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StartseiteWissenNewsHausgemachte (Hygiene)Probleme vermeiden
1. August 2019
Installationstechniken und Produkte können die Trinkwasserhygiene beeinflussen. Beispiele aus der Praxis
Wenn es um das sensible Thema Trinkwasserhygiene geht, ist
der Wandel scheinbar die einzige Kontinuität. Neue Erkenntnisse werfen
altes Wissen über Bord, innovative Produkte oder auch
Installationstechniken bringen bis dato unbekannte Konsequenzen mit sich
– mitunter begünstigen sie sogar gesundheitliche Gefährdungen.
IKZ-Chefredakteur Markus Sironi mit Beispielen, die zum Nachdenken
anregen und sensibilisieren sollen.
Fangen wir mit den
Kleinsten an: Legionellen. Noch vor wenigen Jahren waren sich
Trinkwasserexperten einig, dass Legionellen bei hohen Temperaturen
sicher absterben. Tatsächlich kommt es oberhalb von 60 °C zum Absterben
der Keime. Allerdings werden dabei längst nicht alle Bakterien
eliminiert. Inzwischen weiß man vielmehr, dass Legionellen bei Stress
wie chemische oder thermische Desinfektionsmaßnahmen, toxische
Metallionen oder auch Nährstoffmangel unter bestimmten Umständen in eine
Art Dämmerzustand fallen können. Sie sind dann nicht tot, sondern
lediglich inaktiv. Ein reiner Überlebenstrieb mit einer schwerwiegenden
Folge: Sie vermehren sich in dem Zustand nicht, lassen sich daher auch
nicht kultivieren und mit Standardmethoden nachweisen. Die Wissenschaft
spricht dabei vom sogenannten VBNC-Zustand (viable but non-culturable).
Geht die Hitze oder eben ein anderer Stressfaktor zurück und liegen
ansonsten günstige Bedingungen vor, vermehren sich die Bakterien
fleißig weiter. Sie werden gleichsam wieder infektiös und sind mit
Standardmethoden nachweisbar [1]. Das ist ein Grund, warum thermische
oder chemische Desinfektionsmaßnahmen manchmal nicht erfolgreich sind
und eine bakterielle Kontamination nur durch die Beseitigung der
Ursachen dauerhaft minimiert werden kann [2].
Dennoch ist die
Desinfektion eine vielfach präferierte Maßnahme. Wichtig dabei: Zeit und
Temperatur beachten, sie spielen gerade bei thermischen
Desinfektionsmaßnahmen eine entscheidende Rolle. Das ganze Rohrsystem
muss ausreichend aufgeheizt werden – vom Speicher bis hin zur letzten
Entnahmestelle und in den hintersten Biofilm des Systems. Gerade dort –
also im Biofilm an der Rohrwandung – leben rund 90 % der Legionellen und
dämmern während der Desinfektionsmaßnahme vor sich hin. Doch selbst mit
chemischen Maßnahmen kann Biofilm nicht effektiv entfernt werden, da er
eine Diffusionsbarriere für diese Mittel darstellt.
Hygienefalle Wärmeleitung
Ein
anderes Beispiel, diesmal aus der Installationspraxis. Auch hier gab es
in der Vergangenheit Fehleinschätzungen oder Fehlinterpretationen: So
wurde z. B. in hygienisch sensiblen Einrichtungen noch bis vor wenigen
Jahren die Zirkulation im Stockwerk bis zur Entnahmestelle geführt und
durchgeschliffen. Damit sollte einer Vermehrung von Legionellen auf der
Warmwasserseite vorgebeugt werden. Ein Trugschluss, wie die Erfahrung
gelehrt hat. Denn durch simple Wärmeleitung über die Armaturen und/oder
durch die von der Zirkulation aufgeheizten Installationswände verlagerte
sich die Problematik auf die Kaltwasserseite, die durch die permanente
Erwärmung plötzlich optimale Bedingungen für das Wachstum von
Legionellen bot. Inzwischen wurden und werden problembehaftete Anlagen
(teuer) rückgebaut oder sogenannte thermische Trenner eingesetzt, die
den Wärmeübergang mindern sollen.
Grundsätzlich ist also auf eine
korrekte Temperaturhaltung im Netz im Warm- und Kaltwasser zu achten.
Denn das Vorkommen von Legionellen wird entscheidend von der
Wassertemperatur beeinflusst. Ideale Wachstumsbedingungen finden
Legionellen bei Temperaturen zwischen 25 °C und 45 °C. Erst bei
Wassertemperaturen oberhalb von 55 °C wird das Legionellen-Wachstum
wirksam gehemmt. Umgekehrt können sich Legionellen bei Temperaturen
unterhalb von 20 °C nicht nennenswert vermehren [3]. 25 °C sollten daher
in Installationen auch im Sommer nicht dauerhaft überschritten werden.
