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Energiekennwerte und Nutzereinfluss



Energiekennwerte und Nutzereinfluss
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

22. September 2021

Erfahrungswerte in einem Quartier mit zwei realen teilautarken Mehrfamilienhäusern

Das Verhalten von Bewohnern kann den anlagentechnisch möglichen geringen Energieverbrauch eines Hauses in die Höhe treiben. Der Nutzereinfluss auf die Deckungsgrade in zwei energetisch vernetzten teilautarken Solarhäusern ist u. a. Gegenstand eines Forschungsprojekts der TU Bergakademie Freiberg.

Die Erwirtschaftung von Energiegewinnen durch die zu versorgenden Gebäude selbst ist ein Lösungsansatz der Wärmewende. Dabei rückt die Optimierung der Anlagentechnik für gemeinschaftlich verbrauchende und im Energieaustausch befindliche Gebäude, die sogenannten Quartiere, in den Fokus der Betrachtungen. Ein mehrjähriges Forschungsprojekt der TU Bergakademie Freiberg misst und bewertet die Energieflüsse in zwei realen teilautarken Mehrfamilienhäusern – auch in Zusammenhang mit dem Nutzereinfluss, da das Projekt der Erprobung eines Finanzierungsmodells durch Pauschalmiete dient. Die Gebäude wurden 2018 im Auftrag der eg Wohnen 1902 in Cottbus 2018 nach dem Sonnenhaus-Konzept durch die Fa. Helma Eigenheimbau AG mit je 7 Wohneinheiten (WE) gebaut. Mit einem geplanten Primärenergiebedarf < 10 kWh/m²a (EnEV 2013) erreichen die Gebäude mit ihren Solaranlagen und Speichern Deckungsgrade von bis zu 77 % elektrisch und 65 % thermisch, vgl. Tabelle 1 und [Anmerkungen 1, 2, 3]. Die Mieter erhalten sämtliche ­Energiedienstleistungen verbrauchsunabhängig, durch eine pauschale Miete abgegolten [2, 3]. Nachfolgend werden die Bilanzergebnisse aus zwei Messjahren eines bundesmittelgeförderten energetischen Monitorings (FKZ 03ETS004), sowie das Verhalten der Nutzer analysiert und deren Auswirkungen auf die Energiebilanz der Gebäude dargestellt.

Steckbrief Planungsdaten hochgradig solarversorgter Mehrfamilienhäuser
Als wesentliche zusätzliche technische Umsetzungen sind zu nennen:

  • Passive Fußbodenkühlung mittels Geo­thermiesonden (Wärmesenke Erd-
  • reich). Warmwasseranschluss für Spül- und Waschmaschinen in allen Wohnungen
  • Nahwärme-Stichleitung: Abgabe von Überschusswärme an Bestands-Nachbargebäude möglich (vgl. Bild 2).
  • Kein eigener Stromanschluss. Die Gebäude werden durch ein Subnetz von einem benachbarten Bürogebäude aus versorgt. Umgekehrt werden die elektrischen Überschüsse großteilig durch das Bürogebäude genutzt (vgl. Bild 2).

Für die energetische Versorgung der Häuser wurde somit auf bewährte Technik gesetzt. Das FuE-Projekt vollzieht nach, inwieweit eine anteilige Energieversorgung mit Erneuerbaren Energien in Mehrfamilienhäusern ohne Einzelabrechnung praktisch durchgeführt werden kann. Die Daten liefert ein umfangreiches Monitoring der Energieeinträge und Verbräuche. Über den Vergleich mit den Planungswerten sowie mit aus der Literatur bekannten Durchschnittsverbräuchen, wird das gewählte Vertragsmodell – kein klassisches Mieterstrommodell nach dem Mieterstromgesetz, sondern eine Sonderform mit pauschalisierter Abrechnung für Strom und Wärme – wirtschaftlich bewertet. Hierzu werden die Kreise Wärme und Strom einzeln erfasst (Bild 3).

