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19. März 2021

Hygienische Mängel in Trinkwasser-Installationen von Wohngebäuden mit Baujahr vor 2000. Erkenntnisse und Empfehlungen (Teil I)

In Wohngebäuden, die vor dem Jahr 2000 gebaut wurden, liegen systemische Mängel vor, die regelmäßig zur hygienischen Beanstandung der Trinkwasserqualität führen. Das liegt vor allem daran, dass die technischen Regelwerke, die vor dem Jahr 2000 galten, die Trinkwasserhygiene nicht so im Fokus hatten wie das heute der Fall ist. Vor allem die Problematik der Legionellen-Kontamination von Trinkwasseranlagen hat die Entwicklung von technischen Bestimmungen auf allen Ebenen vorangetrieben.

Als erste technische Maßnahme zur Verminderung des Legionellenwachstums ist das DVGW-Arbeitsblatt W 551 zu nennen, das erstmals 1993 erschienen ist und im April 2004 überarbeitet wurde. Als einschneidende Neuerung zur Verminderung des Legionellenwachstums ist im Dezember 1998 das DVGW-Arbeitsblatt W 553, „Bemessung von Zirkulationssystemen in zentralen Trinkwassererwärmungsanlagen“ erschienen. Wegen des Erscheinungsdatums Dezember 1998 kann davon ausgegangen werden, dass die neuen Bestimmungen etwa ab dem Jahr 2000 umgesetzt wurden. Die zeitliche Verzögerung ist einfach zu erklären: Praktiker wissen, dass eine so einschneidende technische Regel, mit neuen Festlegungen zu Temperaturen im Warmwassersystem und einem völlig neuen Berechnungsverfahren für Zirkulationsleitungen, in kurzer Zeit nicht umgesetzt werden kann.

Einschneidende Änderungen durch das DVGW-Arbeitsblatt W 551
Das DVGW-Arbeitsblatt W 551 war eine Reaktion auf neue Erkenntnisse zu Gefahren durch Legionellen-Kontaminationen. 1976 wurde anlässlich einer Konferenz von Kriegsveteranen in Philadelphia eine bisher unbekannte, in vielen Fällen tödlich verlaufende Krankheit entdeckt – die nach ihrem ersten Auftreten benannte „Legionärskrankheit“. Auslöser der Krankheit, die eine schwere und besondere Form von Lungenentzündung auslöste, war eine spezielle Art von Legionellen (Legionella Pneumophila), die erst im Januar 1977 isoliert werden konnte. In den 80er- und 90er-Jahren wurden weitere teilweise epedemieartige Krankheitsfälle bekannt. Forschungen führten zu der Erkenntnis, dass Legionellen in einem Temperaturbereich von etwa 30 bis 45 °C ideale Lebensbedingungen finden. Neuere Erkenntnisse fassen den zu vermeidenden Temperaturbereich mit 25 bis 50 °C deutlich weiter.

Vor diesem Hintergrund wurden in dem DVGW-Arbeitsblatt W 551 die Temperaturen in Warmwasseranlagen neu definiert und es wurde ein völlig neues Verfahren zur Berechnung von Zirkulationssystemen entwickelt, dass in der bisher gültigen DIN 1988 Teil 3 nur aus Festlegungen bestand. Außerdem wurde zwischen Klein- und Großanlagen differenziert. Vereinfacht kann festgestellt werden, dass alle Ein- und Zweifamilienhäuser Kleinanlagen sind, für die es lediglich Empfehlungen für Warmwasseranlagen gibt. Ab einem 3-Familienhaus kann allgemein von einer Großanlage bei einer zentralen Trinkwassererwärmungsanlage gesprochen werden. Ein Grund dafür ist die Überschreitung der 3-Liter Regel, die in dem Arbeitsblatt W 551 festgelegt wurde. Wenn der Wasserinhalt der Rohrleitungen zwischen Trinkwassererwärmer und der ungünstigsten (meist entferntesten) Zapfstelle größer 3 Liter ist, wird mit Ausnahme der genannten Ein- und Zweifamilienhäuser von einer Großanlage gesprochen.

Es gibt zwar noch das Kriterium, dass Anlagen mit Trinkwassererwärmer über 400 l Großanlagen sind, dieses Kriterium führt aber eher zu Verwirrungen. Denn auch eine moderne Trinkwasseranlage, in der die Wärme in Pufferspeicher gelagert wird und das Trinkwasser über einen Plattenwärmetauscher erwärmt wird, in der nur wenige Liter Warmwasser enthalten sind, ist eine Großanlage. Es reicht, dass mehr als 3 Liter Leitungsvolumen zwischen Warmwasserstation und ungünstigster Zapfstelle enthalten sind.