Warmwasser
muss also warm, Kaltwasser kalt bleiben. Eine simple Regel, die im
Umkehrschluss eine Dämmung aller Leitungsteile als notwendig erscheinen
lässt. Aber auch hier gilt: Keine Regel ohne Ausnahme. Denn bei
Warmwasser-Stichleitungen kann es durchaus sinnvoll sein, sie auf den
letzten Metern eben nicht zu dämmen, damit die Rohrleitung rascher
abkühlt und den „Komfortbereich für Legionellen“ verlässt – in der
österreichischen „ÖNORM B 5019“ wird dies übrigens seit Jahren
gefordert.
Blicken wir auf den Bereich Kaltwasser, offenbart sich
zudem eine gänzlich andere Frage: Was tun, wenn das von den Stadtwerken
gelieferte Kaltwasser bereits eine Temperatur von 20 °C aufweist? Auch
das kommt in bestimmten Regionen Deutschlands durchaus regelmäßig vor.
Hygieneprobleme in der Trinkwasser-Installation sind bei derartigen
Eingangstemperaturen vorprogrammiert und lassen sich nicht einfach
„wegspülen“. Die Temperaturen müssen runter, notfalls per Kühlung [4].
Erste Pilotanlagen gibt es bereits. Doch selbst dieses gekühlte
Trinkwasser muss regelmäßig ausgetauscht werden – denn es gibt neben
Legionellen auch noch andere Bakterien, die sich ansonsten im kalten
Trinkwasser übermäßig vermehren würden.
Durchschleifen macht nicht immer Sinn
Wir
bleiben bei der Installationstechnik. Blickt man in die Technischen
Handbücher der Anbieter von Installationskomponenten und Rohrleitungen,
so entsteht vielfach der Eindruck, dass das Durchschleifen inzwischen
die einzig regelkonforme Installationsvariante ist und die
konventionelle T-Stück-Installation keine Berechtigung mehr hat. Dem ist
nicht so. Die T-Stück-Installation oder normenkonform die
„Einzelzuleitung zu Entnahmearmaturen“ ist nach wie vor fester
Bestandteil der Trinkwasser-Installation und keinesfalls unzulässig. Die
Vorgabe der DIN 1988-200 lässt sich in einem Satz zusammenfassen:
Einzelzuleitungen sollen so kurz wie möglich sein und nicht mehr als 3 l
Wasserinhalt aufweisen.
Warum überhaupt durchschleifen? Für das
Durchschleifen spricht die Vermeidung von Stagnation, vorausgesetzt,
dass die Sanitärobjekte entsprechend der Nutzung geschaltet werden.
Heißt konkret: Der am häufigsten genutzte Verbraucher muss in der Reihe
zuletzt angeschlossen werden – bei Kaltwasser beispielsweise das WC.
Ansonsten kann eine geschleifte Installation sogar die
Stagnationsproblematik verstärken. Denn für die Versorgung mehrerer
Objekte mittels durchgeschleifter Rohrleitungen müssen im Regelfall
größere Dimensionen mit dementsprechend größeren Innenoberflächen und
größerem Wasserinhalt installiert werden.
Mitunter empfiehlt sich
eine Kombination unterschiedlicher Installationsarten. Bleiben wir im
Wohnungsbau, Beispiel Außenzapfstelle: Diese kommt bestimmungsgemäß nur
in den frostfreien Monaten zum Einsatz, dazwischen droht Stagnation
aufgrund der Nichtbenutzung. Hier ist ein Durchschleifen bis zu einer
Armatur des täglichen (regelmäßigen) Gebrauchs zwingend anzuraten. Ein
anderes Beispiel aus dem privaten bzw. gewerblichen Bereich sind
Anschlussleitungen von Rückbrandsicherungen oder thermische
Ablaufsicherungen von Biomassekesseln. Diese Sicherheitseinrichtungen
kommen planmäßig nur bei einer Betriebsstörung zum Einsatz und können
somit regelrechte Brutstätten für Keime sein. Nicht zuletzt können die
heimische Sauna (Schwallbrause) oder das selten genutzte Ausgussbecken
in der Garage als installationstechnisch kritische Bereiche genannt
werden.
In hygienisch sensiblen Einrichtungen wie Krankenhäusern,
Altenheimen oder Kindergärten muss ebenfalls sorgfältig geprüft werden,
welche Zapfstellen durchgeschleift werden müssen, weil die regelmäßige
Nutzung nicht gewährleistet werden kann. Beispiel hier sind großvolumige
Badewannen, ein barrierefreies Bad – das wird oftmals nur aufgrund
baubehördlicher Vorschriften vorgesehen und selten genutzt – oder
vorsorglich angebrachte Zapfventile für Reinigungszwecke.
Eine
Alternative zur Reiheninstallation ist die Ringinstallation. Dabei wird
der Volumenstrom auf zwei Leitungen aufgeteilt. Gegenüber der
Durchschleif-Reiheninstallationen bringt das deutliche Vorteile: Der
Druckverlust in der Rohrleitung sinkt, ebenso der Rohrquerschnitt und
damit der Wasserinhalt. Ein weiterer wichtiger Vorteil: Das
Warmwasservolumen wird ausgetauscht, egal welche Armatur betätigt wird.