Messwertauswertung: Jahresbilanz, Betrachtungsebene Haus
Von wesentlichem Interesse in der Bewertung der Energieströme ist der jährliche Verlauf des Autarkiegrades. Der Autarkiegrad A wird im Folgenden bestimmt aus:

Diese Definition entspricht der Vorgehensweise in der Planung [5]. Besonders wärmeseitig sind Speicherverluste kaum verursachergerecht zuzuordnen. Daher existieren unterschiedliche Definitionen. Hier wurde ein Mittelweg gewählt bei dem die Speicherverluste anteilig auf Selbsterzeuger und Backup-System aufgeteilt werden.

In Bild 4 sind die solaren Deckungsgrade beispielhaft für Haus 1 für einen Auszug des bisherigen Monitoringzeitraums dargestellt. Deutlich wird, dass der Deckungsgrad für den Wärmebedarf in der Übergangs- und Winterzeit drastisch einbricht, aber erwartbar im Sommer nahezu Autarkiebedingungen erfüllt. Der Einbruch liegt u. a. an einem gegenüber den Planungen deutlich erhöhten Wärmeverbrauch, siehe Bilanzdaten in Tabelle 2. Dieser resultiert auch aus einer zusätzlich eingebauten WE im Dachgeschoss. Die Berechnung der Planungswerte geht noch von 6 WE aus, zum tatsächlichen Wärmeverbrauch tragen 6+1 WE bei. Vor diesem Hintergrund fällt die Verfehlung des geplanten thermischen Deckungsgrades verhältnismäßig knapp aus. Dies ist durch den höheren solarthermischen Ertrag in Folge des gestiegenen Bedarfs begründbar und kann als begrenzte Pufferwirkung des Systems gegenüber Mehrverbrauch angesehen werden.

Wie Bild 4 zeigt, weist der Deckungsgrad für Strom eine ganzjährig hohe ­Eigendeckung auf. Zusätzlich wurden die theoretischen Werte ohne Akku gegen­übergestellt. Die Graphen zeigen, dass der Eigendeckungsgrad durch die Installation des Akkus ganzjährig um den Faktor 1,7 bis 2 erhöht wird.
In Bild 5 ist der Verlauf der nutzbaren Akku-Beladung über 2 Messjahre tagesaufgelöst dargestellt. Es wird deutlich, dass es sich hierbei um einen Kurzzeitspeicher handelt, wobei die volle Kapazität nur in der Übergangszeit ausgenutzt wird. Insgesamt kann für zukünftige Auslegungen geschlussfolgert werden, dass in der jetzigen Nutzungsvariante der Akku im Winter zu groß für den „geringen“ PV-Ertrag und im Sommer zu groß für den Nachtverbrauch ist. Hier kann nachjustiert werden.

Messwertauswertung – Betrachtungsebene Wohnungen
In Bild 6 sind die Prognosedaten des jährlichen Stromverbrauchs der vermessenen Wohnungen den gemittelten Tages-Lastverläufen dreier Beispielwohnungen gegenübergestellt. Die Messwerte zeigen wesentliche Unterschiede, sowohl in der Höhe wie auch im tageszeitlichen Verbrauch. Vorteilhaft ist die daraus resultierende Glättung des Lastverlaufes und des Verbrauches für das Hausnetz. Sowohl im Hinblick auf den Strom- wie auch auf den Warmwasserbedarf gibt es Viel- und Geringverbraucher in den Mehrfamilienhäusern. Der Verlauf der geordneten Werte entspricht in etwa einer Normalverteilung. Die Messwerte zeigen keine besonderen Ausreißer, die auf ein missbräuchliches Verhalten schließen lassen, jedoch eine große Bandbreite. So wird für den Warmwasserverbrauch zwischen 1,5 und 34,8 m³/Person (Frischwassertemperatur: 60 °C Eintritt in Warmwasserleitung) ermittelt. Der Stromverbrauch liegt mit 990 bis 3430 kWh/WE im Rahmen typischer Verbrauchswerte für 2-3 Personenhaushalte [6].

Den einzelnen Wohnungen kann der Stromverbrauch, viertelstündlich nach Herkunft (Netzbezug, Akku, Direktverbrauch Photovoltaik) untergeteilt, zugeordnet werden. In Bild 7 wird ersichtlich, dass aufgrund des tageszeitlich schwankenden Lastverlaufes auch die Anteile der Stromdeckung aus dem Akku und direkt aus der Photovoltaik-Anlage variieren. Über ein Jahr betrachtet (Gesamt, in Bild 7) zeigen sich aber auch hier ein Ausgleich bzw. eine Angleichung.

