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StartseiteWissenNewsHolsterhausen: Handwerker bleiben weiter im Regen stehen
25. April 2019
Empfehlung eines SHK-Handwerksbetriebs: das Kleingedruckte im Versicherungsvertrag lesen
Korrosionsschäden in Trinkwasserleitungen im Dorstener Ortsteil Holsterhausen. Die wissenschaftlichen Untersuchungen liefern keine Erkenntnisse zu den Ursachen. Gleichwohl entscheiden Gerichte zulasten des Handwerkers, wie das Oberlandesgericht Hamm und das Landgericht Essen. Die Begründung: Es muss ein Installationsfehler vorgelegen haben. Einer der Installateure muss sich zudem jetzt noch mit seiner Versicherung auseinandersetzen. Warum?
Lochfraß an Kaltwasserleitungen
Bevor die Frage
nach dem Warum beantwortet wird, zunächst in Kurzform der Fall
Holsterhausen: Dort treten seit dem Jahr 2005 rätselhafte
Korrosionsfälle in halbharten Kupferrohren auf. Die Objekte wurden in
den Jahren 2005 bis 2012 erstellt und befinden sich ausschließlich im
Versorgungsgebiet des Wasserwerks Holsterhausen der RWW
Rheinisch-Westfälische Wasserwerksgesellschaft, Mülheim/Ruhr. Es sind 14
Handwerksbetriebe, die seinerzeit die Installationen ausführten.
Schäden treten immer noch auf, allerdings mit stark abnehmender Tendenz.
Kupferrohr wird in der Region nicht mehr verwendet.
Das Rätsel
verbirgt sich nicht im Schadensbild. Nach Expertenmeinung gehört das
eindeutig in das Kapitel Lochfraßtyp 1 (Kaltwasserleitungen). Unklarheit
herrscht dagegen über die Ursache. Verschiedene Analysen konnten dem
Rohr keine direkten Vorschädigungen nachweisen oder eine
Unverträglichkeit des Werkstoffs mit der Chemie des Holsterhausener
Wassers. Diese Vermutung basiert auf der Einführung der halbharten
Sorten zum Zeitpunkt der ersten Reklamationen in 2005. Wasserproben von
vor 10 und 15 Jahren liegen jedoch nicht mehr vor.
Sichtbare
Verarbeitungsfehler ließen und lassen sich ebenfalls nicht erkennen, bis
auf Verunreinigungen, „vermutlich Baustaub“, wie ein Gutachter vor
Gericht ausführte. Also müssen die Installateure, die von derartigen
Schäden betroffen sind, innerhalb der Gewährleistungsfrist von vier
Jahren (§ 13 VOB/B) haften, weil sie offensichtlich die Rohre nicht
ausreichend gereinigt hatten. Die Beklagten bestreiten diesen Vorwurf.
Im Einzelfall reicht die Schadenssumme weit in den 100000-Euro-Bereich
hinein.
Finanzielle Rückendeckung bleibt aus
Wegen der
fragwürdigen Aussage, dass die Ablagerungen auf die mangelnde Reinigung
der Rohre durch die Betriebe zurückzuführen sind, hofften die
Verurteilten auf finanzielle Unterstützung durch die
Gewährleistungszusage. Einige Hersteller, etwa KME aus Osnabrück, haben
für unklare Streitfälle beim ZVSHK (Zentralverband Sanitär Heizung
Klima) für einen Zeitraum von fünf Jahren nach Inbetriebnahme ihrer
Produkte eine Haftungsübernahme unterschrieben. Da die Gerichte der
Darlegung des Gutachters folgten und die Schuld an den Körnern in den
Kupferleitungen dem Installateur zuwiesen, hält sich der hauptsächliche
Rohrhersteller KME – um es vorsichtig auszudrücken (Stand März 2019 –
mit einer Entschädigung zurück. Man ist zwar zu einer Teilleistung
bereit, in erster Linie sei aber die Schadensregulierung Sache des
Auftragnehmers bzw. seiner Versicherung.
In einem konkreten
Schadensfall wurde der SHK-Betrieb Grefer (Dorsten) verurteilt, 200000
Euro an das Altenheim zu zahlen. Aber die Versicherungsgesellschaft
sträubt sich zu zahlen und begründet ihre Haltung damit, es seien
bestimmte Ansprüche nicht abgedeckt – hier die Nichtbenutzbarkeit
einiger Zimmer mangels Wasserversorgung bzw. wegen der
Reparaturmaßnahmen. Die genannten 200000 Euro setzen sich grob gesehen
zur Hälfte aus der eigentlichen Schadensbeseitigung und zum anderen aus
dem Einnahmenausfall von 3500 Euro pro Monat je Kleinstwohnung zusammen.
Da mehrere Unterkünfte mehrere Monate ausfielen, addiert sich dieser
Verlust auf etwa 100000 Euro. Nein, sagt die Versicherung, eine
Nichtnutzung von Unterkünften sei vertraglich nicht abgesichert.
