Zurück zu News
 
× Startseite

Einstellungen | Mein Account
IKZ select Logo
Suchen          Support & Kontakt       Mein Account
IKZ select Logo

Lieber Gast, um alle Inhalte sehen zu können, müssen Sie angemeldet sein! Jetzt registrieren oder einloggen.

StartseiteWissenNewsBauvertragserfüllung trotz Corona-Krise?

Bauvertragserfüllung trotz Corona-Krise?



Bauvertragserfüllung trotz Corona-Krise?
 
 

28. April 2020

Was für die Abwicklung von Bauverträgen bei höherer Gewalt zu beachten ist

Angesicht der zahlreichen Einschränkungen in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens aufgrund der Corona-Pandemie stellen sich vermehrt baurechtliche Fragen, insbesondere ob Bauvorhaben unter diesen Bedingungen fristgerecht fertig gestellt werden müssen und was für die Abwicklung von Bauverträgen zu beachten ist? Eine Einschätzung dazu gibt RA Thomas Herrig, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht.

Aufgrund der jüngsten Entwicklungen in der Corona-Krise stellen sich für die Baubranche zahlreiche Fragen wie: Ist durch die Krise höhere Gewalt im rechtlichen Sinne gegeben? Können Auftraggeber Vertragsstrafe/Verzugsschaden oder Auftragnehmer Entschädigung oder Schadenersatz geltend machen? Welche Möglichkeiten bestehen, wenn der Auftraggeber die Weiterarbeit verhindert? Oder müssen SHK-Betriebe ihre Arbeiten trotz Ansteckungsgefahr weiter ausführen? Und haben die Parteien die Möglichkeit zur vorzeitigen Beendigung des Bauvertrages?

Höhere Gewalt?
Der Begriff der höheren Gewalt wurde von der Rechtsprechung in verschiedenen Entscheidungen definiert. Man versteht darunter ein von außen auf den Betrieb einwirkendes außergewöhnliches Ereignis, das unvorhersehbar ist und selbst bei Anwendung äußerster Sorgfalt ohne Gefährdung des wirtschaftlichen Erfolgs des Unternehmers nicht abgewendet werden kann. Zudem auch nicht wegen seiner Häufigkeit von dem Betriebsunternehmer in Rechnung zu stellen und mit in Kauf zu nehmen ist (BGH, III ZR 364/51, VI ZR 115/87, III ZR 108/03) – so die Rechtsprechung.

Nachdem das Robert-Koch-Ins titut am 17. März 2020 das Gesundheitsrisiko im Zusammenhang mit Corona für Deutschland jetzt als hoch einstuft und die Weltgesundheitsorganisation die Corona-Krise am 11. März 2020 als Pandemie einordnete, wird man wohl davon ausgehen müssen, dass es sich insoweit um höhere Gewalt handelt.

Allerdings gilt dies nicht für Verträge, die im Verlauf der Krise abgeschlossen worden sind, weil diese Pandemie in diesem Zusammenhang nicht mehr als unvorhersehbares Ereignis einzustufen ist. Hier müssen die Vertragsbeteiligten künftig Vorkehrungen treffen.

Auswirkung auf Bauverträge
Nun wirkt sich die Corona-Krise selbst nicht unmittelbar auf die Abwicklung von Bauverträgen aus. Vielmehr sind dafür die von Gesundheitsbehörden möglicherweise angeordneten Maßnahmen verantwortlich. So kann es sein, dass einzelne Mitarbeiter des Auftragnehmers in Quarantäne geschickt werden. Dies kann auch für ganze Kolonnen oder ganze Betriebe gelten.

Grundsätzlich sind behördliche Anordnungen in jeder Form im Zusammenhang mit der Corona-Krise geeignet, zu Einschränkungen im Rahmen der Abwicklung von Bauverträgen zu führen. Man denke an Baustellen in Risikogebieten oder Einschränkungen des Warenverkehrs für Baumaterialien. Dies führt dann zu Behinderungen bei der Ausführung von Bauvorhaben.

Wichtig: In solchen Fällen haben Auftragnehmer immer mit einer Behinderungsanzeige zu reagieren, damit mögliche Vertragsfristen verlängert werden. Fällt die Behinderung weg, muss der Auftragnehmer dies unverzüglich dem Auftraggeber anzeigen und die Leistung wieder aufnehmen. Hintergrund ist, dass beim Eintritt höherer Gewalt die dadurch betroffene Vertragspartei grundsätzlich temporär von ihren vertraglichen Verpflichtungen frei wird, ohne dass die andere Vertragspartei deswegen Ansprüche herleiten könnte. Insbesondere dann, wenn die Leistungserbringung aus den zuvor dargestellten Gründen unterbrochen oder mit z. B. erheblichen Schwierigkeit bei Materiallieferungen verbunden ist.

