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Kalte Nahwärme mit warmem Grubenwasser



Kalte Nahwärme mit warmem GrubenwasserReiners
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Grubenwasser Ruhr 
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12. September 2022

Netzauslegung und Wärmepumpentechnik für 20°C Quellentemperatur

Grubenwasser aus stillgelegten Kohleförderanlagen kann über ein kaltes Wärmenetz dazu genutzt werden, Wärmepumpen bei einer Quellentemperatur von 20°C zur Heizwärme- und Brauchwarmwassererzeugung zu betreiben. Im Rahmen eines Forschungsprojekts wurden die Wärmepumpentechnik angepasst und das Versorgungsnetz für ein Neubaugebiet konzipiert.

Zur Energiewende gehört es, so viele regenerative Energiequellen wie möglich zu nutzen, z. B. die Wärmeenergie in von Industrie oder Haushalten verursachten Abwässern. In ehemaligen Bergbauregionen eignet sich dazu das Grubenwasser – Regenwasser, das in stillgelegte Steinkohleschächte gelangt ist, sich dort mit Mineralien anreichert und nicht in grundwasserführende Schichten eindringen darf. Es wird an geeigneten Stellen an die Oberfläche gepumpt und weist eine Temperatur von ca. 20 – 30°C auf. Kalte Wärmenetze können mit dieser regenerativen Wärmequelle Quartiere beheizen. Im Gebiet der RAG Aktiengesellschaft werden jährlich insgesamt rund 70 Mio. m3 Grubenwasser in Lippe, Rhein und Ruhr eingeleitet, mit denen um die 150 000 Haushalte [1] versorgt werden könnten. Diese Potenziale untersuchte 2016 bis 2019 das Forschungsverb- und -Projekt „Grubenwasser-Ruhr“ [2] und ermittelte drei Standorte in Essen, Bochum und Kamen-Bergkamen, die für eine Nutzung dieser Wärmeenergie in Frage kämen.

Im Rahmen einer Dissertation [3]wurden für das konkrete Neubauvorhaben-Wasserstadt Aden in Bergkamen ein Versorgungskonzept für das Quartier erstellt und dabei für unterschiedliche Gebäudetypen und -energiestandards die Parameter des technischen und ökonomischen Optimums ermittelt. Die Herausforderung ist hier generell, das wirtschaftliche Optimum für das Netz und die einzelnen Wärmepumpen in den Gebäuden zu ermitteln.

Herausforderung Vorlauftemperatur

Das kalte Wärmenetz in Haus Aden gehört zur fünften Generation Wärme netze, die von Wärmequellen aus oberflächennaher Geothermie bzw. Grundwasser versorgt werden. Mit für die Norm-Standardbedingungen von 0 °C bis 10 °C Vorlauftemperatur ausgelegten Netzen und Wärmepumpen gibt es Erfahrungen. Was die Grubenwassernutzung angeht, musste zunächst in Prüfstandversuchen festgestellt werden, ob und inwieweit solche Wärmepumpen auch bei einer Quellentemperatur von 20 °C eingesetzt werden können. Viele Hersteller machten Angaben zum Verhalten bei 20 °C Vorlauftemperatur, die aber i. d. R. aus den Prüfergebnissen mit Vorlauftemperaturen von 0 °C bis 10 °C hochgerechnet und nicht in Praxistests ermittelt waren.

Rahmenbedingungen von Quartier und Netz

Die Planvorgaben für die Wasserstadt Aden sahen 146 Wohngebäude vor, überwiegend Einfamilien- und Doppelhäuser, aber auch einige Mehrfamilienhäuser und schwimmende Gebäude. Für das Versorgungskonzept wurde berechnet, wie sich die Effizienzgewinne durch die 20 °C Vorlauftemperatur für unterschiedliche Baustandards auswirken: Gebäude nach EnEV 2016 und KfW-Effizienzhausstandards 55 und 40.

