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Hygienetipps für die Trinkwasser-Installation



Hygienetipps für die Trinkwasser-Installation
 
 
 
 
 

28. September 2020

Erhalt der Trinkwassergüte: Keimen keine Nahrung geben

Für die Trinkwasserqualität in Hausinstallationen sind vier Kriterien maßgebend: das Temperaturregime, die Durchströmung, ein regelmäßiger Wasseraustausch und das Nährstoffangebot im System. Bei der Planung und Ausführung von Trinkwasser-Installationen liegt der Fokus in der Regel hauptsächlich auf den ersten drei Aspekten. Aber gerade Installations- und Sanierungsarbeiten können den Nährstoffeintrag negativ beeinflussen – und damit perfekte Lebensbedingungen beispielsweise für Legionellen schaffen.

Menschen teilen ihren Lebensraum mit unzähligen Mikroorganismen, von denen viele ausgesprochen nützliche Funktionen erfüllen. Auch im Trinkwasser kommen natürliche Bakterien vor. Die meisten sind nicht pathogen, also nicht krankheitserregend. Andere wiederum werden als fakultativ pathogen eingestuft. Das heißt, sie können immungeschwächten Menschen schaden. Oder sie sind sogar obligat pathogen und dadurch auch für gesunde Menschen gefährlich. Im Trinkwasser zählen in erster Linie Legionellen (Legionella pneumophila) und Pseudomonaden (Pseudomonas aeruginosa) zu den pathogenen Keimen. Von ihnen geht ein ernstzunehmendes Gesundheitsrisiko aus, wenn deren Konzentration im Trinkwasser ansteigt. In der TrinkwV ist daher für Legionellen ein „technischer Maßnahmenwert“ als Grenzwert von 100 KBE (koloniebildende Einheiten) pro 100 Milliliter Wasser definiert. Dieser Wert gibt an, ab wann technische Maßnahmen gegen Legionellen ergriffen werden müssen. Bezüglich Pseudomonaden beträgt der Grenzwert sogar bei 0 KBE pro 100 Milliliter Wasser. Finden sich diese Keime im Trinkwasser, so ist das ein Hinweis auf mögliche Stagnationsprobleme in der Trinkwasser-Installation.

Ideale Wachstumsbedingungen für Mikroorganismen in Trinkwasser-Installationen ergeben sich beispielsweise unter folgenden Voraussetzungen:

a) Trinkwassertemperaturen – ein besonderes Risiko zeigt sich im Bereich von › 20 und ‹ 55 °C.

b) Stagnation – die DVGW/VDI-Richtlinie 6023 empfiehlt einen vollständigen Wasserwechsel in allen Leitungsteilen und über alle Entnahmestellen innerhalb von 72 Stunden [1].

c) Mangelnde Durchströmung – ursächlich dafür sind zu groß dimensionierte Rohrleitungen mit entsprechend reduzierten Fließgeschwindigkeiten, weil beispielsweise bei der Planung nicht die herstellerspezifischen Zeta-Werte für die ausreichende Durchströmung berücksichtigt wurden.

d) Nährstoffe – bei unzureichender Durchströmung und fehlendem Wasseraustausch haben Mikroorganismen ausreichend Zeit, das Nährstoffangebot zum Wachstum zu nutzen.

Die Korrelation dieser vier Faktoren wird treffend im Wirkkreis der Trinkwassergüte dargestellt. Während sich Fachplaner, Fachhandwerker und Betreiber oft in erster Linie darauf konzentrieren, Temperatur, Durchströmung und Wasseraustausch in eine hygienische Balance zu bringen beziehungsweise zu halten, findet die Beeinflussung des Nährstoffangebots bislang deutlich weniger Beachtung.

