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Verbrühungsschutz – ein vielfach unterschätztes Thema



Verbrühungsschutz – ein vielfach unterschätztes Thema
 
 
 
 
 

9. April 2020

Hohe Temperaturen im erwärmten Trinkwasser (PWH) sind unvermeidbar. Gesetzliche Vorgaben zum Schutz der Nutzer sind nicht einheitlich. Planer sollten die Technischen Regelwerke beachten

In den letzten Jahren schreckten Nachrichten von schweren Verbrühungen mit Todesfolge die Pflegebranche auf – allen voran die Heimaufsicht und das involvierte Fachhandwerk. Betroffen waren Bewohner von Alten- und Pflegeheimen, die sich sowohl beim Duschen als auch beim Baden verbrüht hatten. Wie immer in solchen Fällen stellt sich technisch und juristisch die Frage, wie diese tragischen Fälle hätten vermieden werden können und wer dafür die Verantwortung trägt.

Hohe Temperaturen im Warmwasser dienen allein der Legionellen-Prophylaxe. Gäbe es keine Legionellen, würde allein aus Komfortgründen als höchste benötig­te Temperatur ca. 45 °C in der gesamten Trinkwasser-Installation PWH ausreichen. Diese Warmwassertemperatur wird in der Küche zum Ab- und Wegspülen von  fett- und ölhaltigen Verschmutzungen benötigt. Beim Duschen und Händewaschen reichen ca. 38 °C.
Hohe Temperaturen sind vor allem für Menschen mit einem eingeschränkten Reaktionsvermögen gefährlich. Neben der unmittelbaren Gefahr durch das heiße Wasser in Form von Hautschädigungen entstehen weitere Gefahren durch die Fluchtreaktion insbesondere beim Duschen. Stürze und Verletzungen können die Folge sein. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass vor allem Kinder, Behinderte und ältere Menschen, insbesondere solche mit Demenz, gefährdet sind.
Der technische Bericht CEN/TR 16355 „Empfehlungen zur Verhinderung des Legionellen-Wachstums in Trinkwasser-Installationen“ geht davon aus, dass Kinder bei einer Kontaktzeit mit 60-grädigem Wasser bereits nach ca. 3 Sekunden Verbrühungen erleiden und Erwachsene nach ca. 7 Sekunden. Differenzierter ist der Grad der Verbrennung in Abhängigkeit von der Wassertemperatur der Grafik nach Skiba (1979) zu entnehmen. Verbrennungen 2. und 3. Grades treten nach max. 8 Sekunden bei ca. 60 °C heißem Wasser auf.

Keine einheitlichen gesetzlichen Regelungen
Zunächst haben Betreiber, Planer und Fachhandwerker Gesetze und Verordnungen zu beachten. Leider existieren – wie so häufig – keine einheitlichen Regelungen. Manche Bundesländer schreiben für Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen ausdrücklich einen Verbrühungsschutz vor. Besteht eine solche gesetzliche Regelung, so muss diese beachtet werden. Sofern kein entsprechendes Gesetz oder keine Verordnung besteht, greifen die allgemeinen Regeln.
Betreiber einer Pflegeeinrichtung müssen darauf achten, dass diese so beschaffen ist, dass niemand zu Schaden kommt. Die sich daraus ergebenen Pflichten sind die sogenannten Verkehrssicherungspflichten. Die Betreiber haben sicherzustellen, dass die dort befindlichen Personen nicht durch auslaufendes heißes Wasser Verbrühungen erleiden. Der Inhalt der Verkehrssicherungspflicht kann durch Technische Regelwerke konkretisiert werden.
Nach den werkvertraglichen Regelungen haben Fachplaner und Installationsbetriebe die Trinkwasseranlage so zu planen und zu erstellen, dass sie mangelfrei ist. Sofern eine Beschaffenheit nicht speziell vertraglich festgelegt ist, muss sich die Anlage für die nach dem Vertrag vorausgesetzte bzw. die gewöhnliche Verwendung eignen und den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen. Kurz: Wenn nicht im Vertrag, etwa im Leistungsverzeichnis oder in der Baubeschreibung, eine bestimmte Vorgabe in Sachen Verbrühungsschutz gemacht wird, müsste ein solcher nur dann installiert werden, wenn dies in Gesetzen, Verordnungen und/oder den allgemein anerkannten Regeln der Technik verlangt wird. Für Betreiber, Planer und Fachhandwerker ist es daher von entscheidender Bedeutung, ob und ggf. was die Technischen Regelwerke zum Verbrühungsschutz vorsehen.