Simulation: Parametervariation
Für die Beurteilung der Anlagendimensionierung wurde eine reine Simulationsanalyse an einem Matlab/Simulink-Modell unter kombinierter Nutzung der Toolboxen Edgar [7] und Carnot [8] durchgeführt. Danach werden die energetischen und ökonomischen Auswirkungen verschiedener Anlagendimensionierungen betrachtet.

Ausgehend von dem in Cottbus realisierten Energiesystem (gestrichelte Linie in Bild 8) und den Energieverbräuchen aus dem Matlab/Simulink-Modell ergeben sich die dargestellten solaren Deckungsgrade für Strom und Wärme. Es wurde für die Wärme- und Stromversorgung jeweils die Größe des Solarkollektors und des Speichers variiert.

Die Angabe der Ergebnisse erfolgt unter Normierung der Anlagengröße auf den simulierten Energieverbrauch (elektrisch: 16,9 MWh/a, thermisch: 44 MWh/a). Damit werden die Ergebnisse vergleichbar, sofern ein gleicher oder ähnlicher Profilverlauf angenommen werden kann.

Wird der gemessene Energieverbrauch von Haus 1 eingesetzt, ergäbe sich nach der Simulation ein vom Messwert abweichender Deckungsgrad (Punkt C). Die Abweichung kann bei der elektrischen Versorgung an einer höheren Grundlast, bzw. einem größeren Leerstand liegen.

Die wesentliche Erkenntnis aus diesen Abbildungen ist, dass sowohl bei der Stromversorgung als auch bei der Wärmeversorgung die Speicherkapazität verringert werden kann, um den geplanten solaren Deckungsgrad von 77 % (Strom) und 65 % (Wärme) zu erreichen. Der energetische Zusatznutzen sinkt bei zu großen Kapazitäten, da der Speicher dann seltener be- und entladen werden kann.

Die Schlussfolgerung der energetischen Auswertung der Parametervariation spiegelt sich teilweise auch in der wirtschaftlichen Betrachtung wieder (s. Bild 9), welche sich aus den Kosten nach Tabelle 3 ergeben. Es wurden nur die Kosten der Energieversorgung berücksichtigt und auf die Referenzvariante einer Versorgung ohne Eigenenergieproduktion bezogen.

Für Einsparungen in der Stromversorgung muss die Akkukapazität deutlich geringer sein als in Cottbus realisiert. Wenn die PV-Leistung mit 30 kWp festgesetzt ist, darf der Akku unter günstigen Rahmenbedingungen (Preissteigerung von 2,5 % p.a.) höchstens eine Kapazität von ca. 20 kWh aufweisen. Das Erhöhen der PV-Leistung hingegen führt wegen der garantierten Einspeisevergütung immer zu höheren Einnahmen (vgl. Bild 9 links).

Die Wärmeversorgung mit einer Solarthermieanlage (Bild 9, rechts) ist nur bei einer geringen spezifischen Fläche von maximal 0,7 m²/MWh kostengüns­tiger als die Referenz, wobei nur ein Deckungsgrad von rund 50 % erreichbar wäre. Das in Cottbus realisierte Konzept ist nach dieser Berechnung mit ca. 1,4-fachen Kosten verbunden. Aus der gemeinsamen Betrachtung der Wirtschaftlichkeit der Strom- und Wärmeversorgung kann geschlossen werden, dass die verfügbare Dachfläche neben einer kleinen solarthermischen Anlage bevorzugt mit PV-Modulen belegt werden sollte. Perspektivisch wäre für Neuplanungen standort­abhängig bei ähnlichem Mietklientel eine Ausrichtung der solaren Nutzflächen für Photovoltaik auf Süd / Süd-West überlegenswert, um den PV-Direktverbrauch zu erhöhen. Als weitere Nutzung des zusätzlichen PV-Stroms könnte zur Wärmeversorgung eine Wärmepumpe installiert werden. Als Wärmequelle böte sich die ohnehin vorhandene Erdsondenbohrung an, die bisher nur für die Kühlung im Sommer genutzt wird.