Nährstoffangebot durch Werkstoffe
Dabei sind die Auswahl der Bauteile, Hygienemaßnamen bei der Installation und Sachkenntnis bei Sanierungsarbeiten wesentliche Beiträge, um Keimen im Rohrleitungsnetz selbst keine zusätzliche Nahrung zu geben. Praktische Anhaltspunkte hierfür bieten Regelwerke, aber auch wissenschaftliche Erkenntnisse (siehe Kasten).

Werkstoffe von Installationsbauteilen können in unterschiedlich hohem Maß Nährstoffe in Form von organischen Kohlenstoffverbindungen (DOC = Dissolved Organic Carbon – löslicher organischer Kohlenstoff) für mikrobielles Wachstum in das Trinkwasser abgeben. Dem trägt das Umweltbundesamt (UBA) mit Veröffentlichungen zur hygienischen Beurteilung von Werkstoffen im Kontakt mit Trinkwasser Rechnung. Folgende UBA-Leitlinien und Empfehlungen sind erschienen [2]:

  •  KTW-Leitlinie; sie stellt hygienische Anforderungen an Kunststoffe und Silikone,
  • Beschichtungsleitlinie,
  • Elastomerleitlinie,
  • Schmierstoffleitlinie und Geringfügigkeitsleitlinie zur Beurteilung von Stoffen, die in sehr geringen Mengen eingesetzt werden und die normalerweise nicht ins Trinkwasser übergehen. Dazu gehören Katalysatoren und Initiatoren, die Oberflächenveredelung von Garnen und Geweben, Schlichten für Füllstoffe, Lösemittel für Additive und für andere Hilfsstoffe.

Ab dem 21. März 2021 löst die „Bewertungsgrundlage für Kunststoffe und andere organische Materialien im Kontakt mit Trinkwasser“ des UBA die KTW-Leitlinien ab (Anmerkung der Redaktion: Aufgrund der der COVID-19-Pandemie wurde die Übergangsregelung um zwei Jahre, bis zum 21. März 2023, verlängert). Die UBA-Bewertungsgrundlage für metallene Werkstoffe ist bereits bindend.

Diese Veröffentlichungen und die darin beschriebenen Prozedere sind in erster Linie für Hersteller von Bauteilen für Trinkwasser-Installationen von Bedeutung. Sie können damit sicherstellen, dass die verbauten Werkstoffe im Laufe der Nutzungszeit keine Stoffe ins Trinkwasser abgeben, die Mikroorganismen Nahrung bieten. Für Fachplaner und Fachhandwerker entscheidend ist allerdings: Die Leitlinien des UBA basieren rechtlich auf der deutschen TrinkwV. Eine europaweit einheitliche Zulassung von Werkstoffen im Kontakt mit Trinkwasser gibt es derzeit nicht. Somit sollte dringend bereits bei einer eventuellen Ausschreibung darauf geachtet werden, dass nur Bauteile installiert werden, für die eine Konformitätserklärung der Hersteller mit den UBA-Leitlinien beziehungsweise -Bewertungsgrundlagen vorliegt.

Nährstoffeintrag bei der Installation

Die vom Gesetzgeber verlangte hohe Sorgfalt bei der Materialauswahl für Bauteile macht deutlich, dass auch bei der Installation darauf zu achten ist, keine Fremdstoffe ins Leitungsnetz einzutragen. So etwas kann unter anderem bei konventionellen Verbindungstechniken passieren. Beim Löten von Trinkwasserleitungen sollte daher die Verwendung von Loten und Flussmittel, die den Anforderungen DVGW GW 7 entsprechen, selbstverständlich sein [3]. Damit ist beispielsweise gewährleistet, dass Flussmittelrückstände kaltwasserlöslich und durch Spülung zu entfernen sind. Generell ist darauf zu achten, möglichst keine Hilfsstoffe in die Rohre einzubringen. Das trifft auch auf Hanf und andere Materialien zu, die zum Dichten von Gewindeverbindungen genutzt werden.

