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Folgenschweres Urteil



Folgenschweres Urteil
 
 
 

5. Juli 2023

Ein aktueller Rechtsstreit um den Verbleib von 15.000 m³ Trinkwasser wirft viele Fragen auf
Bei Wasserzählern mit mechanischen Zählwerken können in seltenen Fällen unkontrollierte Zählwerksfortschritte auftreten, volkstümlich als Rollensprünge bezeichnet. Über die damit einhergehenden Folgen haben wir in der IKZ bereits mehrfach ausführlich berichtet [1, 2, 3, 4, 5]. Verbraucher sind in einer aussichtslosen Position, wenn bei Rechtsstreitigkeiten die Gerichte, wie üblich, ausschließlich von Beweislagen einer bestandenen Befundprüfung ausgehen, und die Größe von bestrittenen Verbrauchsvolumina keine Berücksichtigung findet. In einem unlängst bekannt gewordenen Urteil des Landgerichtes Wuppertal vom 13. 12. 2021 (Az.: 3 O 401/15) führte das dazu, dass ein Volumen von 15.000 m³, dessen Entnahme und Verbleib praktisch wie theoretisch unmöglich ist, bezahlt werden muss.


Rückblick. Im Jahr 2014 erwarb eine Immobilienfirma ein aus drei Geschossen bestehendes Gewerbeobjekt in Haan. Das Untergeschoss steht seit 2002 leer. Aus einer früheren Nutzung durch einen Lebensmitteldiscounter sind im Untergeschoss noch Personaltoiletten und eine ebenerdige Verbindung zu einer öffentlichen Tiefgarage vorhanden. Beide Bereiche sind abgesperrt. Im Erd- und Obergeschoss werden alle Wasserentnahmen durch geeichte Unterzähler erfasst.
Der Rechtsstreit hat seine mutmaßliche Ursache in Baumaßnahmen des örtlichen Wasserversorgungsunternehmens (WVU) gleich nach dem Erwerb des Objekts. In der Zeit vom 08. 01. 2014 bis 03. 02. 2014 wurde im Auftrag des WVU die Einbindung der vorhandenen Wasserversorgungsleitung in eine neue Leitung ausgeführt. Der Abstand der Baustelle zur Hauswand und zum Haus-Wasserzähler beträgt etwa 6 m. Dazu sei angemerkt: Beim montagebedingten Öffnen der Wasser-Versorgungsleitung ist das Eindringen von Luft in die Hausanschlussleitung und in das Zählwerk des Wasserzählers nicht auszuschließen. Bemerkt wird das in der Regel nicht. Beim Haus-Wasserzähler (Baujahr 2011) handelte sich um einen Mehrstrahl-Flügelradzähler für Kaltwasser der Größe Qn 10, ein sogenannter Nassläufer, bei dem das gesamte Zählwerk des Messeinsatzes sich im Wasser befindet. Die strittige Anzeige des Mehrverbrauchs von 15.000 m³ wurde Ende 2014 festgestellt. Für die in der Tabelle 1 aufgelisteten Zählerstände sind Belege vorhanden. Der auf die Jahre umgerechnete Verbrauch sowie die inzwischen vorliegenden Verbrauchswerte für die Jahre 2015 bis 2019 sind in Bild 1 dargestellt. Der für eine maximale Zeitdauer von 301 Tagen festgestellte minimale durchschnittliche Tagesverbrauch von 51 m³ liegt über dem Hundertfachen des registrierten Durchschnittsverbrauchs des am 15. 12. 2014 installierten Wasserzählers bis zum 30. 06. 2015. Der Wasserzähler hat eine Befundprüfung bei einer privaten, staatlich anerkannten Prüfstelle Ende 2014 bestanden. Dem Protokoll des Landgerichts vom 18. 09. 2017 zufolge waren nach Zeugenaussage keine Leckagen, keine Wasserschäden und keine permanent laufenden Wasserentnahmen im Objekt festzustellen.
Bei seiner Befragung als Zeuge am 09. 11. 2018 im Landgericht konnte sich der Prüfer nicht an die von ihm am 16. 12. 2014 durchgeführte Befundprüfung des Wasserzählers erinnern. Auch schriftliche Unterlagen zur Prüfung sind über den Prüfschein hinaus nicht mehr vorhanden. Dennoch gab der Prüfer an, dass er einen Rollensprung, also mögliche Ursache für eine Falschanzeige, bemerkt hätte – ohne dies zu begründen.

