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StartseiteWissenNewsGebäudesicherheit in Simulation und Echtzeit erzielen
27. April 2020
Brand- und Gefahrenmeldetechnik praxisnah im digitalen Gebäudezwilling darstellen
Ob Performance-Daten in Echtzeit oder die intelligente Verknüpfung unterschiedlicher Gewerke und Systeme: Die Digitalisierung bietet bei Planung und Betrieb sicherheitstechnischer Systeme fortlaufend neue Möglichkeiten. Das zeigen beispielsweise aktuelle Lösungen für die Evakuierung im Brand- und Gefahrenfall. So kann etwa eine softwarebasierte Simulation bereits in der Planungsphase die baulichen Voraussetzungen für eine reibungslose Entfluchtung im späteren Ernstfall definieren.
In der Sicherheits- und Brandmeldetechnik steht der Schutz von Menschen, Sachwerten und Prozessen im Mittelpunkt. Hierbei geht es z. B. um die frühzeitige Detektion einer Gefahrensituation und um das sichere Evakuieren von Personen, die sich im Gebäude aufhalten. Die Grundlage für Sicherheitskonzepte, die solche komplexen Ansprüche passgenau erfüllen, bildet eine detaillierte, gewerkeübergreifende Planung, die sämtliche Bereiche einer Infrastruktur berücksichtigt.
BIM und digitaler Gebäudezwilling
Eine zentrale
Rolle spielt vor diesem Hintergrund die softwaregestützte Simulation des
Gebäudes in Form eines „Digital Twin“ – oder umgangssprachlich: eines
„digitalen Gebäudezwillings“. So wird bei der Methode BIM (Building
Information Modeling) das gesamte Gebäude mit allen Gewerken parallel
und abgestimmt geplant und im virtuellen Digitalmodell simuliert,
getestet und bei Bedarf korrigiert. Die Vorteile für den Einsatz von BIM
reichen dabei weit, angefangen bei der Erstellung eines koordinierten
Konzepts, einer hohen Datenqualität über die Möglichkeit zur gemeinsamen
Entwicklung einer höheren Gebäudefunktionalität bis hin zur virtuellen
Simulation.
In Bezug auf die Planung und den Betrieb
sicherheitstechnischer Systeme birgt BIM damit auch im Bereich der
passiven Sicherheit große Potenziale. Die Steuerung von Personenströmen
im Betriebsalltag lässt sich damit ebenso zuverlässig und praxisnah
testen wie etwa Evakuierungssysteme oder Brandschutzszenarien. Mit dem
digitalen Zwilling lassen sich z. B. die korrekten Positionen von
Brandmeldern einfacher ermitteln. Das Brandschutzsystem der Zukunft
wird damit noch weniger anfällig für zunächst unbemerkte Planungsfehler
sein.
Drei Gebäudetypen
Um ein breites
Anwendungsspektrum abdecken zu können, unterscheidet man bei dem
digitalen Zwilling eines Gebäudes zwischen drei unterschiedlichen Typen:
„Product Twin“, „Construction Twin“ und „Performance Twin“.
Der
Product Twin bildet jede verbaute Komponente als BIM-konformen Datensatz
ab und bietet damit alle relevanten Informationen zu Bauweise,
Material, Auslegung und Funktion des jeweiligen Geräts. Der Construction
Twin bildet das Gebäude mit allen seinen baulichen Details ab. Er wird
für die Vorplanung benötigt und erlaubt u. a. umfangreiche Simulationen
für den späteren Gebäudebetrieb.
Das größte Potenzial für einen
effizienten und sicheren Betrieb eines Gebäudes aber liegt im
Performance Twin. In diesen werden Live-Daten aus dem Gebäude übertragen
und in Echtzeit als komplettes Online-Abbild des Objekts im laufenden
Betrieb bereitgestellt. Der Performance Twin wird damit zur
Datendrehscheibe, in die unterschiedlichste Systeme integriert werden
können und durch die sich Gebäudeperformance und -effizienz steigern
lassen. Mittels der gesammelten Daten können auch Serviceleistungen wie
beispielsweise aus der Wartung digitalisiert und effizienter gestaltet
werden – wertvolle Zeit und Ressourcen lassen sich so sparen.