Der Nährstoffeintrag in Rohrleitungen kann durch die Pressverbindungstechnik minimiert werden. Damit aber auch bei Reparaturen verpresst statt zum Beispiel gelötet werden kann, bieten einige Hersteller von Pressverbindungssystemen entsprechende Sonderbauteile wie Schiebemuffen und Übergangsstücke sowohl für Kunststoffrohre als auch für Metallrohre an.

Darüber hinaus schützt eine hygienische Handhabung der Installationsmaterialien vor dem Eintrag von Fremdstoffen in das Trinkwassersystem, die später eine Verkeimung der Anlage fördern können. Die erforderliche Sorgfalt beschreibt die DIN EN 806-4. Dort heißt es u. a.: „Rohre, Fittings (Formstücke) und andere Bauteile müssen geschützt und sorgfältig behandelt und gelagert werden, um Beschädigungen zu vermeiden sowie Verunreinigungen durch Schmutz, Baustoffe, Ungeziefer und sonstiges Fremdmaterial vorzubeugen. Die Hinweise der Hersteller in Bezug auf Verladung, Beförderung, Entladung und Lagerung der jeweiligen Produkte müssen befolgt werden“ [4].

Welche vorbeugenden Maßnahmen auf der Baustelle dazugehören, führt unter anderem das DVGW-Arbeitsblatt W 557 konkret aus [5]:

  • Sämtliche Anlagenkomponenten und Rohre sind beim Transport, der Lagerung und während der Installation gegen innere Verunreinigungen zu schützen.
  • Offene Bauteile der fertiggestellten Installationsabschnitte sind konsequent abzustopfen, bis die Feininstallation abgeschlossen ist.

Warum diese Achtsamkeit geboten ist, thematisiert das DVGW-Arbeitsblatt W 556 (A): Solche Schmutzeinträge in die Trinkwasserverteilung sind oft ursächlich für eine Verkeimung mit verschiedenen Arten coliformer Bakterien. Diese Krankheitserreger stellen nicht nur für immungeschwächte Personen in medizinischen Einrichtungen eine Gesundheitsgefahr dar, sondern auch häufig für Menschen ohne Vorerkrankungen [6].

Fremdstoffe ausspülen
Trotz aller Vorsicht kann es jedoch bei der Installation zu Verschmutzungen insbesondere in den Rohren kommen. Daher gibt das entsprechende ZVSHK-Merkblatt [7] vor, dass eine Trinkwasseranlage unmittelbar vor der Inbetriebnahme mit filtriertem Trinkwasser zu spülen ist. Wichtig dabei: Das verwendete Trinkwasser muss auf seine Qualität überprüft werden, damit die Anlage nicht durch verunreinigtes Wasser kontaminiert wird. Die Entnahme aus einem Bauwasser-Anschluss ist also definitiv nicht zulässig.

Übrigens: Muss eine Trinkwasseranlage aufgrund hygienisch relevanter, mikrobieller Auffälligkeiten saniert werden, ist das Spülen ebenfalls die erste Maßnahme gemäß DVGW-Arbeitsblatt W 556 (A) [6]. Das ist auch dann der Fall, wenn darüber hinaus eine chemische Desinfektion unvermeidlich ist. Dabei sollte möglichst auf das Impulsspülen mit einem Gemisch aus Wasser und ölfreier Druckluft verzichtet werden. In bestehenden Anlagen könnten sich durch die Druckschläge Inkrustrationen von den Rohrwänden lösen, wodurch dort möglicherweise eingekapselte Bakterien zusätzlich ins Wasser gelangen. Außerdem können die Strömungsimpulse zu Undichtigkeiten an den Verbindern führen.

Vorgaben für die Reinigung und Desinfektionen von Trinkwasser-Installationen macht das DVGW-Arbeitsblatt W 557 [5]. Allerdings ist die chemische Desinfektion nur in engen Grenzen erlaubt und nur in Ausnahmen zielführend. Der Installation von endständigen Hygienefiltern sollte bis zum Abschluss einer Sanierung der Vorzug gegeben werden [8].