Verlängerte Ausführungsfristen/Kündigungsrecht
In der VOB/B ist dieser Fall ausdrücklich in § 6 Abs. 2 Nr. 1c geregelt. Danach werden bei Vorliegen von höherer Gewalt die Ausführungsfristen verlängert. Un-ter Umständen sind die Vertragsparteien gehalten, die gegebenenfalls vertragsstrafebewehrten Termine neu zu vereinbaren. Hat also der Auft ragnehmer eine auf höherer Gewalt beruhende Behinderung rechtzeitig angezeigt, kann ihm bei Fristüberschreitung vom Auft raggeber keine Vertragsstrafe drohen und ein Verzugsschaden ist ebenfalls ausgeschlossen. Schließlich kann auf der Grundlage von § 313 BGB ein Festhalten am Vertrag nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäft sgrundlage unzumutbar werden. Das gilt im Übrigen für beide Vertragsparteien, wenn sich aufgrund von Maßnahmen im Zusammenhang mit der Corona-Krise die Vertragserfüllung zeitlich erheblich verschiebt. In der Regel wird man aber versuchen müssen, durch Vertragsanpassung, beispielsweise durch Leistungsänderung oder terminliche Verschiebungen, das sogenannte ursprüngliche Risikogefüge im Vertrag wieder herzustellen.

Ergänzend ist noch auf § 6 Abs. 7 Satz 1 VOB/B hinzuweisen, dass ein Kündigungsrecht für beide Parteien vorsieht, sofern die Unterbrechung der Bauausführung länger als 3 Monate dauert oder wenn sicher feststeht, dass eine Unterbrechung von mehr als 3 Monaten unvermeidbar ist.

Für alle Bauverträge (auch für die auf der Grundlage von VOB/B), die nach dem 1. Januar 2018 abgeschlossen worden sind, gilt die Regelung des neuen § 648a BGB, wonach ein Werkvertrag (Bauvertrag) aus wichtigem Grund gekündigt werden kann. Voraussetzung ist, dass die Vertragsfortführung dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht mehr zugemutet werden kann, das Vertragsverhältnis bis zur Fertigstellung des Werkes fortzusetzen.

Auch hier gilt aber, dass nicht allein die Corona-Krise den Kündigungsgrund liefert, sondern vielmehr die behördlicherseits damit im Zusammenhang stehenden Anordnungen. Es ist dann im Einzelfall zu prüfen, ob bei entsprechenden behördlichen Anordnungen für eine Vertragspartei das Vertragsverhältnis nicht mehr fortsetzbar ist.

Beispiele aus der Praxis
Öft ers taucht die Frage auf, ob der Auft raggeber die Weiterführung eines bestehenden Projekts ablehnen darf? Dazu ein konkreter Fall: Es wurde ein neuer Heizkessel geordert, der auf seinen Einbau wartet. Der Zutritt zum Gebäude wird nun auf unbestimmte Zeit von Auft raggeberseite verweigert. Ist das zulässig? Und wenn ja, darf dann schon eine Teilrechnung gestellt werden?

Zunächst bleibt festzuhalten, dass der Auft raggeber jederzeit vor Vollendung des Werkes den Vertrag kündigen darf. Dies regelt der bereits aufgezeigte § 648 BGB. Mit dem Wortlaut „vor Vollendung des Werkes“ ist der Zeitraum bis zur Abnahme gemeint. Macht der Auftraggeber insoweit von seinem Kündigungsrecht Gebrauch, hat der Auftragnehmer Anspruch auf den Teil des Werklohnes, den er durch seine Leistungen bereits verdient hat sowie den anderen Teil des Werklohnes abzüglich ersparter Aufwendungen. Äußert sich der Auftraggeber lediglich dahingehend, dass er die Weiterführung eines Vertrages ablehnt, sollte dieser vom Auftragnehmer unter Fristsetzung aufgefordert werden, sich zur Fortführung des Vertrages bereit zu erklären. Damit sollte der Hinweis verbunden werden, dass man die weitere Ablehnung der Vertragserfüllung als freie Kündigung im Sinne von § 648 BGB versteht.

 Lehnt der Auftraggeber beispielsweise den Zutritt zum Gebäude ab, in dem der Auftragnehmer Werkleistungen erbringen muss, verstößt er insoweit gegen die ihm aus § 642 BGB obliegende Mitwirkungspflicht. Erklärt sich der Auftragnehmer in diesem Falle leistungsbereit, dann gerät der Auftraggeber in Annahmeverzug. Auch in diesem Fall hat der Auftragnehmer den Auftraggeber unter Fristsetzung aufzufordern, den Zutritt zum Gebäude zu ermöglichen, damit der Auftragnehmer seine Werkleistungen erbringen kann. Rührt sich der Auftraggeber nicht, besteht auch hier die Möglichkeit, u. a. auf der Grundlage von § 643 BGB den Vertrag zu kündigen. Auch in diesem Falle kann der Auftragnehmer wie oben dargestellt abrechnen.

Bei Maßnahmen der Gesundheitsbehörde
Etwas anderes gilt, wenn allerdings Maßnahmen der Gesundheitsbehörde bestehen, die es dem Auftraggeber untersagen, fremde Personen in das Gebäude einzulassen. Eine solche Situation ergibt sich teilweise aus dem Umstand, dass der Zutritt zu Altenpflegeheimen behördlicherseits nur dem Pflegepersonal und keiner weiteren Person erlaubt ist. In diesem Fall hat der Auftraggeber einen berechtigten Grund, seine Mitwirkungshandlung zurückzuhalten. Auch ist dies für den Auftraggeber – jedenfalls dann, wenn der Vertrag vor der Corona-Krise geschlossen wurde – ein unvorhergesehenes Ereignis, sodass der Auftragnehmer aus der Zeitverzögerung zunächst keine Ansprüche herleiten kann.