Zweifel am Fachwissen der Gutachterin
Das Landgericht hat die Auskunft von zwei Eichdirektionen eingeholt, wonach ein bereits befundgeprüfter und zerlegter Wasserzähler nicht mehr auf das Vorliegen eines Rollensprungs untersucht werden könne. Die Eichdirektion hat dem Gericht im weiteren Verlauf eine technische Angestellte eines Eichamtes als Sachverständige vorgeschlagen. Diese hat das Landgericht im Juli 2020 mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt.
Die Sachverständige hat ihr Gutachten am 29. 09. 2020 und einen Nachtrag dazu am 25. 01. 2021 dem Landgericht übergeben. Im Gutachten ist dokumentiert, dass bei der Befundprüfung am 16. 12. 2014 das Zählwerk zerstörerisch beschädigt wurde. Dieser wichtige Sachverhalt wurde im Prüfschein allerdings nicht erwähnt. Die Sachverständige erklärte dazu, dass der Prüfer nicht verpflichtet gewesen sei, die Beschädigungen im Prüfschein zu vermerken. Ungeklärt blieb die Frage, ob trotz der Beschädigungen des Zählwerks die Befundprüfung überhaupt ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Denn ohne die Möglichkeit dieser Feststellung darf von einem Bestehen der Befundprüfung nicht die Rede sein. Im weiteren Verlauf ihrer Untersuchungen hat die Sachverständige das Rollenzählwerk ohne Gehäuse und damit ohne axiale Begrenzung der Zahlenrollen-Abstände zusammengefügt. Die daraus abgeleitete Feststellung lautet: „… Es finden sich keine Anzeichen dafür, dass das freie Durchdrehen einer der Zahlenrollen, auch in Verbindung mit der … gezeigten Beschädigung, möglich ist.“
Dass diese Aussage der Feststellung von zwei Eichdirektionen widerspricht, wurde nicht hinterfragt. So kam das Gericht zu der Überzeugung, dass das Messgerät ordnungsgemäß funktioniert hat, obwohl die Funktionsfähigkeit bei der Befundprüfung eben nicht untersucht wurde.
Bei der mikroskopischen Überprüfung von Bauteilen wurde das Bauteil mit dem größten Verschleiß, der Zahnkranz (Ritzel) des Flügelrades, nicht untersucht. Das Flügelrad müsste sich bei einem angezeigten Gesamtvolumen von 15.935 m³ = 15.935.000 l über 116 Millionenmal gedreht haben und dementsprechend Verschleißmerkmale durch Abrieb zeigen. Die Sachverständige äußerte demgegenüber, dass ihr kein Fall bekannt wäre, „bei dem das Ritzel der Flügelradwelle als Indikator für eine hohe Laufleistung eines Wasserzählers nachweislich hinzugezogen werden konnte.“
Die Sachverständige hat im weiteren Verlauf ihrer Bearbeitung einige Bauteile des Rollenzählwerks nachgemessen, mit Maßen nach Angabe des Herstellers verglichen und keine Abweichungen festgestellt. Allerdings hat sie die für die axialen Abstände der Zahlenrollen und deren einwandfreie Funktionsweise unerlässlichen Innenmaße des Rollenzählwerk-Gehäuses nicht vermessen, weil das wegen der Zerstörungen nicht möglich war. Ohne diese unerlässlich wichtige Abmessung des streitgegenständlichen Wasserzählers zu kennen, erklärte die Sachverständige dem Gericht, dass Rollensprünge im streitgegenständlichen Wasserzähler nicht möglich gewesen wären. Zitat: „Sind alle Maße laut Herstellerangaben eingehalten und finden sich keine zusätzlichen Schäden oder Auffälligkeiten an den Bauteilen, so ist davon auszugehen, dass ein freies Durchdrehen einer der Zahlenrollen im montierten Rollenzählwerk mit seiner kompakten und verschachtelten Bauweise nicht möglich ist.“
Auch den Einfluss von Luft im Zählwerk des Wasserzählers schloss die Sachverständige in der öffentlichen Sitzung am 15. 11. 2021 aus. Dabei wurde über störanfällige Einflüsse von Luft auf die Zählfunktion in Rollenzählwerken von ­Wasserzählern in der Fachliteratur bereits im Jahr 2015 ausführlich berichtet [1].

