, müssten die TWP-Abriebteilchen statt 1,1 g/cm3 weniger als 1 g/cm3 haben, also eine geringere Dichte als Wasser haben. Hinzu kommt, dass die TWP im Durchschnitt nur eine Größe von rund 20 μm (0,02 mm) haben. Und die kleinsten unter ihnen nähern sich der Molekularbewegung. Bei ihrer Entstehung spielt u. a. die Fahrzeuggeschwindigkeit eine Rolle [4]. Schon 1974 wurde in den USA festgestellt: Je höher das gefahrene Tempo, desto kleiner die Partikel. Für die Fraktion 0 bis 20 μm haben die Forscher am IWARU allerdings durch Filter Erfolge erzielt: So gelang es, mit einer durchströmten Granulat-Schüttung von 15 cm immerhin 42 % des sehr feinen Mikroplastik-Materials zurückzuhalten.

Behandlung: Mehr in Kombination
Ungeachtet der erhofften Weiterentwicklung von Kunststoffen hin zu naturverträglichem Material werden in den kommenden Jahrzehnten große Anstrengungen notwendig sein, um die Hauptemissionspfade von Mikroplastik besser wahrzunehmen und die Schadstoffe möglichst nahe an ihrer Entstehung zu fassen. Das Ziel muss sein, die weitere Verbreitung in Richtung Luft, Boden und aquatische Ökosysteme zu reduzieren. Vorsorgliche Straßenreinigung in verkehrsarmen Zeiten an den Hotspot-Stellen würde einen Teil der Partikel entfernen, bevor sie verwirbelt und abgeschwemmt werden.

Zur Reinigung von Straßenabflüssen wird zu prüfen sein, ob bestehende und neu zu bauende Sedimentationsanlagen um geeignete Filter [5] ergänzt werden sollten, bevor deren Abläufe in Oberflächengewässern münden. Das gilt entsprechend für Versickerungsanlagen, zum Schutz des Bodens und des Grundwassers. Und selbst wenn Kläranlagen, wie zuvor beschrieben, 95 % des Reifenabriebs im Klärschlamm zurückhalten, ist ihr gesamter Wirkungsgrad zum Schutz nachfolgender Gewässer nicht optimal. Außerdem, sofern der Klärschlamm auf Böden, insbesondere der Landwirtschaft, ausgebracht wird, gelangt das Mikroplastik auf ganz kurzem Weg in unsere Nahrungskette. Bleibt zu überlegen, ob zusätzlich zur Straßenentwässerung im Trennsystem die Abflüsse Richtung Mischkanal (im Zulauf solcher Kläranlagen, die noch Klärschlamm an Landwirte abgeben dürfen) mit geeigneten Filtern ausgestattet werden müssen.

Filtertyp: Je nach Gewässer
„Schwimmende Partikel mit geringerem Durchmesser als 100 μm (0,1 mm) oder mit einer Dichte nahe an 1 g/cm3 kann man nicht mehr mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand durch mechanische Verfahren aus dem Regenwasser entfernen“, sagt Stephan Klemens, Entwicklungsleiter beim Hersteller Mall GmbH. „Hier ist die Filtration das wirtschaftlichere und sicherere Mittel“. Er empfiehlt das Verfahren „ViaPlus“ für die Behandlung vor Versickerung und vor Ableitung in Oberflächengewässer. Diese Anlagen werden horizontal durchflossen und haben einen eigenen Sedimentationsraum vor dem Filter- und Adsorptionselement. Sie sind speziell auf den Rückhalt von Schwermetallen, abfiltrierbaren Stoffen und Mineralölkohlenwasserstoffen ausgelegt.

Wartungsintervall: Je nach Flächenbelastung
Vorgaben durch Gesetze oder Verwaltungsvorschriften der Bundesländer für Reinigungsleistung und Wartungsintervall in Bezug auf Reifenabrieb gibt es noch nicht. Je nach spezifischer Flächenbelas tung muss das richtige Intervall im Einzelfall gefunden werden. Die Bereiche, in denen besonders viel Reifenabrieb entsteht, sind leicht zu identifizieren:

  • Wo gebremst, angefahren und beschleunigt wird oder wo enge Radien gefahren werden, ist der Abrieb von Reifen besonders intensiv. Bei der hier zu erwartenden hohen Mikroplastik-Belastung im Abwasser empfiehlt sich eine Kombination aus den Verfahren Sedimentation, Flotation und Filtration.
  • Parkplätze von Einkaufszentren, Speditionen, Industrieareale: Wo nicht schnell gefahren, aber rangiert wird, entstehen weniger ganz feine Partikel. Doch fallen auf diesen Flächen in verstärktem Maß Kupfer und Zink durch abtropfendes Wasser von Karosserien an. Die aktuellen technischen Regeln empfehlen in solchen Situationen eine Filtrationsstufe mit speziell dafür geeignetem Adsorptionsmaterial.

Quellen:

[1] WWF (2019): Plastik umgibt uns. Auch in unserer Nahrung, Wasser und Luft. Berlin, Juni 2019

[2] Bertling, J.; Bertling, R.; Hamann, L. (2018): Kunststoffe in der Umwelt: Mikro- und Makroplastik. Kurzfassung der Konsortialstudie. Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT (Hrsg.), Oberhausen, Juni 2018

[3] Schmitz, T.; Olbertz, N.; Grüning, H. (2020): Mikroplastik in Oberflächenabflüssen – Grenzen der Sedimentierbarkeit. In: gwf Wasser-Abwasser 02/2020, Vulkan-Verlag, Essen, 2020

[4] Dannis, M. L. (1974): Rubber Dust from the Normal Wear of Tires. Rubber Chemistry and Technology 47(4), 1011-1037. DOI:10.5254/1.3540458

[5] Mall-Umwelt-Info Ausgabe 5 (2019): Aktuelle Informationen zum Umgang mit Reifenabrieb und Mikroplastik. Mall GmbH, Donaueschingen, Juli 2019

Autor: Klaus W. König, Überlingen


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