Ob
Einzelanbindung, Reihen- oder Ringinstallation, es gilt der Grundsatz:
Die spätere Nutzung entscheidet über die Installationsart. Überdies
gilt: Kann eine bestimmungsgemäße (regelmäßige) Nutzung auf Dauer nicht
sichergestellt werden, sind entsprechende Maßnahmen zu realisieren.
Diese können von automatischen Armaturen bis hin zur Spülstation
reichen.
Technik als Quelle des Übels?
Bleiben
wir bei der Technik. Mitunter kann der Wunsch nach mehr Effizienz zum
Auslöser für hygienische Beeinträchtigungen werden. Ein Beispiel sind
elektronische Durchlauferhitzer, die das Wasser gradgenau zur Verfügung
stellen. Temperaturschwankungen gibt es nicht mehr, ein Beimischen von
Kaltwasser etwa fürs Wannenbad oder beim Duschen ist ebenfalls nicht
mehr erforderlich. Thermostatbatterien? Unnötig! Klingt gut, doch als
eine unerwünschte Folge stagniert das Wasser auf der Kaltwasserseite.
Der Dreh am Warmwasser reicht schließlich aus.
Alles eine Sache der
richtigen Planung, denkt der Fachmann spontan. Im Neubau sicher, wie
zuvor beschrieben. Wie aber schaut es im Baubestand aus, wenn der
Durchlauferhitzer als Ersatz für ein hydraulisch arbeitendes Gerät
installiert wird? Dem Kunden erklären, dass es sinnvoll (oder gar
notwendig) ist, in Dusche und Wanne regelmäßig Kaltwasser ablaufen zu
lassen oder generell mit Temperaturerhöhung zu fahren? Es scheint fast
so.
Eine entsprechende Stellungnahme des Umweltbundesamtes (UBA) hat
kürzlich jedenfalls für Irritationen gesorgt. Danach kann es auch in
dezentralen Trinkwassererwärmern wie eben Durchlauferhitzern und in den
dahinterliegenden Leitungen zu einer Legionellenvermehrung kommen. Bei
der Abklärung von Legionelleninfektionen seien sie in die Ursachensuche
einzubeziehen [5]. Das heißt mitnichten, dass von Durchlauferhitzern
oder Frischwasserstationen per se eine Legionellengefahr ausgeht, stellt
das UBA in einem Telefonat klar. Ihnen wird aber auch keine hygienische
Absolution erteilt.
Aufklärung tut Not
Eine
zentrale Frage bleibt: Führen erhöhte Legionellenvorkommen im Wasser
regelmäßig zu Erkrankungen der Nutzer? Oder sind Erkrankungen vielleicht
nur die sprichwörtliche „Spitze des Eisbergs“ – und der größte Teil der
Kontaminationen bleibt „unsichtbar unter Wasser“? Aufklärung soll das
auf mehrere Jahre angelegte LeTriWa- („Legionellen in der
Trinkwasser-Installation“)-Projekt leisten. Dabei soll unter anderem
festgestellt werden, ob es tatsächlich einen Zusammenhang zwischen
erhöhten Legionellenkontaminationen im Trinkwasser und Legionellosen
gibt. Erste belastbare Ergebnisse des vom UBA und weiteren Partnern
getragenen Projekts werden wohl erst 2020 veröffentlicht.
In der
Zwischenzeit darf festgehalten werden: Wasser muss fließen, das ist eine
elementare Grundvoraussetzung für unser Lebensmittel Nummer 1. Ebenso
müssen die Temperaturen auf der Kalt- und Warmwasserseite stimmen.
Unterm Strich bleibt für den Praktiker eine wesentliche Erkenntnis der
Vergangenheit bestehen: Trinkwasserhygiene lässt sich nicht allein mit
dem Einbau von Produkten gewährleisten, seien sie noch so gut.
Trinkwasser-Installationen müssen bedarfsgerecht geplant, sorgfältig
gebaut und bestimmungsgemäß betrieben werden. Dann stimmt’s auch mit der
Hygiene – und das bei Ring- und Reihen-, aber eben auch bei
T-Stück-Installationen.
Literatur:
[1]
Erkenntnisse aus dem Projekt „Biofilm-Management“,
https://iww-online.de/download/erkenntnisse-aus-dem-projekt-biofilm-management/?wpdmdl=3588&ind=0
[2]
DVGW-Arbeitsblatt W 556 „Hygienisch-mikrobielle Auffälligkeiten in
Trinkwasserinstallationen: Methodik und Maßnahmen zu deren Behebung“,
Ausgabe: Dezember 2015
[3] Ratgeber des Robert-Koch-Instituts:
www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/
Merkblaetter/Ratgeber_Legionellose.html#doc2387614bodyText4
[4]
„Problembereich Kaltwasser – Innere und äußere Wärmelasten führen
gerade in großen Gebäuden zu einer unzulässigen Erwärmung des kalten
Trinkwassers.
Eine aktive Kühlung des Wassers schafft Abhilfe“, IKZ-FACHPLANER, Ausgabe Mai 2019, Seite 8 ff.
[5]
„Vorkommen von Legionellen in dezentralen Trinkwassererwärmern“,
Mitteilung des Umweltbundesamtes nach Anhörung der
Trinkwasserkommission, Stand: 18. 12. 2018
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