Temperaturen in Trinkwassererwärmungsanlagen – früher und heute
Bei einer Großanlage muss die Warmwassertemperatur nach dem Arbeitsblatt W 551 mindestens 60 °C betragen (vorher waren es maximal 60 °C). In weiten Kreisen ist der Irrglaube verbreitet, dass eine Trinkwassererwärmungsanlage mit genau 60 °C zu betreiben ist. Woher kommt diese Annahme? Sie stammt aus den Zeiten der Heizungsanlagenverordnung, in der eine max. Warmwassertemperatur von 60 °C vorgeschrieben war. Hintergrund für diese Vorschrift war einzig und allein der Wille Energie einzusparen. Nach dem Ölpreisschock 1973, der die Bürger mit autofreien Sonntagen in Angst und Schrecken versetzte, wurde 1976 das Energieeinsparungsgesetz verabschiedet. Im Anschluss wurden 1977 die Wärmeschutzverordnung und 1978 die Heizungsanlagenverordnung verabschiedet. Und in dieser Heizungsanlagenverordnung stand nun, dass Warmwasseranlagen mit max. 60 °C zu betreiben sind und das nur aus Gründen der Energieeinsparung. Trinkwassererwärmungsanlagen wurden vor dem Jahr 2000 auch gerne mit deutlich geringeren Temperaturen wie z. B. 45 °C oder 50 °C betrieben, weil so Energie gespart und die Betriebskosten niedrig gehalten wurden.

Heute wissen wir, dass diese mit zu geringen Temperaturen betriebenen Warmwasseranlagen hygienische Katastrophen waren und bei der Abwägung zwischen Energieeinsparung und Trinkwasserhygiene der Trinkwasserhygiene der Vorrang einzuräumen ist. Übrigens haben viele Kesselhersteller wegen der Heizungsanlagenverordnung die Regelungseinstellungen für Warmwasser auf 60 °C begrenzt. Das führt heute zu Problemen, denn wenn wegen einer akuten Legionellen-Kontamination die Betriebstemperaturen vorübergehend oder dauerhaft auf Temperaturen oberhalb 60 °C eingestellt werden sollen, dann ist das ohne Weiteres nicht möglich.

In allen aktuell geltenden anerkannten Regeln der Technik wie zum Beispiel der EN 806-2, der DIN 1988-200, dem DVGW-Arbeitsblatt W 551 und dem in der DIN 1988-300 aufgegangenen DVGW-Arbeitsblatt W 553 steht, dass ein Trinkwassererwärmer mit mind. 60 °C betrieben werden muss. Temperaturen oberhalb 60 °C sind also zulässig und manchmal auch notwendig, z. B. um Bestandsanlagen, die vor dem Jahr 2000 gebaut wurden, frei von Legionellen zu betreiben. Selbstverständlich soll eine Trinkwassererwärmungsanlage mit möglichst geringen Temperaturen betrieben werden, also möglichst nicht mit viel mehr als 60 °C. Folgende Gründe sprechen gegen zu hohe Temperaturen:

  • Bei sehr hohen Temperaturen können Rohrwerkstoffe und andere Bauteile einer Trinkwassererwärmungsanlage an ihre Grenzen kommen. Bei Temperaturen oberhalb 70 °C kommen manche Kunststoff- und Verbundrohre oder manche Dichtungswerkstoffe an ihre Einsatzgrenzen; es drohen Schäden durch undichte Rohrleitungssysteme.
  • Bei Temperaturen oberhalb 60 °C steigt die Gefahr von Steinbildung. Das heißt, Calcium- und Magnesiumcarbonat fallen verstärkt aus.
  • Mit zunehmenden Betriebstemperaturen steigt die Verbrühungsgefahr an den Entnahmestellen.

So hoch wie nötig, so niedrig wie möglich
Warmwasseranlagen sollten hinsichtlich der Warmwassertemperaturen so hoch wie nötig, aber so niedrig wie möglich gefahren werden. Die Mindesttemperatur liegt bei 60 °C (Ausnahmen gibt es bei Ein- und Zweifamilienhäuser). Nach DIN 1988-200 darf diese Mindesttemperatur auch nur minutenweise unterschritten werden. Das heißt im Umkehrschluss, dass bei einer Bestandsanlage mit größeren Auskühlverlusten durch das Zirkulationsnetz, die Trinkwassererwärmungsanlage durchaus auf 63 °C eingestellt werden muss, um die 60 °C im Trinkwassererwärmer auf Dauer sicherzustellen.

Zirkulationspumpe als hygienisches Risiko
Damit sind wir bei der nächsten Regelung der alten Heizungsanlagenverordnung, die uns heute auf die Füße fallen kann. Um Energie einzusparen, musste die Zirkulationspumpe, die bis 1978 in der Regel durchlief, abschaltbar sein. In Zeiten wo kein warmes Wasser benötigt wurde, vor allem nachts, sollte zur Energieeinsparung die Zirkulationspumpe abgeschaltet werden. Auch diese Maßnahme ist aus heutiger Sicht unter hygienischen Aspekten kontraproduktiv. Es sei aber daran erinnert, dass 1978 das Thema Legionellen in Europa völlig unbekannt war und die damals vorherrschende Sichtweise, Energie einzusparen zu wollen, um sich von den ölproduzierenden Ländern unabhängiger zu machen, breiter Konsens war.