Grefer
traf dieser Einwand völlig unvorbereitet. Uwe Cirkel, einer der beiden
Geschäftsführer: „Ganz dramatisch ausgedrückt: Wenn es bei einem
Gasunfall mit Brand zu einer Unbewohnbarkeit des Hauses kommt, glaubte
ich bisher, dass auch der Mietausfall für den Vermieter und die
Umquartierung der Bewohner über meine Police abgedeckt seien, also der
Gesamtschaden. So, wie jetzt die Versicherung argumentiert, muss ich
davon ausgehen, dass das nicht der Fall ist. Nicht der wirtschaftliche
Schaden ist demnach versichert, sondern der rein bauphysikalische. Ich
kann mir wirklich nicht vorstellen, dass das wirklich so ist. Wir lassen
diesen Einwand gerade überprüfen.“ Sein Hinweis deshalb: „Ich kann
meinen Kollegen nur empfehlen, sich mal das Kleingedruckte anzuschauen,
bzw. beim Versicherungsvertreter eine entsprechende Aufklärung
einzufordern.“
Ungewisse Zukunft
So ganz ist die Suche nach dem Verursacher aber auch noch nicht vom Tisch. Unter der Hand hört man, dass KME den DVGW (Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches) aufgefordert hat, eine vom DVGW beim IWW Rheinisch-Westfälisches Institut für Wasserforschung in Auftrag gegebene Studie zurückzuziehen. Deshalb, weil die Bearbeiterin Dr. Angelika Becker in der Deckschicht von halbharten Kupferrohren breitere Risse entdeckt hat als in harten Kupferrohren. Es sei mithin nicht von der Hand zu weisen, dass sich in diesen Rissen Verunreinigungen des Wassers leichter einnisten als in harten Rohren. Da nun mal Trübungen und Verunreinigungen im öffentlichen Trinkwassernetz nicht auszuschließen seien, könnte dieser Wechsel von harten auf halbharten Rohren am Lochfraß schuld sein – speziell im Versorgungsgebiet des Wasserwerks Holsterhausen, weil dort das Netz nach 2012 umfangreich saniert worden ist. Das lässt darauf schließen, dass es in der Vergangenheit doch viele veralterte Wasserleitungen im Netz der RWW mit Abplatzungen gegeben haben muss. Darauf deuten auch Trübungsmessungen des Gesundheitsamts hin. Sie sprechen von einem zum Teil 7-fach erhöhten Wert gegenüber den Empfehlungen der einschlägigen DVGW-Richtlinie. Sollte eine vom Landgericht Essen über den Sachverständigen Ansgar Borgmann (Wesel) in Auftrag gegebene Untersuchung bei der Bundesanstalt für Materialforschung in Berlin (BAM) wegen eines noch anhängenden Falls eines anderen Betroffenen zu einem ähnlichen Ergebnis kommen, will die Grefer GmbH alle Hebel in Bewegung setzen, um den Fall neu aufzurollen. Die BAM-Ergebnisse lassen allerdings noch auf sich warten.
Autor: Bernd Genath, freier Journalist
Urteile zur Haftung des Installateurs
Oberlandesgericht Hamm (21 U 95/15)
08. 02. 2018:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 27. 03. 2015 verkündete Grund-
und Teil-Endurteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Essen (17 O
198/11) wird zurückgewiesen. Die Kostenentscheidung für die erste
Instanz bleibt […]
Die Gewährleistungspflicht des Auftragnehmers
für einen objektiv festgestellten Mangel setzt lediglich voraus, dass
der Mangel seinem Werk anhaftet. Der Mangel muss aus seinem
Verantwortungsbereich herrühren […] Eine Mitursächlichkeit auf Seiten
des in Anspruch genommenen Unternehmers für den Schadenseintritt ist
ausreichend. Ein Zurechnungszusammenhang ist auch dann gegeben, wenn
mehrere Schadensursachen zusammenwirken.
Landgericht Essen (17 O 198/11)
27. 03. 2015:
Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt. Es wird festgestellt, dass
die Beklagte [der Handwerksbetrieb] dem Kläger [dem Altenheim]
sämtlichen weiteren Schaden zu ersetzen hat, der ihm durch Verlegung der
undichten Kupferrohrleitungen im Alten- und Pflegeheim […] entstanden
ist. […] Ferner wird festgestellt, dass die Beklagte auch künftige
Schäden an der Kupferrohrleitung im Alten- und Pflegeheim nachzubessern
hat und dem Kläger Schäden zu ersetzen hat, die durch Folgen dieser
Undichtigkeit entstanden sein werden, soweit diese Undichtigkeiten auf
Fehler der Beklagten […] Die Werkleistung der Beklagten war gemäß
§ 633 […] BGB mangelhaft. Die Sanitärinstallation eignete sich nicht
für die gewöhnliche Verwendung und weist nicht eine übliche
Beschaffenheit auf. Bei den Installationsarbeiten wurden durch die
Beklagte Verunreinigungen in die Rohre hineingebracht […]
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