Was das kalte Wärmenetz angeht, erfolgt die Auskopplung der Wärmeenergie aus dem Grubenwasser in einem Plattenwärmeübertrager im sogenannten Wasserschloss. Hier gelangt das am Standort Haus Aden aus etwa 600 m Tiefe hochgepumpte Grubenwasser an die Oberfläche. Etwa 24 m3 /min, was in etwa einer Tanktlasterfüllung pro Minute entspricht, stehen zur Verfügung, aus denen über 17 MW Wärmeleistung entzogen werden können. Ein Teil des Grubenwassers wird über den Plattenwärmeübertrager geleitet, der die Systeme voreinander trennt, es gelangt nicht ins Wärmenetz.

Ermittlung des Netzoptimums

Im Wärmenetzvorlauf zirkuliert das Wasser mit konstant 20 °C und gelangt zum Quelleneintritt des externen Wärmetauschers der Wärmepumpe in einem Gebäude. Dort wird es von der Wärmepumpe abgekühlt und fließt vom Quellenaustritt in die Rücklaufleitung des Wärmenetzes.

Für die Ermittlung des Netzoptimums ist die Temperaturdifferenz von Quelleneintritt und Quellenaustritt, die sogenannte Quellentemperaturspreizung bzw. Netztemperaturspreizung, eine wichtige Größe, die die Dimensionierung der Netzleitungen bedingt. Bei großen Netztemperaturspreizungen können die Netzleitungen kleiner dimensioniert werden. Dies spart Leitungs- und Verlegekosten und reduziert die Pumpenarbeit für die Druckhaltung im Wärmenetz. Auf der anderen Seite sinkt dadurch die Verdampfungstemperatur in der Wärmepumpe, was deren Heizleistung und Effizienz reduziert.

Wärmepumpe im Prüfstand

Für den optimierten Betrieb einer Wärmepumpe im kalten Wärmenetz mit 0 °C bis 10 °C Vorlauftemperatur beträgt die Quellentemperaturspreizung 3 K. Am Prüfstand beim Wärmepumpenhersteller Waterkotte GmbH sollten auch die optimale Spreizungen für den Betrieb der getesteten Wärmepumpe bei 20 °C Vorlauftemperatur ermittelt werden. Zudem wurden die wärmepumpenseitig erforderlichen Parameter für die Berechnungen zur Netzauslegung ermittelt, wobei die Test reihen nur an einem Gerät durchgeführt wurden, einer Wärmepumpe „EcoTouch Ai1 Geo“, ein für den Einfamilienhaus-, Doppelhaushälften-Bereich handelsübliches Gerät des Herstellers.

Für die verschiedenen Quellentemperaturspreizungen wurden zunächst die Randbedingungen ermittelt. Die maximale Rücklauftemperatur der Wärmequelle betrug im Versuch 17,5 °C. Sie ist begrenzt durch die Dimensionierung des Verdampfers und den maximalen Quellenvolumenstrom. Die minimale Quellenaustrittstemperatur der Wärmepumpe betrug im Versuch 2,5 °C. Da im kalten Wärmenetz keine Verwendung von Frostschutzmitteln wie Glykol vorgesehen ist und die Temperaturen im Verdampfer der Wärmepumpe niedriger sind als die Quellenaustrittstemperatur, besteht die Gefahr, dass der Verdampfer bei niedrigeren Temperaturen vereist. Dies kann zu Schäden an der Wärmepumpe führen. Die maximale Temperaturspreizung betrug daher 17,5 K.

Testergebnisse und Effizienzberechnungen

Getestet wurde das Verhalten der Wärmepumpe bei konstante 20 °C Quelleneintrittstemperatur und Quellenaustrittstemperaturen zwischen 3 °C und 17 °C, um einen Zusammenhang zwischen den Leistungszahlen der Wärmepumpe und der Temperaturspreizung des Wärmenetzes herzustellen. Zu erwarten waren steigende Leistungszahlen, da mit ansteigender Rücklaufemperatur auch die Verdampfungstemperatur ansteigt. Faktisch blieben die gemessenen Effzienzgewinne der Wärmepumpe zunächst deutlich unter den errechneten Angaben. Die Ursachenforschung ergab, dass der im Kältemodul integrierte Verdichter für die höheren Quelleneintrittstemperaturen nicht geeignet war. Relevant sind hier die Betriebsgrenzen des Verdichters in Abhängigkeit von der heizungsseitigen Kondensationstemperatur und der quellenseitigen Verdampfungstemperatur des Wärmenetzes. Die Schutzeinrichtung der Wärmepumpen-Software griff ein, sodass bei Rücklauftemperaturen über 8 °C keine höheren COP-Werte erreicht werden konnten. Die Lösung war der Austausch des Kältemoduls durch ein Modell mit einem Verdichter, für den höhere Verdampfungstemperaturen zulässig sind. Danach war der ungehinderte Regelbetrieb möglich, das Gerät erreichte hohe COP bei hohen Verdampfungstemperaturen. In Bild 5 ist zu erkennen, dass nach dem Wechsel des Verdichters mit steigenden Quellenaustrittstemperaturen deutlich höhere COP von über 10 erreicht werden. Als Referenzwerte dienten die von der Wärmepumpe erreichten Leistungszahlen mit der Wärmequelle Sole (B0/W35) und Grundwasser (W10/W35). Im Versuch konnte im kalten Wärmenetz eine doppelt so hohe Leis tungszahl erreicht werden, verglichen mit der Wärmequelle Sole.