Bakterien- und Nährstoffreduktion durch Ultrafiltration
Die hygienische Stabilität im Sinne des Wirkkreises der Trinkwassergüte kann durch den Einsatz einer permanent installierten Ultrafiltration im Bypass der Warmwasserzirkulation (UFC-Technologie) unterstützt werden. Wie aktuelle Feldstudien belegen [9], reduziert die Ultrafiltration die Gesamtanzahl an Bakterien (GZZ) und die im Trinkwasser gelösten Nährstoffe (DOC). Damit wird das mikrobielle Wachstum nachhaltig gehemmt – einschließlich der besonders häufig in Trinkwasser-Installationen auftretenden Krankheitserreger Legionellen und Pseudomonaden.

Fazit
Bauteile für Trinkwasser-Installationen sind de facto „Lebensmittelverpackungen“ mit einer sehr langen Nutzungsdauer. Dieses Verständnis sollte sowohl die Auswahl als auch die Handhabung der Bauteile auf der Baustelle beeinflussen. Denn Materialien, aus denen Stoffe in das Trinkwasser migrieren und Schmutzeinträge bei der Installation bieten den natürlich vorkommenden Bakterien im Trinkwasser Nahrung für ein gesundheitsgefährdendes Wachstum.

Nährstoffe, Biofilmbildung und Bakterienwachstum
In einem Verbund-Forschungsprojekt wurde die Bedeutung von Biofilmen in der Trinkwasser-Installation untersucht [10]. Ziel der Wissenschaftler war es, ein besseres Verständnis zu erhalten, inwieweit der Biofilm das Wachstum hygienisch relevanter Bakterien fördert, und welche Maßnahmen einer Kontamination von Trinkwasseranlagen entgegenwirken.

Zu den wesentlichen Erkenntnissen gehört, dass sich tatsächlich auf allen wasserbenetzten Oberflächen in der Trinkwasser-Installation ein Biofilm bildet. Er besteht aus einer Ansammlung von Mikroorganismen, die sich zu mikrobiellen Lebensgemeinschaften formen und so deutlich höhere Konzentrationen an Desinfektionsmitteln tolerieren, als wenn sie im Trinkwasser gelöst sind. Werkstoffe von Installationsbauteilen sind potenzielle Nährstoffquellen, die zu einer verstärkten Biofilm-Bildung beitragen und Mikroorganismen als Nährstoffquelle dienen können. Die Forscher beobachteten eine besonders starke Biofilm-Bildung auf dem synthetischen Gummiwerkstoff Ethylen-Propylen-Dien-Monomer (EPDM), wenn dieses Material nicht die Anforderungen nach DVGW-Arbeitsblatt W 270 oder der KTW-Empfehlung des UBA erfüllte. Das unterstreicht, wie wichtig die Auswahl zertifizierter und qualitativ hochwertiger Installationsbauteile ist. Auch die bei der Installation verwendeten Hilfsstoffe konnten als wachstumsfördernd festgestellt werden. Weiteren Einfluss auf die Bakterien-Population im Biofilm hat die Trinkwasserbeschaffenheit und -temperatur.

Nachgefragt
IKZ-HAUSTECHNIK: Dass bei mikrobiellen Auffälligkeiten das Spülen der Rohrleitungen eine wirkungsvolle Maßnahme ist, leuchtet sofort ein. Irritationen dürfte die Empfehlung auslösen, dass dabei auf das Impulsspülen verzichtet werden soll. Ziel der Maßnahme ist doch eine nachhaltige Austragung von Mikroben. Und die sitzen bekanntlich überwiegend im Biofilm. Entfernt man also Inkrustationen, dann reinigt man auch das Rohrnetz – und zwar nachhaltig.