Fazit
In den zwei Mehrfamilienhäusern zeichnet sich ein geringer bis normaler Jahresstromverbrauch mit ausgeglichenen Lastgängen ab. Insbesondere durch den Akku konnten, den Planungswerten entsprechend, hohe Autarkiegrade erreicht werden. Der Akku ist nicht voll ausgelastet; in einem Projekt mit vergleichbaren Verbrauchsstrukturen könnte er kleiner dimensioniert werden. Aus den Verbrauchswerten lässt sich auf eine sparsame Nutzung bei gehobener Geräteausstattung schließen, der Mieterklientel entsprechend. Das Verbrauchsverhalten ist trotz Pauschalmiete vergleichbar mit Literaturwerten und weist keine Auffälligkeiten auf. Es konnte gezeigt werden, dass neben der tageszeitlichen Verteilung typischer Lasten auch der Gesamtverbrauch einer Wohnung den solaren Direktverbrauchsanteil beeinflussen kann, wobei das tageszeitliche Nutzerverhalten stärkere Auswirkungen hat. Perspektivisch ist für Neuplanungen standortabhängig eine Ausrichtung der solaren Nutzflächen für Photovoltaik auf Süd / Süd-West überlegenswert, um den PV-Direktverbrauch zu erhöhen. Im Wärmebereich zeigt sich, dass hohe Autarkiegrade nur im Sommer erreicht werden. Die unterschiedlichen Warmwasserverbräuche der Bewohner hielten sich im üblichen Rahmen. Eine Auskopplung von überschüssiger Wärme sowie Strom der PV-Anlagen ins Quartier über kleine Nahwärme- bzw. Stromnetze steigert den Anteil an der Erneuerbaren Energieversorgung, bei der Solarthermie auch den Gesamtertrag. Diese Kombination kann als mögliche Variante für eine zukünftige auf Erneuerbaren Energien basierenden Quartiersversorgung gesehen werden.

1) Weitere Informationen sowie tagesverzögert die „Live-Messdaten“ sind auf der Homepage des Projekts Eversol unter dem Kurzlink bit.ly/3h49IyO abrufbar.

Autoren: Prof. Dr.-Ing. Tobias Fieback,
Dr. Thomas Storch, Andreas Gäbler,
Undine Fleischmann, Lehrstuhl für Technische Thermodynamik, TU Bergakademie Freiberg

Literatur
[1]    A. Gäbler, T. Storch, L. Oppelt und T. Fieback, „Nutzereinfluss auf den Energiebedarf zweier teilautarker Mehrfamilienhäuser“ in Online-Symposium Solarthermie und innovative Wärmesysteme, 2020, S. 289–294.
[2]    A. Gäbler, T. Storch, T. Fieback: Sozioenergetisches Monitoring solar versorgter Mehrfamilienhäuser mit Pauschalmietmodell, Symposium Solarthermie und innovative Wärmesysteme, Mai 2019, Bad Staffelstein, DOI: 10.13140/RG.2.2.24342.09282.
[3]    Projektwebseite „Eversol“, eversol.iwtt.tu-freiberg.de/index_de.html, Stand: 03.2021
[4]    R. Köster, „Energieberatung nach DIN 4108-6 und DIN 4701-10: Energieautarkes Mehrfamilienhaus Haus 1“. Energieausweis, Lehrte, 2018.
[5]    T. Leukefeld, „Der energetische Kompass für die
eG Wohnen 1902“, Firma Timo Leukefeld, 2016.
[6]    BDEW und CO2online GmbH, Hg., „Stromspiegel für Deutschland 2017“, 2017.
[7]    FI Freiberg Institut GmbH: Toolbox Edgar für Matlab/Simulink. Freiberg, 2020
[8]    A. Wohlfeil, CARNOT Toolbox. Version 6.3, fh-aachen.sciebo.de/index.php/s/0hxub0iIJrui3ED, Aachen, 2018.

Bilder: TU Bergakademie Freiberg


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