Die Ergebnisse der Untersuchungen an der Wärmepumpe dienten als Grundlage für die Auslegung des kalten Wärmenetzes. Laut Berechnungen stellt eine Netztemperaturspreizung von 7 K den optimalen Kompromiss aus Dimensionierung des Wärmenetzes und der Wärmepumpen dar. Hier ist der eingesetzte elektrische Strom für die Druckhaltung des Wärmenetzes, Wärmepumpen und weiteren Verbräuche minimal. Die getestete Wärmepumpe erreicht in diesem Betriebspunkt eine saisonale Leistungszahl SCOP von 8,5. Auch die Wärmegestehungskosten, die sich aus kapital-, betriebs- und bedarfsgebundenen Kosten zusammensetzen, sind hier minimal.

Einschätzung

Im Fall der Wasserstadt Aden wurde das vorgestellte Versorgungskonzept für ein kaltes Nahwärmenetz mit in die offiziellen Berechnungen einbezogen und hier als innovativstes – im Vergleich der zu jener Zeit geltenden Wärmegestehungskosten allerdings nicht günstigstes – Konzept zur Umsetzung vorgeschlagen. Zudem hat es auch international Beachtung hervorgerufen. Interessenten aus einem tschechischen Bergbaustandort ließen es sich im Frühjahr dieses Jahres vorstellen.

Was die Wirtschaftlichkeit in Deutschland angeht, steigt diese, wie bereits die Fallstudie feststellt, mit der schrittweise steigenden CO2-Bepreisung. Auf Grundlage der Preise von 2019 berechnet, hält dieses Wärmenetz ab einem CO2-Preis von 60 Euro/t CO2 auch wirtschaftlich mit einer fossilen KWK-Lösung mit. Von den CO2-Emissionen her hält es dem Vergleich mit Pellets- und Holzheizungen stand. Bauherren in einem solchen Quartier haben den Vorteil, dass die primärenergetischen Anforderungen an den KfW Effizienzhaus 40 Baustandard erfüllt sind.

Die Ergebnisse zum Verhalten der Wärmepumpen bei höheren Vorlauftemperaturen und die Anforderungen an das Kältemodul und den Verdichter gelten vergleichbar für kalte Wärmenetze, die die Abwärme aus Klärprozessen bzw. Stadtkanälen nutzen können.

[1] Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (Hrsg.): Potenzialstudie Warmes Grubenwasser. LANUV-Fachbericht 90, 2018.

[2] Projekt „Grubenwasser-Ruhr: Entwicklung von innovativen und effizienten Wärmenutzungskonzepten unter Berücksichtigung der Bergbauinfrastruktur im Ruhrgebiet“ unter der Leitung des Lehrstuhls Energiesysteme und Energiewirtschaft der Ruhr-Universität Bochum (RUB) unter Prof. Dr.-Ing. Hermann-Josef Wagner; www.gw-ruhr.rub.de

[3] Reiners, Tobias: Auslegung kalter Wärmenetze zur regenerativen Quartiersversorgung am Beispiel der Nutzung von Grubenwasserwärme im Wohnquartier Wasserstadt Aden. Dissertation, RUB. Bochum, 2020.

Autor: Dr.-Ing. Tobias Reiners, Energieservice plus, Düsseldorf

www.gw-ruhr.rub.de





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