Dr. Christian Schauer: Über das DVGW-Arbeitsblatt W 291, also die öffentliche Wasserversorgung kommend, ist das Impulsspülen mit einem Luft-Wasser-Gemisch erst auf die Hausinstallation übertragen und später in das DVGW-Arbeitsblatt W 557 aufgenommen worden. Dort wird auf den höheren verfahrens- und sicherheitstechnischen Aufwand dieses Spülverfahrens verwiesen. Denn das Spülverfahren kann zwar Inkrustrationen entfernen. Ob dies in einem komplexen verzweigten Rohrleitungsnetz überall gelingt, kann aber nicht garantiert werden.

Die Spülung ist im Vorfeld auf jeden Fall anhand des Strangschemas zu planen und es ist immer zu prüfen, ob die damit verbundene mechanische Belastung an Schwachstellen oder empfindlichen Bauteilen innerhalb der Trinkwasser-Installation möglicherweise zu Undichtheiten führen kann. Im Zweifelsfall sind empfindliche Bauteile zu entfernen und manuell zu reinigen.

Rohrleitungsabschnitte mit derartigen Inkrustrationen sollten also bevorzugt ersetzt werden, um eine dauerhaft hygienisch einwandfreie Trinkwasser-Installation zu erhalten. In Extremsituationen – zum Beispiel beim nachgewiesenen Auftreten von Pseudomonaden oder Biofilmaufwuchs – kann das Verfahren aber durchaus hilfreich und sinnvoll sein.

IKZ-HAUSTECHNIK: Die Ultrafiltration kann die Gesamtanzahl an Bakterien und Keimen und auch die im Trinkwasser gelösten Nährstoffe signifikant reduzieren. Doch die aktuellen Feldversuche dazu laufen noch, es wurden von den Studienautoren nicht einmal Zwischenergebnisse freigegeben. Ist es nicht zu früh, in einem Fachmagazin eine Empfehlung für den Einsatz der Technik auszusprechen?

Dr. Christian Schauer: Die Anwendung der Ultrafiltration in der Trinkwasser-Installation ist Stand der Technik. Aus diesem Grunde wird beispielsweise auch im Rahmen des „ULTRA-F“-Forschungsprojektes an der TU Dresden untersucht, ob die Ultrafiltration eine Alternative zur Temperaturbarriere darstellt, um in Zukunft die Systemtemperaturen, die immer von der Temperaturanforderung des Trinkwarmwassers ausgehen, reduzieren zu können.

Einen anderen Weg geht die Wasserhygienekommission des Landes Schleswig-Holstein. Sie ermöglicht mit einer Richtlinie unter anderem den Einsatz von Ultrafiltrationsanlagen in Modellprojekten, auch wenn diese zurzeit noch nicht als allgemein anerkannte Regeln der Technik gelten. Die darin aufgestellten Regeln beruhen auf wissenschaftlichen Untersuchungen des Instituts für Infektionsmedizin bzw. der „Zentralen Einrichtung Medizinaluntersuchungsamt und Hygiene“ am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) in Kiel. Sie werden in Schleswig-Holstein und Hamburg erfolgreich umgesetzt. Die Wirksamkeit von Ultrafiltrationsanwendungen in Trinkwasser-Installationen wird dabei mit einem spezialisierten Analyseverfahren des UKSH Kiel nachgewiesen. Viega ist an der Weiterentwicklung und Breitenanwendung der Ultrafiltration unmittelbar beteiligt.

IKZ-HAUSTECHNIK: Die chemische Desinfektion von Trinkwasser-Installationen ist nur in engen Grenzen erlaubt, schreiben Sie in dem Beitrag. Bitte konkretisieren Sie diese Aussage.