Private Gutachten wurden ignoriert
Im Auftrag der Immobilienfirma wurden zwei private Sachverständigen-Gutachten angefertigt und dem Gericht vorgelegt. Danach seien Entnahme und Verbleib von 15.000 m³ Wasser nicht möglich, und nur erklärlich mit Funktionsstörungen des Rollenzählwerks. Der eine Gutachter ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für das Installateurhandwerk und Installateurmeister.
Dennoch wurde die Kernfrage, nämlich die Entnahme von 15.000 m³ Trinkwasser und deren Verbleib im Objekt im Gerichtsverfahren kaum erörtert. Die beiden vorhandenen Privatgutachten, die auch der Sachverständigen mit der Gerichtsakte vorlagen, wurden schlicht ignoriert. Vom Gericht wurde das damit begründet, dass die beiden Sachverständigen den Wasserzähler nicht untersucht hätten. Nach Ansicht des Gerichts ist es nicht ausgeschlossen, dass der hohe Verbrauch ggfs. durch defekte Wasserverbrauchsstellen wie Druckspüler, Toilettenspülkästen, Wasserhähne oder sonstige Zapfstellen innerhalb des Gebäudes verursacht worden sein könnte. Dazu ist anzumerken, dass im Objekt keine Druckspüler vorhanden sind, keine Defekte und auch keine Leckagen bekannt geworden sind. Darüber hinaus ist dem Autor bekannt, dass in drei Parallel-fällen mechanische Rollenzählwerke desselben Herstellers fehlerhafte Verbrauchs-werte von ≥ 10 000 m³ angezeigt haben.
Zur von der Immobilienfirma dem OLG Düsseldorf vorgelegten Berufung wird in einem Hinweisbeschluss vom 26. 09. 2022 (Az.: I-26 U 1/22) mitgeteilt, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hätte. Dem wurde am 27. 10. 2022 widersprochen und eine ausführliche Begründung vorgelegt. Das OLG hat jedoch ohne Verhandlung in einem Beschluss vom 02. 11. 2022 die Be-rufung zurückgewiesen. Die begründeten Einsprüche über den Einfluss von Luft im Rollenzählwerk als Ursache für die Fehl-anzeige und der Hinweis, dass sich meh-rere Wasser-Entnahmestellen nicht selbst-tätig öffnen und wieder schließen können, wurden abgewiesen. In einer öffentlichen TV-Sendung des Senders SAT1 am 07. 11. 2022 hat eine Sprecherin des OLG noch einmal festgestellt, dass es nicht aus-geschlossen sei, dass durch defekte Rohr-leitungen das Wasser entwichen sei. Die Aussagen der Sachverständigen besagen allerdings das genaue Gegenteil. Und die vom Gericht beauftrage Sachverständige hat sich mit der Entnahme und dem Ver-bleib von 15.000 m³ Trinkwasser im Objekt nicht beschäftigt. Es ist somit unklar, wie dieSprecherin des OLG zu dieser Aussage kam.

Zusammenfassung
Das Landgericht Wuppertal hat die Klage einer Immobilienfirma auf Rückzahlung einer zuvor erzwungenen Zahlung für die Lieferung von Trinkwasser abgewiesen. Nach Ansicht des Gerichts könnten 15 000 m³ über defekte Wasserverbrauchsstellen wie Druckspüler, Spülkästen, Wasserhähne und dergleichen unbemerkt abfließen. Dagegen schließen das zwei von der betroffenen Immobilienfirma eingeholte Privatgutachten für das konkrete Objekt definitiv aus. Für das Landgericht und auch für das im Berufungsverfahren angerufene Oberlandesgericht steht die ordnungsgemäße Funktionsfähigkeit des Wasserzählers fest, obwohl sich das aus der erfolgten Befundprüfung nicht erschließt, und die zwingend vorgeschriebene Funktionskontrolle nicht durchgeführt wurde, weil das Gehäuse des Rollenzählwerks beim Öffnen zerstört wurde. Als mutmaßliche Ursache der fehlerhaften Verbrauchsanzeige in den gerichtlichen Verfahren orgetragene Zählwerksstörungen in Form sog. Rollensprüngen – Folge von Luft, die ins Rollenzählwerk eingedrungen ist – blieb von den Gerichten unbeachtet. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Die Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof ist anhängig.

Literatur:
[1] L. Gutjahr, G. Hofmann: Rollensprünge durch defekte Messeinsätze, IKZ-Fachplaner, Mai 2015, Strobel-Verlag, Arnsberg
[2] Fehlerhafte Verbrauchsanzeigen von Wasserzählern, Bericht in der IKZ-Haustechnik, 23/24/2016, S. 80
[3] G. Hofmann: Interview, Funktionsstörung im Schaltgetriebe, IKZ-Haustechnik, 5/2018
[4] G. Hofmann: Interview, Ohne Befund und dennoch mangelhaft, IKZ-Haustechnik, 10/2019
[5] G. Hofmann: Ein Nachweis ist kaum möglich, IKZ-Haustechnik, 7/2022

Autor: Dipl.-Ing. Georg Hofmann

Bilder: Hofmann





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