Technische Regeln zum Thema Verbrühungen
Das DVGW-Arbeitsblatt W 551 fordert in Kapitel 5.5.1 „Entnahmearmaturen“: „Es sollen nur Entnahmearmaturen mit Einzelsicherungen und, wo gefordert, Verbrühungsschutz eingesetzt werden.“ In DIN EN 806-2 heißt es: „Anlagen für erwärmtes Trinkwasser sind so zu gestalten, dass das Risiko der Verbrühung gering ist“. Und weiter: „An Entnahmestellen mit besonderer Beachtung der Auslauftemperaturen, wie in Krankenhäusern, Schulen, Seniorenheimen usw. sollten zur Vermeidung des Risikos von Verbrühungen thermostatische Mischventile oder Batterien mit Begrenzung der oberen Temperatur eingesetzt werden. Empfohlen wird eine höchste Temperatur von 43 °C. Bei Duschanlagen usw. in Kindergärten und in speziellen Bereichen von Pflegeheimen sollte sichergestellt werden, dass die Temperatur 38 °C nicht überschreiten kann.“
In DIN 1988-200, Kapitel 9.3.2, wird zusätzlich zur DIN EN 806-2 erläutert, welche produktseitigen Möglichkeiten es gibt, um das Risiko von Verbrühungen zu minimieren. Zudem weitet die Norm die Aussagen auf Wohngebäude aus. Dort heißt es u. a.: „Thermostatische Mischer zur Temperaturbegrenzung müssen DIN EN 1111 und DVGW W 574 entsprechen. In Wohngebäuden und vergleichbaren Einrichtungen dürfen Einhebelmischer nach DIN EN 817 eingesetzt werden, bei denen eine Zwangsbeimischung von Trinkwasser kalt eingestellt werden kann und diese durch einen Sicherheitsanschlag fixiert wird.“ Weiterhin fordert DIN EN 1111 beispielsweise von Thermostaten, dass sie die Zufuhr von heißem Wasser (PWH) innerhalb von max. 3 Sek. unterbrechen, wenn das kalte Wasser(PWC) ausfällt. So etwas können mechanische Temperaturbegrenzer nicht leisten, aber sie können zumindest im Regelbetrieb das Risiko von Verbrühungen minimieren. Grundsätzlich  besteht jedoch nicht allen Arten von Entnahmestellen ein gleichartiges Verbrühungsrisiko für die Nutzer.
Als letztes hier zitiertes Regelwerk beschäftigen sich auch die „Technischen Regeln für Arbeitsstätten – Sanitärräume“ im Kapitel 6. 4 „Ausstattung“ mit dem Verbrühungsschutz indem sie sagt: „Die Temperatur von vorgemischtem Wasser soll während der Nutzungszeit 43 °C nicht überschreiten“.

Fazit und Empfehlungen für die Praxis
Wie die oben stehenden Ausführungen zeigen, fordert das Regelwerk grundsätzlich Maßnahmen zum Verbrühungsschutz. Es empfiehlt zwar auch technische Möglichkeiten, lässt aber auch andere Lösungswege zu. So kann den Sicherheitserfordernissen beispielsweise auch durch den nur eingeschränkt möglichen Zugang zu Bädern Genüge getan werden.  Einige Bundesländer (darunter beispielsweise auch Bayern und Hessen) haben über die Landesgesetzgebung für Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen eindeutige Vorgaben gemacht. Ein bundeseinheitlicher Standard bzw. Regelungen zum Verbrühungsschutz existiert allerdings nicht. Und so muss der verantwortliche Planer in vielen Fällen die Schutzstufe in Abstimmung mit dem Auftraggeber festlegen. In frei zugänglichen Sanitärräumen von Alten- und Pfleghemen mit einer Dusche kann also ein thermostatischer Schutz sinnvoll sein, ebenso an Waschtischen in Kindergärten. In anderen Bereichen können Armaturen mit geringerem Verbrühungsschutz ausreichen. Bei thermostatischen Duscharmaturen muss überdies zusätzlich darauf geachtet werden, dass die eingebaute Sperre nicht ohne Weiteres übergangen werden kann. Gleichwohl muss auch bei so einer Armatur eine thermische Desinfektion bei 70 °C erfolgen können. Die dafür notwendige Überbrückung des Thermostaten sollte nur mit einem Werkzeug möglich sein. In Einzelfällen können auch zentrale Durchgangsmischer eingesetzt werden. Bei Sanitärräumen in öffentlichen und halböffentlichen Bereichen mit Reihenduschanlagen ist allerdings darauf zu achten, dass zentrale Durchgangsmischer aufgrund der 3-l-Regel in DVGW W 551 oftmals nicht realisiert werden können.