Dr. Christian Schauer: Der dauerhafte Einsatz von chemischen oder elektrochemischen Desinfektionsmitteln in der Trinkwasser-Installation ohne Beseitigung der technischen und betrieblichen Mängel widerspricht dem Minimierungsgebot nach § 6 Absatz 3 TrinkwV und verstößt gegen § 17 Absatz 1 TrinkwV. Zudem werden nach derzeitigem Kenntnisstand Legionellen dadurch nicht ausreichend beseitigt. Außerdem erhöhen alle nach § 11 der TrinkwV zugelassenen chemischen Desinfektionsmittel aufgrund ihrer stark oxidierenden Eigenschaften die Korrosionswahrscheinlichkeit im Rohrleitungsnetz, so das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL).

Der durch den Desinfektionsstress bei vielen Bakterien erzeugte VBNC-Zustand (viable but non-culturable; lebend, aber nicht kultivierbar) kann zudem zu einer Unterschätzung der Anwesenheit von hygienisch relevanten Mikroorganismen und zu einer Überschätzung der Effektivität von Desinfektions- und ähnlichen Sanierungsmaßnahmen führen.

Zur Unterstützung einer Gesamtsanierung kann vor diesem Hintergrund eine Desinfektion zwar sinnvoll sein. Dabei muss aber immer die Werkstoffverträglichkeit vor der Maßnahme dokumentiert sein. Der erste Schritt zur Beseitigung einer Belastung ist in jedem Fall die Reinigung der Trinkwasseranlage. Dies gilt auch bei mikrobiellen Kontaminationen. Erst dann kann eine Desinfektion überhaupt wirken. Im Vordergrund steht aber grundsätzlich immer die bauliche Beseitigung der hinter der mikrobiellen Belastung stehenden technischen Mängel.

Literatur:

[1] VDI/DVGW 6023 Blatt 1, Hygiene in Trinkwasser-Installationen – Anforderung an Planung, Ausführung, Betrieb und Instandhaltung, Beuth, Berlin, 04/2013.

[2] Kennwerte für die Prüfung von Werkstoffen im Kontakt mit Trinkwasser in Bezug auf die Migration chemischer Substanzen und das Wachstum von Mikroorganismen hat der DVGW in dem Arbeitsblatt W 270 festgelegt.

[3] Technische Regel DVGW GW 7: Lote und Flussmittel zum Löten von Kupferrohren in der Gas- und Trinkwasser-Installation – Anforderungen und Prüfungen, DVGW, Bonn, 03/2014.

[4] DIN EN 806-4, Technische Regeln für Trinkwasser-Installationen – Teil 2: Planung, Abs. 4.2 Handhabung der Materialien, Beuth, Berlin, 06/2005.

[5] DVGW-Arbeitsblatt W 557, Reinigung und Desinfektion von Trinkwasser-Installationen, DVGW, Bonn, 10/2012.

[6] DVGW-Arbeitsblatt W 556 (A): Hygienischmikrobielle Auffälligkeiten in Trinkwasser-Installationen, Methodik und Maßnahmen zu deren Behebung, Abs. 5.2.2, DVGW, Bonn, 12/2015.

[7] ZVSHK Trinkwasserinstallation, Inbetriebnahme; Merkblatt − Spülen, Desinfizieren und Inbetriebnahme von Trinkwasserinstallationen, Beuth, Berlin, 08/2014.

[8] Dr. Christian Schauer, „Desinfektion ist nur in Sonderfällen erlaubt!“, TGA Fachplaner, Ausgabe 6-2019, Gentner Verlag.

[9] C. Schauer, Energieeffizienz und Legionellenschutz – Temperaturen für Trinkwasser warm als Hürde für Wärmepumpen absenken, Moderne Gebäudetechnik 04/2020, S. 46-49

[10] Erkenntnisse aus dem BMBF-Verbundprojekt „Biofilm-Management“ Version 1.1, 2014, IWW, Prof. Dr. Hans-Curt Flemming.

Autor: Dr. Christian Schauer, Leiter des Kompetenzbereichs Trinkwasser, Corporate Technology bei Viega

Bilder: Viega

www.viega.de/trinkwasser


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