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StartseiteWissenNewsBrauchen wir die Solarthermie noch?
28. September 2022
Die Wärmepumpe wird zum bedeutendsten Heizsystem im Neubau und auch im Altbau gewinnt sie dazu. Sie ist nach dem allgemeinen Trend hin zur Photovoltaik fürs Eigenheim der zweite starke Verdrängungsfaktor für die Solarthermie. Was bleibt für die Solarthermie? Wir haben drei Experten aus Forschung und Wirtschaft zu dem Thema befragt.
Seit über 20 Jahren ist die Solarthermie fester Bestandteil auf den Dächern von Neubauten und natürlich auch bei Heizungssanierungen. Der Gesetzgeber trägt dem nach wie vor Rechnung: So werden Solarthermie-Anlagen über die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) nach wie vor gefördert. Dennoch verschärft sich ein technischer Richtungsstreit zugunsten der Photovoltaik, der die Solarthermie an sich in Frage stellt. Die Deutsche Solarthermie-Technologie Plattform (DSTTP) sah im Juli 2021 einen entsprechenden Anlass, in einem 8-Punkte-Papier die Notwendigkeit und Bedeutung der Solarthermie für die Energiewende in der Wärmeversorgung zu betonen. In der DSTTP organisieren sich nach eigenen Angaben seit 2007 alle relevanten Akteure der Solarthermie-Industrie und -Forschung in Deutschland. Fazit des Positionspapiers: Die Solarthermie müsse als Basistechnologie der regenerativen Wärmeversorgung angesehen werden und integraler Bestandteil aller zukünftigen politischen Strategien zur Energiewende sein. Ein wichtiger Grund unter anderen, den die Akteure anführen, ist eine größere Flächeneffizienz.1) Andere Faktoren wie die hohe Wirtschaftlichkeit in Form von niedrigen solaren Wärmegestehungskosten werden angeführt oder auch die hohe Mindestlebensdauer sowie geringe Betriebskosten. Das alles ist zutreffend. Doch beschreibt es nicht von der volkswirtschaftlichen Ebene herunterskaliert auf ein Einfamilienhaus, welchen Anteil die Solarthermie an der Wärmeversorgung tatsächlich ganzjährig erbringen kann. Das kann man genauso der Photovoltaik vorhalten. Aber die Entwicklung geht in diese Richtung.
Angekündigte Wärmepumpen-Offensive
Die Gründe dafür sind die zunehmende Elektrifizierung auch des Wärmemarkts, über die Wärmepumpe, das steigende Interesse an Photovoltaik in Form von Eigenstromnutzung und die offenbar dynamisch zunehmende Abkehr von fossilen Feuerungen, im Bestandsbau als Ersatz und erst Recht im Neubau. Im März kündigte der Koalitionsausschuss der Ampel-Regierung an, man werde bei Industrie, Handwerk und Privathaushalten eine große Wärmepumpen-Offensive starten. Ende Juni luden das Bundeswirtschafts- und das Bundesbauministerium zu einem Spitzentreff en von Verbänden und Unternehmen ein, um den Startschuss zur angekündigten Wärmepumpen-Offensive zu geben. Das Ziel: ab 2024 mindestens 500 000 Wärmepumpen jährlich zu installieren statt der ca. 154 000 im Jahr 2021. Man darf sicher bezweifeln, ob und in welcher Form das in der Praxis umsetzbar sein wird, denn der Flaschenhals ist und bleibt das Handwerk und seine begrenzten Kapazitäten. Ein anderer ist der Ausbau der Stromnetze. Aber die politischen Signale stehen im Wärmemarkt auf Strom.
PVT und Stoff für Diskussionen
Das Thema Eigenstromnutzung aus PV-Anlagen verschärft eine alte Verdrängungsdebatte zwischen Photovoltaik und Solarthermie, die seinerzeit über die EEG-Vergütung ihren Anfang nahm und nun eine Fortsetzung auf anderem Weg findet. Eine mögliche Option für die Solarthermie angesichts der Ausrichtung des Wärmemarkts auf die Wärmepumpe sehen die von uns befragten Experten in der Weiterentwicklung zu PVT, also Kollektoren, die Strom und Wärme aus Sonnenlicht zugleich erzeugen. Die klassische Solarthermie sehen sie im Wohnbereich sich jedenfalls zum Nischenmarkt zu entwickeln. Das ist sicher keine abschließende Tatsache, doch es liefert Stoff für weitere Diskussionen.
„Reine Solarthermie nur noch in Nischenmärkten“
„Wollen wir das Pariser Klimaschutzabkommen einhalten und ein Abdriften in die Klimakatastrophe verhindern, muss unsere Wärmeversorgung bis zum Jahr 2035 vollständig auf Erneuerbaren Energien basieren. Grüner Wasserstoff ist bis dahin nicht in ausreichenden Mengen verfügbar und wird zudem sehr teuer sein. Darum müssen wir uns möglichst sofort vom Einbau neuer Öl- und Gasheizungen verabschieden. Es gibt einige zukunftsweisende Projekte, bei denen die Solarthermie die Wärmeversorgung vollständig sicherstellt. Doch das ist nach wie vor die Ausnahme. In der Regel braucht die Solarthermie einen Partner für die Wintermonate. Da aus Klimaschutzgründen dafür Öl- und Gasheizungen ausscheiden, muss dieser Partner künftig die Wärmepumpe sein. Die Wärmepumpe lässt sich aber auch sehr gut mit der Photovoltaik kombinieren. Im Vergleich zur Solarthermie ist die Photovoltaik einfacher zu installieren, vielseitiger einsetzbar und inzwischen in den meis ten Fällen auch preiswerter. Gelingt es allerdings, leistungsfähige und preiswerte Solarthermie-PV-Hybridkollektoren marktfähig zu machen, könnten diese Strom und Niedertemperaturwärme für Wärmepumpen bereitstellen. Bis dahin wird sich in Deutschland die Solarthermie nur in Nischenmärkten behaupten können. Dänemark zeigt, wie diese auch aussehen könnten: Große Solarthermieanlagen, die preiswert Solarwärme in Fernwärmenetze einspeisen.“
„PVT-Wärmepumpenkollektoren sind vielversprechend“
„Wir denken, dass es keine Frage der einen oder anderen Technologie ist, sondern dass je nach Situation künftig auch eine Kombination aus beiden Technologien benötigt und zum Einsatz kommen wird. Für ungeheizte Gewebehallen macht eine Photovoltaik-Anlage Sinn, da keine Wärme benötigt wird. In Gebieten, in denen Nah- und Fernwärmenutzung in Frage kommen, ist die Kopplung mit Solarthermie sehr sinnvoll. Priorität sollen Anwendungen haben, in denen die Energie verlustarm direkt oder nach Zwischenspeicherung vor Ort genutzt werden kann.