Autor: Dr. Peter Arens, Leiter Produktmanagement bei Schell Armaturentechnologie

www.schell.eu

Hinweis für Probenehmer
Da Armaturen mit Verbrühungsschutz grundsätzlich Mischwasser liefern, wenn sie auf „Heißwasser“ eingestellt sind, müssen mikrobiologische und chemische Probenahmen grundsätzlich vor den Thermostaten und vor Armaturen mit Sicherheitsanschlägen genommen werden.

Zitierte Normen, Regelwerke,
Verordnungen und Gesetze
DIN EN 806-2 Technische Regeln für Trinkwasser-Installationen, Teil 2 Planung
DIN 1988-200 Technische Regeln für Trinkwasser-Installationen, Teil 2 Planung
DVGW W 551 Trinkwassererwärmungs- und Trinkwasserleitungsanlagen; Technische Maßnahmen zur Verminderung des Legionellen­wachstums; Planung, Errichtung, Betrieb und Sanierung von Trinkwasser-Installationen
ASR A4.1 Technische Regeln für Arbeitsstätten – Sanitärräume
CEN/TR 16355, Empfehlungen zur Verhinderung des Legionellenwachstums in Trinkwasser-Installationen
Verordnung über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (Trinkwasserverordnung – TrinkwV)
Gesetz Nr. 1685 Saarländisches Gesetz zur Sicherung der Wohn-, Betreuungs- und Pflegequalität für ältere Menschen sowie pflegebedürftige und behinderte Volljährige (Landesheimgesetz Saarland – LHeimGS)

Normen zum Verbrühungsschutz – eine Einordnung von RA Felicitas Flossdorf, Fachverband SHK NRW
„Auffällig ist, dass die Normen zum Verbrühungsschutz mit der Formulierung „soll“ arbeiten („sollten … eingesetzt werden“, „empfohlen wird“, „soll sichergestellt werden“). Zunächst ist daher zu klären, welche Bedeutung die Formulierung „soll“ hat. Grundsätzlich gilt im Recht, dass eine „Soll-Vorschrift“ ein Tun oder Unterlassen für den Regelfall festlegt, aber nicht zwingend vorschreibt. Anders als bei einer „Muss-Vorschrift“, bei der ein Tun oder Unterlassen abschließend bestimmt ist, lässt eine Soll-Vorschrift eine wertende Betrachtung aller Umstände des Einzelfalles zu und ermöglicht so, dass das jeweilige Ziel der Norm auch auf anderem Wege erreicht wird.
Ähnliche Ansätze werden auch in der Normungsarbeit zugrunde gelegt: So führt DIN 820-2 in Tabelle 4 zur Sprachregelungen in Normen aus, dass das Verb „sollte“ zur Angabe von Empfehlungen  angewendet wird. Im Umkehrschluss bedeutet dies auf den Verbrühungsschutz bezogen, dass eine mechanische Temperaturbegrenzung (z. B. Thermostatventil) eine Empfehlung und keine zwingende Anforderung ist. Das Schutzziel „Verbrühungsschutz“ kann auch durch andere Maßnahmen erreicht werden. Zu denken ist dabei bei besonders zu schützenden Personengruppen beispielsweise an abgeschlossene Sanitärräume, die nur gemeinsam mit Fachpersonal/Pflegekräften genutzt werden können, oder zusätzliche Absperreinrichtungen. Dieses Ergebnis wird bislang auch von der einschlägigen Rechtsprechung bestätigt (BGH vom 22. 08. 2019, Aktenzeichen: III ZR 113/18; OLG Hamm vom 16.10.2013, Aktenzeichen: I-12 U 3/13).
Wenn nicht bereits Maßnahmen zum Verbrühungsschutz vertraglich festgelegt wurden, kann ich unseren Betrieben und Fachplanern nur empfehlen, den Auftraggeber auf die Gefahr von Verbrühungen schriftlich hinzuweisen und ihm die unterschiedlichen Maßnahmen zur Auswahl vorzustellen. Am Ende werden dann die Maßnahmen schriftlich fixiert und auf dieser Basis die einzelnen Entnahmestellen geplant.“


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