Teilrechnung möglich?
Ob in dieser Situation eine Teilrechnung gestellt werden kann, hängt von Folgendem ab:

Kündigt der Auftragnehmer aus den zuvor genannten Gründen berechtigt den Vertrag, dann darf er auch eine Schlussrechnung über die von ihm erbrachten Leistungen sowie über den Werklohn abzüglich ersparter Aufwendungen stellen.

Kommt es zu einer Zeitverzögerung aufgrund unvorhergesehener Gründe, besteht die Berechtigung zur Abrechnung nur dann, wenn diesbezüglich eine entsprechende Vereinbarung (Zahlungsplan) vorliegt.

Pflicht zur Arbeit bei Ansteckungsgefahr?
Abschließend stellt sich vielfach die Frage, ob Fachbetriebe in hygienerelevanten Bereichen arbeiten müssen, in denen eine Ansteckungsgefahr besteht (z. B. Krankenhäuser). Konkret: besteht hier z. B. aufgrund eines Wartungs-/Betriebsvertrags weiterhin die Pflicht zur Ausführung? Oder dürfen Arbeiten, auch wenn diese für das Krankenhaus betriebsbedingt notwendig sind, abgelehnt werden?

In dieser Fallkonstellation stehen sich zwei sehr komplexe Problembereiche gegenüber. Zum einen hat der Fachbetrieb gegenüber seinem Auftraggeber (z. B. Träger eines Krankenhauses) im Rahmen des Abschlusses eines Wartungs- und Servicevertrages die Verpflichtung zur Wartung und gegebenenfalls Instandhaltung einer technischen Gebäudeausrüstung übernommen. Daneben besteht zulasten des Fachbetriebes gegenüber seinen Mitarbeitern eine sogenannte arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht, die sich in einen öffentlich-rechtlichen und einen zivilrechtlichen Bereich aufteilt. Öffentlich-rechtlich besteht die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Einhaltung des Arbeitsschutzgesetzes, des Arbeitssicherheitsgesetzes, der Arbeitsstättenverordnung sowie dem Regelwerk der Berufsgenossenschaft. Hier wird u. a. grundsätzlich geregelt, dass der Arbeitgeber gegenüber seinen Beschäftigten für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit ausreichend und angemessen sorgen muss. Zivilrechtlich besteht die arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht u. a. darin, den Arbeitnehmer vor Gefahren für Leben und Gesundheit zu schützen, soweit dies ihm die Natur der Dienstleistung gestattet. Die eben genannten öffentlich-rechtlichen Vorgaben sind dabei natürlich zu beachten.

Will der Fachbetrieb seine Arbeitnehmer in hygienerelevanten Bereichen, wie z. B. einem Krankenhaus, einsetzen, muss er mit seinem Auftraggeber – in diesem Falle dem Träger des Krankenhauses – klären, welchen Risiken die Mitarbeiter des Fachbetriebes bei Durchführung von Wartungs- und Instandhaltungsmaßnahmen ausgesetzt sind. Der Auftraggeber hat zudem dafür zu sorgen, dass die von dem Fachbetrieb eingesetzten Mitarbeiter keinem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt werden. Stellt der beauftragte Fachbetrieb fest, dass für die von ihm eingesetzten Mitarbeiter dann doch ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht, muss er mit dem Auftraggeber klären, wie sich dieses verringern lässt. Insoweit ist der Auftraggeber handlungspflichtig. Niemand kann zur Vertragserfüllung (sowohl aus dem Werk-wie auch dem Arbeitsvertrag) gezwungen werden, wenn er dazu das Risiko übernehmen muss, sich gesundheitlichen Gefahren auszusetzen.

Die Risikominimierung zu Lasten des Auftraggebers ergibt sich ebenfalls aus § 642 BGB.

Wichtig ist, dass der Fachbetrieb vor Arbeitsaufnahme eine Gefährdungsbeurteilung vornimmt und gegebenenfalls mit dem Auftraggeber klärt, wie sich ein möglicherweise festgestelltes Risiko ausschließen bzw. minimieren lässt.

Fazit
Abschließend kann man festhalten, dass sich alle aus der Corona-Krise resultierenden Risiken und Auswirkungen noch nicht mit letzter Sicherheit einschätzen lassen. Wichtig ist es, erkennbare Beeinträchtigungen, die im Zusammenhang mit behördlichen Maßnahmen stehen, rechtzeitig beim Auftraggeber mit einer Behinderungsanzeige anzuzeigen, damit die damit verbundenen Rechtsvorteile greifen können und zusätzliche Kosten vermieden werden.

www.raherrig.de


Diesen Artikel teilen auf:   Facebook X XING



Ausgewählte Inhalte



Leistungsgarantie



Datensicherheit

×