Erst mit Einführung des DVGW-Arbeitsblatts W 551 wurde eine Mindesttemperatur im Warmwasser- und Zirkulationssystem von 55 °C festgelegt. Außerdem wurde eine maximale Temperaturdifferenz zwischen Warmwasserausgang und Zirkulationseintritt in die Trinkwassererwärmungsanlage von max. 5 K formuliert. Diese Forderungen machten ein völlig neues Berechnungsverfahren für Zirkulationsanlagen nötig, denn nach der alten DIN 1988- 3 wurden Zirkulationsleitungen durch einfache Festlegungen dimensioniert:

  • Alle Zirkulationssteigleitungen waren mindestens in ½“ oder 15 mm Außendurchmesser zu dimensionieren.
  • Die Dimension der Zirkulationssammelleitung erfolgte nach einer Tabelle in Abhängigkeit der Dimension der Warmwasserverteilungsleitung.
  • Die Zirkulationspumpe musste so groß ausgelegt werden, dass der Wasserinhalt des Warmwassernetzes drei Mal in der Stunde umgewälzt wird.

Ein Warmwassernetz mit einem Wasserinhalt von 200 l brauchte demnach eine Zirkulationspumpe, die mindestens 600 l/h Wasserumlauf sicherstellte. Eine bestimmte Förderhöhe der Pumpe wurde nicht gefordert, da bei den kleinen Wassermengen keine nennenswerten Widerstände zu überwinden waren. Deswegen sind heute noch in vielen Warmwasseranlagen viel zu kleine Zirkulationspumpen installiert, wie zum Beispiel eine Z 15 oder Z 20. Gerade eine Z 20, die nicht Mal eine Förderhöhe von 1 m erreicht, ist häufig ein Grund, weswegen heute der technische Maßnahmenwert nach Trinkwasserverordnung von 100 KBE/100 ml überschritten wird.

Insgesamt führte das Auslegungssystem dazu, dass hygienische Warmwassertemperaturen nur an pumpennahen Warmwassersteigleitungen gegeben waren, während pumpenferne Steigleitungen oft mals nicht viel mehr als Körpertemperatur erreichten. Zu Reklamationen ist es in der Regel nicht gekommen, da zum Baden und Duschen Temperaturen zwischen 35 und 38 °C je nach Komfortwünschen ausreichten.

Unzureichende Dämmung
Ein anderes Problem sind mangelhaft wärmegedämmte Rohrleitungen. In der Heizungsanlagenverordnung von 1978 wurde lediglich eine Dämmung von 2/3 der Rohrnennweite gefordert, was in etwa einer 50-%-Dämmung entspricht. Allerdings wurde seit der 1. Änderung der Heizungsanlagenverordnung 1988 eine 100-%-Dämmung gefordert. Nur wurde das in der Praxis kaum umgesetzt. Wer im Jahr 1999 eine 100-%-Dämmung von einem Tag zum anderen auf die Baustelle geliefert bekommen wollte, bekam vom Großhändler zu hören, dass eine 100-%-Dämmung Bestellware ist und nicht von einem Tag auf den anderen lieferbar sei. Die Dämmung von Armaturen, die seit 1988 ebenfalls erstmalig vorgeschrieben ist, ist bis zum Jahr 2000 ebenfalls nicht umgesetzt worden. Diese Vorschrift en werden erst seit dem Jahr 2002, mit dem ersten Erscheinen der Energieeinsparverordnung (EnEV 2002), umgesetzt.

Zusammenfassung
In Wohngebäuden, die bis zum Jahr 2000 gebaut wurden, finden sich folgende widerkehrende Mängel:

  • Rohrleitungen sind meist nicht ausreichend gegen Wärmeverluste gedämmt.
  • Leitungsarmaturen sind in der Regel nicht gedämmt.
  • Zirkulationsleitungen sind hydraulisch nicht abgeglichen.
  • Die Rohrdimensionen der Zirkulationssteigleitungen, die Pumpenfern liegen, sind häufig zu klein dimensioniert.
  • Zirkulationspumpen sind häufig zu klein dimensioniert. Vor allem fehlt ausreichend Förderhöhe, um ausreichende Volumenströme in pumpenferne Zirkulationsstränge zu transportieren.

Selbstverständlich gibt es noch andere Standardmängel wie nasse Löschwasserleitungen oder Umgehungsleitungen um Filter, Wasseraufbereitungsanlagen oder Druckerhöhungsanlagen. Diese Mängel werden in einem weiteren Beitrag aufgezeigt und erläutert.

Autor: Peter Clos, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für das Installateur- und Heizungsbauer-Handwerk, Betriebswirt des Handwerks, Handelsrichter am Landgericht Berlin


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