Digitalisierung optimiert Gebäudeentfluchtung
Ein
Beispiel dafür, wie der digitale Gebäudezwilling die Sicherheit von
Mensch und Gebäude erhöht, ist die Simulation der Gebäudeentfluchtung,
und zwar sowohl in der Planungsphase als auch im Praxisbetrieb. Die
Voraussetzung dafür bilden Tools wie z. B. die
Evakuierungssimulationssoftware von Siemens. Sie erlaubt die direkte
Simulation auf Basis des vom Planer bereitgestellten digitalen
Construction Twin, und damit die Analyse von Evakuierungszeiten und
kritischen Engpässen unter Berücksichtigung verschiedener Szenarien.
Basierend
auf dem 3D-Modell des Construction Twin fügt die Software
Einzelpersonen und Gruppen so in das virtuelle Gebäude ein, wie sie sich
typischerweise im Gebäude aufhalten und bewegen. Dann wird der
Evakuierungsablauf simuliert. Die Software errechnet und visualisiert
die möglichen Fluchtwege sowie das zu erwartende Menschenaufkommen.
Dabei wird auch berücksichtigt, dass sich einzelne Personen
möglicherweise entgegen der Fluchtrichtung der Menschenmenge bewegen,
beispielsweise Ersthelfer, die zum Brandherd vordringen müssen.
Bereits
während der Planung eines Gebäudes lassen sich somit die Punkte
ermitteln, die gefährliche Situationen begünstigen. Diese Engpässe
können dann durch geeignete bauliche Maßnahmen präventiv entschärft
werden. Mit den Erkenntnissen aus der Simulation lassen sich so
bestehende Sicherheitssysteme optimieren, indem Engpässe oder
Gefahrensituationen erkannt und schon in der Planungsphase behoben
werden können. Die Anwendung der Simulationssoftware kann ebenso bei
Umbauten oder bei der Umnutzung von Gebäuden zum Einsatz kommen.
Entfluchtung in Echtzeit planbar
Der Performance
Twin macht die Entfluchtung in Echtzeit transparent und damit planbar.
Die Evakuierungssoftware greift dafür auf Gebäudemanagement- und
Intelligent-Response-Systeme zu, die dynamisch auf Gefahrensituationen
reagieren und die Menschen aus der Gefahrenzone leiten können.
Auf
Basis der gebündelten Echtzeit-Informationen berechnet die Software
dynamisch die besten Entfluchtungswege und überträgt diese in das
Gebäudemanagement. So berücksichtigt das Programm automatisch, welche
alternativen Wege genutzt werden können, wenn ein Fluchtweg plötzlich
blockiert ist. Die Information der Gebäudenutzer im Gefahrenbereich und
die Steuerung der Personenströme erfolgt aus dem Gebäudemanagementsystem
durch integrierte Fluchtweglenkungssysteme, gestützt durch
situationsspezifisch definierte Sprachdurchsagen und dynamische
Anzeigen.
Soweit vorhanden, können auch Indoor-Positioning-Systeme
zur zusätzlichen Alarmierung und Lenkung genutzt werden. Auch nützlich
ist dies beispielsweise in modernen Bürogebäuden, die als Business
Centers oder Coworking Spaces kurzfristig an Nutzer vermietet werden,
die dort dann keinerlei Ortskenntnis haben. Ist dort ein
Indoor-Positioning-System zur Personenidentifikation installiert, kann
der Fluchtweg zusätzlich auf dem Smartphone des Nutzers angezeigt werden
(Indoor-Navigation).
Darüber hinaus ermöglichen sogenannte
Mass-Notification-Systeme, also beispielsweise per SMS, über
Social-Media-Kanäle oder durch Warnungen auf den Computerbildschirmen an
den Arbeitsplätzen zu alarmieren. Diese Anwendungen sind sinnvoll z. B.
für Hochschulen, Industrieanlagen und andere große Liegenschaften, in
denen sich Personen über einen längeren Zeitraum aufhalten. Die
Voraussetzung ist allerdings, dass sich jeder Gebäudenutzer im Zuge des
Sicherheitskonzeptes in einem entsprechenden System registriert bzw.
anmeldet.
Fazit
Die Digitalisierung in der
Brandschutztechnik hat viele Facetten. Der digitale Gebäudezwilling
ermöglicht heute neue Wege bei Alarmierung und Evakuierung. Dabei sind
die Potenziale in diesem Zusammenhang aber noch längst nicht
ausgeschöpft. Ebenso wird die Bedeutung von BIM vor diesem Hintergrund
in den kommenden Jahren noch weiter zunehmen.
Autor: Michael Brotz, Leiter Solution Safety Deutschland, Siemens AG, Building Technologies Division
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