In den letzten Jahren ist aus der Kombination von beiden Technologien eine neue Kollektor-Bauart entstanden, die in Verbindung mit Wärmepumpen vielversprechend ist: der PVT-Wärmepumpenkollektor. Hier lassen sich Vorteile aus beiden Welten in Verbindung mit einer Doppelnutzung der limitierten Dachfläche kombinieren.
Für die Dekarbonisierung des Gebäudesektors werden Wärmepumpen und Wärmenetze aus Nah- und Fernwärme eine entscheidende Rolle spielen. Der Ausbau der Erneuerbaren Stromproduktion in Form von Wind und Photovoltaik müssen dabei parallel vorangetrieben werden, damit Kohlekraftwerke rasch abgeschaltet werden können. Damit der Ausbau mit dem wachsenden Strombedarf für E-Mobilität und für den Betrieb von Wärmepumpen mithalten kann, werden besonders stromsparende Wärmepumpen benötigt.
Die Effizienz und die möglichst geringe zusätzliche Stromnetzbelastung, gerade in der kalten Jahreszeit, ist zentral wichtig, um auch von Gaskraftwerken für die Spitzenlasten weg zu kommen. Daher sind ineffiziente Luft-Wärmepumpen kombiniert mit Photovoltaik aus unserer Sicht keine gute Lösung. Noch schlechter sind Lösungen, bei denen eine direkte Stromheizung mit Photovoltaik propagiert wird, da diese Heizungen im Winter zum Großteil eben doch vom Stromnetz Energie beziehen.
Aus unserer Sicht bieten geeignete PVT-Wärmepumpenkollektoren in Verbindung mit effizienten Sole-Wärmepumpen, thermischen Energiespeichern und intelligentem Lastmanagement eine gute und wirtschaftliche Möglichkeit, die Netze zu entlasten und damit für die Zukunft große Beiträge zur Dekarbonisierung zu leisten.“
„Solarthermie für Einfamilienhaus sehr eingeschränkt“
„Die Solarthermie hat nach wie vor ihre Daseinsberechtigung. Aus meiner Sicht lohnt sich das Thema aber nur bei speziellen Anwendungsfällen, wenn es auch in der Übergangszeit oder im Sommer hohe Wärmebedarfe gibt – wie beispielsweise in einem Krankenhaus oder in einem Altenpflegeheim.
Im Einfamilienhaus ist der Nutzen sehr eingeschränkt, da im Sommer wenig geheizt wird und der Warmwasserbedarf nur einen kleinen Teil des Gesamtwärmebedarfs ausmacht. Im Winter, wenn die Wärme eigentlich gebraucht wird, kommt mit Solarthermie oftmals nichts im Haus an, weil entweder der Einfallwinkel der Sonnenstrahlen nicht passt oder keine bzw. zu wenig direkte Bestrahlung herrscht.
Der Deckungsbetrag mit bei handelsüblichen Solarthermie-Anlagen liegt in einem Bestandsgebäude auf das ganze Jahr gesehen bei ca. 10 bis 15 %. Mit einer PV-Anlage ist eine Wärmeversorgung von bis zu 50 % durch selbst erzeugten Strom möglich. Wenn die Möglichkeit besteht, sollte man das Dach also lieber mit PV-Modulen belegen, weil man den erzeugten Strom sehr flexibel in allen Sektoren nutzen kann: für die Wärme, aber eben auch im Haushalt und für ein Elektroauto. Mit der Sektorenkopplung können sich Hausbesitzer in weiten Teilen unabhängig von Öl und Gas machen und darüber hinaus bis zu 90 % ihrer CO2-Emissionen einsparen.“
Ihre Meinung ist gefragt!
Wie beurteilen Sie die zukünftige Marktentwicklung der Solarthermie? Bleibt der Zubau stabil oder geht es in Richtung Photovoltaik? Oder gehört den PVT-Kollektoren die Zukunft ? Und wie häufig bauen Sie solarthermische Anlagen ein und in welchem Zusammenhang (Kesselmodernisierung, Neubau)? Schreiben Sie uns unter redaktion@strobelmediagroup.de.
Wir freuen uns auf Ihr Statement.
1) Das DSTTP-Positionspapier gibt es online zum Download unter www.solarwirtschaft.de/datawall/uploads/2021/07/DSTTP-Stellungnahme-Politik-
27Juli2021.pdf.
Autor: Dittmar Koop, Journalist für Erneuerbare Energien und Energieeffizienz
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